In der Klinik bekommen Patienten oft andere Medikamente als gewohnt. Unsere Befragungen zeigen, dass viele von ihnen darüber gar nicht informiert werden. Dabei kann so eine Umstellung im Einzelfall schlecht für die Gesundheit sein, wie wir anhand von Fallbeispielen dokumentieren.
Auf einmal andere Tabletten
Hilflos und entmündigt fühlte sich Roland F. im Krankenhaus. Seit einem Herzinfarkt nimmt der 55-jährige Sachbearbeiter regelmäßig fünf Medikamente. Nun musste er aus einem anderen Anlass in eine Klinik und bekam dort auf einmal andere Tabletten. „Gesagt hat mir das aber keiner“, erzählt er. Nach ein paar Tagen fragte er die Schwester, was er da nimmt. Sie antwortete nur, die eine Pille sei fürs Herz, die andere der Blutverdünner. Warum er andere Arzneien bekam als die von seinem Facharzt verordneten, erfuhr er nicht.
Umfrage zeigt: Jeder Zweite wurde nicht über Umstellung informiert
Viele Menschen erleben Ähnliches wie Roland F. Bei rund jedem zweiten Patienten wurden im Krankenhaus Medikamente umgestellt, ohne dass es das Ziel des Aufenthalts war – das ergab eine Umfrage auf test.de. Obwohl es gesetzlich vorgeschrieben ist, erfuhr knapp die Hälfte dieser Patienten nicht, dass sie andere Arzneien als gewohnt bekam. An der Umfrage haben 181 Menschen teilgenommen, die regelmäßig Arzneimittel einnehmen und in den letzten zwölf Monaten im Krankenhaus behandelt wurden (siehe Infografik). Ergänzend führte ein Institut in unserem Auftrag zwei Gesprächsrunden mit Patienten durch.

© Stiftung Warentest

Jeder zweite Teilnehmer unserer Umfrage gab an, dass er während eines Klinikaufenthalts in den vergangenen zwölf Monaten andere Präparate bekommen hatte als gewohnt. Knapp die Hälfte berichtete, dass weder Ärzte noch Pflegepersonal mit ihnen über die Umstellung gesprochen hätten.
Krankenhaus hat nicht alle Medikamente vorrätig
Während eines stationären Aufenthalts ist das Krankenhaus für die Medikation zuständig und verantwortlich. Eine Herausforderung: Der deutsche Arzneimittelmarkt ist groß. Es gibt mehr als 60 000 apothekenpflichtige Medikamente, mehr als 45 000 sind verschreibungspflichtig. „Die alle vorrätig zu haben, ist nicht möglich“, sagt Dr. Torsten Hoppe-Tichy, Leiter der Apotheke des Universitätsklinikums Heidelberg und zweiter Vizepräsident des Bundesverbands deutscher Krankenhausapotheker. Schon deshalb würden Arzneimittel im Krankenhaus häufig umgestellt.
Jede Klinik hat eine Hausliste
Jedes Krankenhaus führt eine sogenannte Hausliste. Sie legt fest, welche Medikamente in der jeweiligen Klinik eingesetzt und vorrätig gehalten werden. Über die Hausliste entscheiden nicht, wie Patienten in unseren Gesprächsrunden teils vermuteten, Pharmakonzerne – sondern die Arzneimittelkommissionen der Kliniken, bestehend aus Ärzten und Apothekern. „Die Auswahl richtet sich nach drei Kriterien: Wirksamkeit, Sicherheit und Ökonomie“, sagt Hoppe-Tichy. Medikamente müssten sich in Studien bewährt und möglichst wenig Neben- und Wechselwirkungen haben. „Erst bei vergleichbar wirksamen und sicheren Arzneimitteln entscheidet der Preis.“
Oft die gleichen Wirkstoffe
Die Patienten, die sich an unserer Umfrage beteiligten, erhielten im Krankenhaus häufig statt ihres bisherigen Medikaments ein wirkstoffgleiches Präparat, ein sogenanntes Generikum. Der gleiche Wirkstoff in der gleichen Stärke kann also in der Klinik statt in gewohnten weißen Tabletten etwa in blau ans Krankenbett kommen. „Medizinisch gesehen ist ein Generikum keine Umstellung“, sagt Chefapotheker Hoppe-Tichy. Diese Art von Austausch kennen Patienten auch aus dem Alltag, wenn die Rabattverträge der Krankenkassen wechseln.
Jede Umstellung birgt Gefahren
Es kommt natürlich auch vor, dass Ärzte aus medizinischen Gründen umstellen. Zum Beispiel auf einen anderen Wirkstoff, weil eine bisher verordnete Arznei nicht zu einer im Krankenhaus neu gegebenen passt. Lieferengpässe bei Herstellern können ebenfalls zu Umstellungen führen. Jede Umstellung der Medikation birgt Gefahren. Das zeigen drei Fälle, die uns ein Hausarzt aus seiner Praxis geschildert hat. Bei diesen Patienten wären negative Folgen für die Gesundheit möglich gewesen. Um solche Risiken zu minimieren, sollten Ärzte jede unnötige Veränderung vermeiden.
In der Klinik fehlt die Packungsbeilage
Egal ob Generikum, andere Dosis oder neues Medikament – gerade im Krankenhaus müssen Ärzte und Pfleger einen Patienten aufklären, wenn er nicht die gewohnten Arzneimittel erhält. Denn anders als zu Hause bekommt er die Medikamente in der Klinik ohne Packungsbeilagen.
Ärzte sind zur Information verpflichtet
Das Recht auf Information über Arzneimittel ist durch das Patientenrechtegesetz im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Darin heißt es: „Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise“ die Therapie zu erläutern. Im Klinikalltag wird das oft nicht umgesetzt. So war es auch bei Brigitte B. Während eines Klinikaufenthalts sollte die 74-Jährige jeden Morgen ein ihr unbekanntes Medikament nehmen. Sie wollte wissen, was es ist und warum sie es bekommt. Der Krankenhausarzt vertröstete sie tagelang. Da setzte sie sich vor das Arztzimmer und wartete – bis er kam und es ihr erläuterte. „Man muss selbst aktiv werden“, sagt die Rentnerin.
Nicht eigenmächtig Tabletten nehmen
Ein Medikament zu verabreichen ist ein Eingriff in den Körper. Nutzen und Risiken muss der Patient kennen – wie bei einer Operation. In unserer Umfrage gab nur jeder Dritte an, dass ein Klinikarzt über die veränderte Medikation informiert habe. Im Klinikalltag sei es nicht auszuschließen, dass aufgrund der Menge einzelne Informationen durchrutschen, sagt Wolfgang von Renteln-Kruse, Chefarzt im Albertinen-Haus in Hamburg. Keine andere Therapiemaßnahme werde so häufig und damit auch so selbstverständlich angewendet wie Medikamente. Patienten, die unsicher oder beunruhigt sind, rät der Professor für Geriatrie, das anzusprechen. „Die Arzneimitteltherapie muss auf einer vertrauensvollen Basis stattfinden.“
Tipp: Wenn Sie nicht möchten, dass bestimmte Arzneimittel, auf die Sie gut eingestellt sind, verändert werden, sprechen Sie das Klinikpersonal darauf an. Aber nehmen Sie mitgebrachte Medikamente nie ohne Rücksprache mit einem Arzt ein, auch keine rezeptfreien.
Mit Plan in der Tasche
Kommen Menschen ins Krankenhaus, ist es wichtig, dass die Klinik über eine bestehende Medikation Bescheid weiß. Wer regelmäßig Arzneimittel nimmt und geplant in die Klinik kommt, spricht am besten vorher mit dem Haus- oder Facharzt über dieses Thema. Hilfreich ist ein Medikationsplan, auf dem die wichtigsten Angaben stehen.
„Ich bin doch kein Automat!“
Als Heike T. vor einiger Zeit ins Krankenhaus musste, hatte sie einen Medikationsplan dabei. Das Klinikpersonal gab ihr statt der gewohnten Arzneimittel ein Generikum und eines mit anderem Wirkstoff. Niemand informierte Heike T. darüber, die 52-Jährige bemerkte es selbst. „Wenn man mir erklärt hätte, dass ich Ersatzmedikamente bekomme und aus welchem Grund, hätte ich mich wertgeschätzt und gut aufgehoben gefühlt“, sagt die Eventmanagerin. Es verunsichere, nicht zu wissen, was man da einnimmt. „Ich bin doch kein Automat, in den man einfach verschiedene Münzen einwerfen kann. Vielleicht funktioniere ich nur mit 5-Cent-Münzen.“
Zeit zum Reden muss sein
Patienten sollten die Zeit für ein Gespräch einfordern, sagt Chefarzt Renteln-Kruse, und wirbt zugleich um Verständnis: „Man darf nicht vergessen, dass im Krankenhaus Menschen für Menschen arbeiten.“ Für das Klinikpersonal würden Aufwand und Anforderungen immer höher. Damit sei die Zeit insbesondere für aufwendigere Beratungen knapp, auf der anderen Seite werde die Medikation von Patienten mit zunehmendem Lebensalter komplexer.
Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker
Nicht nur Ärzte und Pflegepersonal sollten für Patienten ansprechbar sein, auch Krankenhausapotheker. „Die Faustregel ‚Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker‘ gilt auch im Krankenhaus“, sagt Chefapotheker Hoppe-Tichy. In der Praxis bietet sich allerdings wenig Gelegenheit dazu. Im Durchschnitt ist ein Klinikapotheker für 300 Patienten zuständig – und auf die knapp 2 000 deutschen Krankenhäuser kommen nur rund 400 Apotheken. Viele versorgen mehrere Kliniken.
Änderungen sind zu dokumentieren
Werden Patienten aus dem Krankenhaus entlassen, erfahren sie noch weniger über ihre Medikation als nach der Aufnahme, wie unsere Umfrage zeigt. Gut zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie zum Ende ihres Krankenhausaufenthalts nicht persönlich über ihre veränderte Medikation informiert wurden. Schriftliches bekam nur gut die Hälfte in die Hand – meist war das der Brief für den weiterbehandelnden Haus- oder Facharzt. Seit März dieses Jahres legt die geänderte Arzneimittelrichtlinie genau fest, wie das Krankenhaus den Haus- oder Facharzt informieren muss. Im sogenannten Arztbrief sind alle veränderten Medikamente im Vergleich zur Medikation vor dem Krankenhausaufenthalt darzustellen und zu erläutern. Diese Informationen braucht der weiterbehandelnde Arzt, um über die zukünftige Medikation zu entscheiden.
Tipp: Fragen Sie bei Ihrer Entlassung nach den Medikamenten. Welche sind neu? Welche wurden abgesetzt? Bei welchen ist Dosierung oder Wirkstoffstärke verändert? Öffnen Sie ruhig den Arztbrief. Sie haben das Recht, ihn einzusehen. Machen Sie am besten auch für sich eine Kopie davon.
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Meiner Frau wollten die aus der städtischen Klinik in Dortmund Metapropol osä. (Betablocker) unterjubeln, nur weil einmal ein wenig bei einer Stehendmessung (also sehr verfälscht), ein Wert erhöht war. Hätte sie das mir beim Telefonat nicht erwähnt und ich nicht informiert, wer weiss was passiert wäre. 28.07.2023/18:30 Zur Info sie hatte eine LAA am Herzen