
Persönlich. Völlig privat ist keine Nachricht, die übers Internet in die Welt gesendet wird.
Via Kurznachricht senden Millionen intime Details an Freunde. Wie gut ist Privates bei den Botendiensten geschützt? Wir haben 18 Apps untersucht.
Morgens beim Bäcker. „Ihre Telefonnummer bitte“, verlangt die Verkäuferin. „Warum?“, fragt die Kundin misstrauisch. „Damit verbessern wir den Service“, erklärt die Bäckersfrau. „Lieber nicht“, wehrt die junge Frau vor dem Tresen ab. Andere Kunden sollen ihre letzten fünf SMS vorlesen oder mitteilen, wo sie am Vortag um 20 Uhr waren. Fast alle sind brüskiert, niemals würden sie einer Fremden solche privaten Einzelheiten verraten.
Anders im Internet. Dort schicken viele Menschen Persönliches auf Server in die halbe Welt. Diese Absurdität macht das dänische Verbrauchermagazin Forbrugerrådet Tænk in seinem Test in der Bäckerei deutlich.
Beliebter als SMS
Weltweit versenden Menschen per Handy Milliarden Instant Messages pro Tag. Die speziellen Kurznachrichten sind längst deutlich populärer als SMS – vor allem weil sie nichts extra kosten, wenn sie nur das ohnehin gebuchte Datenvolumen des Mobilfunkvertrags aufbrauchen. Im Gegensatz zur SMS ermöglichen Instant Messages auch Gruppenunterhaltungen, Foto-, Audio- und Videonachrichten.
Prominentester Messenger ist der amerikanische Dienst WhatsApp. Ihn sowie acht weitere Apps haben wir jeweils für die Betriebssysteme iOS und Android geprüft. Exemplarisch untersuchten wir auch Apples iMessage. Bis auf WhatsApp und Threema sind alle Messenger-Programme kostenlos in App-Onlineshops zu haben. Für Threema werden 1,99 Euro fällig – einmalig. WhatsApp ist im ersten Jahr gratis, jedes weitere Jahr kostet 89 Cent.
Unsere Tester wollten wissen, wie leicht die App-Anbieter – oder gar Hacker – an persönliche Daten von Messenger-Nutzern kommen. Als sie sich anschickten, die Verschlüsselung der Nachrichten von 18 Apps zu knacken, erlebten sie eine Überraschung. Alle waren so stark gesichert, dass sich keine einzige Nachricht entziffern ließ.
Anders als im letzten Schnelltest reichten die Anbieter auch keine Nutzerdaten direkt aus der App heraus an Dritte weiter, damit diese zum Beispiel Werbeprofile bilden. Ob sie die Daten stattdessen vom eigenen Server an Externe weiterleiten, ist unklar.
So wenig wie möglich preisgeben
Gut ist die starke Verschlüsselung, weil Dritte nicht ohne Weiteres Privates ausspähen können. Wie aber gehen die App-Anbieter hinter „verschlossenen Türen“ mit den Daten ihrer Kunden um? Weil sich diese Frage nicht beantworten lässt, sollten Nutzer einen Dienst wählen, bei dem sie so wenig wie möglich von sich preisgeben. Von den geprüften Anbietern fordern nur Hoccer, Threema und ChatSecure wenige oder keine Daten von ihren Kunden. Als Einzige schneiden sie im Umgang mit persönlichen Daten gut ab.
Deutsche App liegt vorn
Die beste Messenger-App für Android und iOS im Test heißt Hoccer. Sie geht sparsam mit den persönlichen Daten ihrer Nutzer um und funktioniert reibungslos. Der Server der Berliner Firma Hoccer steht in Deutschland, es gilt deutsches Datenschutzrecht. Die mit Abstand beliebteste App der Deutschen – WhatsApp – schneidet insgesamt befriedigend ab, im Umgang mit Kundendaten aber nur ausreichend. Sie greift nicht unerheblich in die Privatsphäre ihrer Nutzer ein. Seit 2014 gehört sie zum sozialen Netzwerk Facebook, das offensiv Daten sammelt.
WhatsApp liest automatisch die Telefonbücher seiner Nutzer aus. Angeblich greift der Dienst auf der Suche nach möglichen Chat-Partnern nur auf die Telefonnummern und nicht auf alle gespeicherten Infos wie Adressen, Mailadressen oder Geburtstage zu – ob das stimmt, ist ungewiss. Selbst wenn: Bei 800 Millionen WhatsApp-Nutzern weltweit sind das mindestens 800 Millionen Rufnummern für den Anbieter. Heikel ist der Telefonbuchabgleich in Kombination mit den Rechten, die sich das Programm vor dem Einrichten von jedem Nutzer sichert. Um zu funktionieren, braucht WhatsApp etwa Zugriff auf den Standort, die Fotos, die Videos und das Mikrofon des Handys. Das sind aber nicht nur Schwachstellen von WhatsApp, Anwender müssen Messenger-Diensten blind vertrauen.
Fünf verschlüsseln Ende-zu-Ende
Der beste Weg zu verhindern, dass ein Anbieter Nachrichten mitliest, ist die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Die Nachricht wird dazu auf dem Handy des Absenders automatisch verschlüsselt und erst beim Empfänger entschlüsselt. Hoccer, Threema, Blackberry, ChatSecure und TextSecure/Signal werben mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Die anderen Anbieter verschlüsseln die Transportwege in Eigenregie. Sie wissen, wer was an wen sendet.
Ein Sonderfall ist WhatsApp. Ende 2014 kündigten die von Edward Snowden gelobten Software-Entwickler von Open Whisper Systems an, im Auftrag von WhatsApp an einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für deren Messenger zu arbeiten. Zunächst gelte sie nur für Nachrichten zwischen Android-Nutzern, hieß es. WhatsApp selbst schweigt sich bis heute darüber aus. Spruchreif scheint die sichere Verschlüsselung zurzeit also noch nicht zu sein.
Anonym anmelden geht auch
Neben der Verschlüsselung sollten Nutzer darauf achten, dass der Messenger so wenig persönliche Daten wie möglich verlangt. Das beginnt beim Einrichten des Dienstes. Im Unterschied zu anderen Anbietern wollen Hoccer und Threema von ihren Nutzern nicht einmal eine Telefonnummer oder E-Mail-Adresse für die Anmeldung. Ein Fantasiename reicht. Am sichersten ist Privates bei ChatSecure für iOS. Doch die Messenger-App eignet sich eher für Technikversierte, das Einrichten ist schwierig.
Drei lesen das Telefonbuch aus
Damit Nutzer überhaupt Nachrichten senden können, müssen sie im Messenger Kontakte anlegen. Bei WhatsApp, Viber und TextSecure können sie sich das sparen – die Programme bedienen sich selbst. Sie greifen automatisch auf das Telefonbuch des Handys zu. Deaktivieren lässt sich die Funktion nicht. Diese Anbieter gleichen die Rufnummern mit denen weiterer App-Nutzer ab – und listen Registrierte als Chat-Partner auf. Welche Kontakte angezeigt werden, darf der Nutzer nicht bestimmen. So landen neben Freunden auch der Friseur und der Chef in der Messenger-App.
Datenschutz macht Umstände
Vorteil des Telefonbuchabgleichs: Ruckzuck und sehr komfortabel ist die App startklar. Nutzer sollten aber selbst entscheiden können, ob sie dem Anbieter alle Kontakte überlassen. Bei Threema, Line und Facebook ist die Funktion optional. Hoccer, Blackberry und ChatSecure verzichten komplett darauf. Hoccer-Nutzer etwa senden Freunden eine vorgefertigte SMS oder Mail mit einem Link zum Registrieren.
Lästiges am besten ausschalten

Unter Kontrolle. Blaue Häkchen als Lesebestätigung, Anzeige, wann der Chat-Partner tippt – solche Funktionen sollten sich ausschalten lassen.
Generell gilt: Funktionen sollten sich ausschalten lassen. Dazu zählt die Lesebestätigung. Nicht jeder möchte, dass sein Gegenüber weiß, wann er eine Nachricht gesehen und vielleicht nicht gleich beantwortet hat. Nach heftiger Kritik von Nutzern lässt sich die Lesebestätigung bei WhatsApp mittlerweile deaktivieren. Das geht auch bei Hoccer, Threema und Viber. Keine Wahl haben Nutzer von Blackberry, Facebook und Line.
Umstritten ist auch das Sichtbarmachen des Onlinestatus – öffnet der Nutzer die App, wissen das sämtliche Messenger-Freunde. Den Onlinestatus zeigen alle Apps außer Threema, Line und TextSecure/Signal an. Unsichtbar machen lässt er sich bei Viber.
Botschaften mit Selbstzerstörung
Maximale Privatsphäre und uneingeschränkten Komfort kombiniert kein Anbieter. So simpel wie WhatsApp lässt sich keine andere App bedienen. Eine gute Handhabung bewiesen im Test aber auch datensparsame Apps wie Hoccer und Threema. Neben den klassischen Messenger-Funktionen wie Text,- Audio-, Video- und Fotonachrichten warten etliche Apps mit Schmankerln auf. Threema erlaubt zum Beispiel Abstimmungen. Mehrere Freunde können über beliebige Fragen wie „Wo wollen wir essen gehen?“ votieren.
Nachrichten mit Haltbarkeitsdatum lassen sich bei Line und Blackberry versenden. Ihre Lesezeit ist nach dem Öffnen auf Sekunden oder Tage begrenzt – danach lässt sich die Botschaft nicht mehr ansehen. Internetanrufe bieten WhatsApp, Line, BlackBerry, Viber, Facebook und Signal.
Lockruf der Freunde

Links Threema. Mithilfe der Funktion „Abstimmen“ trifft ein Freundeskreis unkompliziert Entscheidungen.
Rechts Blackberry. Nachrichten mit Haltbarkeitsdatum kann der Empfänger nach dem Öffnen nur für Sekunden lesen.
Was nützt die schönste Funktion, wenn sich alle meine Freunde bei der Konkurrenz unterhalten? Wer einen neuen, sicheren Messenger wählen möchte, steht vor der Frage: Wie überrede ich meine Freunde, den Anbieter zu wechseln?