
Martin Gobbin
Ich weiß, was du letzte Woche getan hast: Google merkt sich nicht nur, wo seine Nutzer wie lang waren. Der Konzern kann auch erahnen, wann jemand wo sein wird, was er kaufen möchte, welche Sorgen er hat und wie er politisch und sexuell orientiert ist. Unser Multimedia-Redakteur Martin Gobbin hat im Selbstversuch erforscht, was Google alles über ihn weiß – und wie sich der Datenhunger des Internetriesen einschränken lässt.*
Wer hat mich verraten? Meine Google-Daten!
Interessant für Einbrecher: Am Freitag bin ich auf einer Hochzeit - also außer Haus.
Einbrechen können Sie bei mir am besten wochentags zwischen 9 und 18 Uhr. Da bin ich 7,128 Kilometer von zuhause entfernt – sagt mein Bewegungsprofil von Google. Wo ich wohne, erfahren Sie aus meinem Bewegungsprofil auch. Um in die richtige Wohnung einzudringen, brauchen Sie natürlich meinen Namen – ob ich am Beginn des Textes ein Pseudonym oder meinen richtigen Namen angegeben habe, erfahren Sie mithilfe von Google Wallet. Dort finden Sie meine Kreditkarte und darauf meinen Namen – als Schmankerl gibt’s noch Infos zu meinem Paypal-Konto dazu (falls ich bei Paypal das gleiche Passwort verwende wie bei Google, können Sie dann auf meine Kosten einkaufen). Wenn Sie Pech haben, nehme ich aber vielleicht ausgerechnet am Tag Ihres Einbruchs frei und bin doch zuhause. Warten Sie also lieber bis Mitte September, da habe ich Urlaub und bin garantiert weg – das verrät Ihnen mein Google-Kalender.
Google deutet das Ausmaß seines Datenhungers an
Unter „Mein Konto“ finden sich viele persönliche Daten und Einstellungsoptionen.
Diese und viele, viele weitere Infos über mich finden Sie mithilfe von Mein Konto: einer neuen Seite, die Google im Juni 2015 veröffentlicht hat. Dort kann ich einsehen, was Google über mich weiß – Sie können das auch, falls Sie mein Passwort knacken. Zwar verfügt Google vermutlich noch über weit mehr persönliche Daten als unter „Mein Konto“ zu finden sind, aber immerhin hat der Konzern eine zentrale Anlaufstelle geschaffen, die das Ausmaß seines Datenhungers zumindest erahnen lässt. Längst nicht jede Datenkrake ist so transparent.
Jede Suchanfrage lässt sich nachvollziehen
Wie man sieht, habe ich auch an diesem Tag zu Datenschutzthemen recherchiert - und zu einem Zombiefilm.
„Mein Konto“ öffnet mir die Augen, wie vollständig das Bild ist, das Google von mir hat – und es macht mir klar, was alles geschehen könnte, falls die dort gespeicherten Daten in fremde Hände gerieten. Anhand meiner Google-Daten werde ich zum gläsernen Menschen: Jede Suchanfrage, die ich irgendwann mal gestellt habe, lässt sich nachvollziehen. Allein hieraus sind meine persönlichen Präferenzen, Einstellungen, mein Lebensstil, meine Wünsche und Sorgen sehr genau ablesbar.
Mein persönliches Bewegungsprofil
Neben meinen Suchanfragen findet sich in „Mein Konto“ auch eine enorme Menge an Kommunikationsdaten: E-Mails, die ich über Googles Maildienst Gmail gesendet und empfangen habe. Private und berufliche Kontakte, die ich per Smartphone, via Gmail, über das soziale Netzwerk Google+ oder mit dem Messenger-Dienst Hangouts pflege. Meine Termine sind im Google-Kalender einsehbar. Meine Bewegungen können im Standortverlauf geografisch und zeitlich genau verfolgt werden – mitunter über Jahre hinweg, sodass sich Verhaltensmuster daraus ergeben.
Was Youtube und Google+ verraten
Alle Einkäufe, die ich über Google Play oder Youtube getätigt habe, sind in Google Wallet eingetragen – samt der dafür genutzten Zahlungsmittel. Die Liste meiner Einkäufe ist in „Mein Konto“ verlinkt. Welche Youtube-Videos ich angeschaut und welche Bilder ich auf Google Fotos oder Google+ eingestellt habe, ist über „Mein Konto“ ebenfalls herauszufinden. Sämtliche im Cloud-Dienst „Google Docs“ abgelegten Dokumente lassen sich aufrufen. Per Link komme ich von „Mein Konto“ ins „Dashboard“ – einen Vorgänger von „Mein Konto“. Dort sind alle jemals von mir genutzten Android-Apps aufgelistet. Das Gleiche gilt für sämtliche Android-Geräte, mit denen ich mich irgendwann mal in einen Google-Dienst eingeloggt habe – sie werden samt einer eindeutigen Identifikationsnummer aufgeführt und können teilweise auch geortet werden, falls sie eingeschaltet sind.
Google weiß mehr über mich als meine Mutter
Nach diesem Blick in mein virtuelles Profil ist mir klar: Meine Mutter weiß deutlich weniger über mich als Google. Der US-Konzern kann erahnen, wann ich mich wo aufhalten werde, was ich am Wochenende plane, welches Wehwehchen mich gerade plagt, wie viel ich verdiene, was ich kaufen möchte, wohin ich reisen will und wie ich politisch, weltanschaulich und sexuell ausgerichtet bin.
Wie Sie Googles Röntgenblick entgehen können
An all diese Daten kommt Google, weil ich sie freiwillig hergebe: Weil ich viele der praktischen Google-Dienste nutze, ein Smartphone mit Googles Betriebssystem Android verwende – und weil ich trotz Sorgen um die Verbreitung meiner Daten zu faul bin, mich in meiner Freizeit damit zu beschäftigen, wie Google mich durchleuchtet und wie ich diesem Röntgenblick zumindest teilweise entgehen kann. Zum Glück werde ich aber dafür bezahlt, mich im beruflichen Alltag mit diesem Thema zu befassen. Davon sollen auch Sie profitieren, denn dieser Text erklärt nicht nur, welche Daten Google wie sammelt, sondern er liefert im Abschnitt So weisen Sie Google in die Schranken auch Anleitungen, wie Sie Googles Zugriff auf Ihre Daten begrenzen können. Es wäre nett, wenn Sie im Gegenzug auf den Einbruch bei mir verzichten.
* Das Special wurde am 3. Juli 2015 erstmals veröffentlicht und am 16. Juli 2015 um ein Glossar ergänzt.