
Ob Streit im Privaten, in der Firma oder mit Ämtern – Mediation bringt oft mehr als ein Prozess. Ein neues Gesetz gibt dem Verfahren Auftrieb.
Arndt Buche* und seine Exfrau haben sich geeinigt. „Eine Woche ist Laura bei mir und die andere Woche bei meiner Exfrau“, sagt der 37-Jährige. „Seit fünf Jahren machen wir das so und es funktioniert.“
Der Weg zu dieser Vereinbarung war nicht leicht, aber einen Streit um die Tochter vor Gericht – das wollten die Eltern auf jeden Fall vermeiden. Sie haben ihre Lösung nach der Trennung mithilfe eines Mediators gefunden.
Die Idee zu diesem Schritt kam vom Jugendamt. Buches Exfrau hatte dort Hilfe gesucht. Die Mitarbeiter organisierten schnell einen ersten kostenlosen Termin. Zwei Mediatoren – ein Mann und eine Frau – führten die Gespräche.
„Laura stand kurz vor der Einschulung“, erinnert sich Arndt Buche. „Wir haben heftig gestritten, auf welche Schule sie gehen soll und natürlich darum, bei wem Laura wie lange sein darf.“
Nach zwölf Terminen lag eine Elternvereinbarung auf dem Tisch. Sie regelt das Umgangsrecht, legt fest, wer für Klamottenkäufe und Arzttermine zuständig ist, und viele weitere Details. Rund 600 Euro mussten die Eltern für die Mediatoren bezahlen. „Gut investiertes Geld“, findet Buche.
90 bis 400 Euro pro Stunde
Ein Mediator hilft Streitenden als neutraler Dritter, einen Konflikt auszuräumen und verbindliche Absprachen für die Zukunft zu treffen. Er macht keine Lösungsvorschläge, sondern moderiert das Gespräch. Die Streitenden entwickeln ihre Lösung selbst.
Mediatoren helfen mittlerweile bei Streit in allen Rechtsbereichen. Sie schlichten nicht mehr nur Zwist in Familien und unter Nachbarn. Sie vermitteln bei Konflikten mit dem Arbeitgeber, mit Banken oder Behörden genauso wie bei Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaftern eines Unternehmens. Sogar bei Streit mit dem Finanzamt können sie helfen, Lösungen zu finden.
Eine Stunde kostet etwa zwischen 90 und 400 Euro – je nach Konflikt, Region und beruflicher Vorbildung des Mediators.
Das neue Gesetz fördert Mediation
Mediation gibt es in Deutschland schon seit gut 20 Jahren, doch erst am 26. Juli 2012 ist das Mediationsgesetz in Kraft getreten. Mehr als drei Jahre hat es gedauert, bis der Bundestag das Gesetz beschloss.
„Durch das langwierige Gesetzgebungsverfahren und die damit verbundene Berichterstattung hat sich der Bekanntheitsgrad der Mediation deutlich verbessert“, sagt Sosan Azad vom Bundesverband Mediation. „Bei uns sind die Anfragen in den letzten drei Jahren – sowohl bei der Suche nach einem Mediator als auch für die Mediatorenausbildung – um mindestens 70 Prozent gestiegen.“
Auch Michael Plassmann, Rechtsanwalt und Mediator, beobachtet in den vergangenen Jahren ein steigendes Interesse. Plassmann kümmert sich hauptsächlich um Wirtschaftsstreitigkeiten. Er hilft beispielsweise bei Streit um die Nachfolge im Familienunternehmen, bei Erbschafts- oder bei Gesellschafterkonflikten – zudem ist er im Bereich Kreditmediation tätig. Als gelernter Bankkaufmann unterstützt er Unternehmer dabei, Kreditkündigungen rückgängig zu machen, oder vermittelt im Fondsgeschäft zwischen Banken und Anlegern.
Plassmann schlägt immer vor, dass jede Konfliktpartei zur Mediation noch einen eigenen Anwalt mitbringt. „Ich bin gelernter Jurist. Wenn innerhalb eines Gesprächs klar ist, dass der eine bevorteilt oder benachteiligt wird, fällt es mir leichter, meine Neutralität zu wahren, wenn die Konfliktpartner einen eigenen Anwalt dabei haben, der sie berät und auf rechtliche Finessen hinweist.“
Ein neutraler Vermittler ist für das Gelingen einer Mediation das A und O. Das bestätigt Sosan Azad, die seit mehr als elf Jahren als selbstständige Mediatorin arbeitet. „Wir arbeiten immer im Team. Ein Jurist und ein Pädagoge – im besten Fall ein Mann und eine Frau. So fühlen sich die Konfliktparteien gut vertreten.“
Das neue Gesetz regelt, dass Mediation nur außerhalb eines Gerichts stattfinden kann – Schlichter in Verfahren vor Gericht heißen deshalb jetzt „Güterichter“.
Alle Beteiligten einer Mediation sind jetzt gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Mediatoren können deshalb vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, wenn es doch noch zu einem Gerichtsprozess kommt und sie als Zeuge geladen werden.
Der zertifizierte Mediator
Die Ausbildung zum Mediator regelt das neue Gesetz noch nicht, doch in der Beschlussempfehlung ist aufgelistet, was ein Mediator vorweisen muss, um sich als „zertifiziert“ bezeichnen zu dürfen.
Dazu gehören: 120 Unterrichtsstunden, Kenntnisse über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Mediation, über Verhandlungs- und Kommunikationstechniken, Gesprächsführung und Konfliktkompetenz.
Auch praktische Übungen, Rollenspiele und Supervision sind wichtig. In der Supervision tauschen sich Mediatoren aus, überprüfen und verbessern das, was sie gelernt haben.
Viele Mediatoren erfüllen die Vorgaben schon, weil Berufsverbände wie der Bundesverband Mediation und die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation (BAFM) schon vor Jahren solche Kriterien für die Ausbildung festgelegt haben. Die BAFM zertifiziert auch Ausbildungsinstitute, die sich verpflichten, nach ihren Standards auszubilden.
Der günstige Weg
„Wenn es um viel Geld geht, ist eine Mediation besonders attraktiv“, sagt Plassmann. „Bei einem Prozess richten sich die Kosten unter anderem nach dem Streitwert des Verfahrens. Geht es bei einem Erbfall um ein Vermögen von rund 25 000 Euro, würde eine Klärung bei Gericht in erster Instanz mindestens 5 000 Euro kosten.“
Für eine Mediation über fünf Termine fallen die Kosten deutlich geringer aus. Selbst bei einem hohen Stundensatz von 400 Euro müsste jede Partei nur 1 000 Euro zahlen – meistens teilen sich die Streitenden die Kosten für die Mediation.
Bei Gericht vergehen zudem oft Monate, bis es zu einem Termin kommt – ein erster Mediationstermin ist hingegen innerhalb weniger Wochen vereinbart.
Rechtsschutzversicherer bezahlen
Auch die Rechtsschutzversicherer haben begriffen, dass eine Mediation eine günstige Alternative zu einem Gerichtsverfahren sein kann und übernehmen die Kosten bis zu vorgegebenen Grenzen.
„Mittlerweile haben alle bedeutenden Marktteilnehmer Mediation in ihre Verträge aufgenommen“, sagt Gerhard Horrion, Vorsitzender der Kommission Rechtsschutz beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. „Einige Unternehmen weiten ihren Leistungsbereich für Mediationsverfahren auch aus und leisten zum Beispiel bei Familienstreitigkeiten oder Erbrechtsstreit.“
Fast alle Versicherer legen in ihren Bedingungen fest, dass sie den Mediator bestimmen. Sie arbeiten meist mit Mediatoren zusammen, die gelernte Rechtsanwälte sind. Nur selten können die Rechtsschutzversicherten den Mediator frei wählen.
Manchmal wird den Versicherten zusätzlich ein beratender Anwalt für die Mediation gewährt, sofern die Kostenobergrenzen nicht überschritten werden.
Scheitert eine Mediation, ist der Weg vor Gericht nach wie vor offen. Fast alle Versicherer übernehmen die Kosten für den folgenden Rechtsstreit, sofern für diesen nach den Bedingungen Versicherungsschutz besteht.
Die Abschlussvereinbarung
Eine erfolgreiche Mediation endet mit einer abschließenden Vereinbarung. Eine Formvorschrift gibt es dafür nicht. Die Streitenden tun aber gut daran, die Vereinbarung vor der Unterschrift von einem Anwalt prüfen zu lassen – wenn bei der Mediation kein eigener Anwalt dabei war. Hält sich – wider Erwarten – eine der Parteien nicht an die Abmachung, kann die andere Klage erheben und die Vereinbarung durchsetzen lassen.
Geht es um konkrete Geldforderungen oder streiten die Parteien um Wert- oder Vermögensgegenstände, können sie ihre Vereinbarung auch durch einen Notar beglaubigen lassen oder als Anwaltsvergleich beschließen.
Damit ist die Mediationsvereinbarung einem gerichtlichen Urteil gleichzusetzen. Hält sich eine Partei nicht an ihren Teil, kann die andere gleich den Gerichtsvollzieher losschicken. „Ich spreche die Option der Zwangsvollstreckung in geeigneten Fällen offen an“, sagt Michael Plassmann. „Meistens wird darauf verzichtet, da durch die Mediation neues Vertrauen aufgebaut wurde.“
*Name von der Redaktion geändert.
-
- Bei Ärger mit einem Unternehmen ist eine Schlichtungsstelle erste Wahl. Bei Konflikten zwischen Nachbarn oder in der Familie eignet sich eine Schlichtung oder Mediation.
-
- Der Versicherer Roland bewirbt seinen „LawGuide“ (99 Euro jährlich) als preiswertere Alternative zur klassischen Rechtsschutzversicherung. Zielgruppe: junge Leute....
-
- Das Internetportal Mieterengel.de vermittelt Anwälte zur Rechtsberatung und bietet Rechtsschutz. Die Stiftung Warentest hat das Angebot unter die Lupe genommen.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.