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Seit knapp einem Jahr fördert das Mediationsgesetz die außergerichtliche Konfliktlösung. Doch welche Qualifizierung Mediatoren brauchen, ist bislang nicht klar geregelt. Die Stiftung Warentest hat Anforderungen formuliert und 145 Ausbildungen daran gemessen. Der Vergleich zeigt: Werbung und Wirklichkeit klaffen mitunter auseinander.
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Alle Testergebnisse für Marktübersicht MediationsausbildungJeder kommt zu seinem Recht
Mediation bedeutet, zwischen Streithähnen zu vermitteln. Der Mediator tritt dabei als unabhängiger Dritter auf, der die Verhandlungen zwischen den Parteien anleitet. Eigene Lösungen bietet er nicht an. Die Zerstrittenen sollen selbst einen Weg aus dem Zwist finden. Und zwar einen, bei dem jeder als Gewinner und keiner als Verlierer aus dem Konflikt geht.
Mediation ist oft schneller und kostengünstiger als der Gang zum Anwalt. Die Methode etabliert sich daher als Form der außergerichtlichen Konfliktlösung mehr und mehr – sowohl auf Seiten derer, die einen Vermittler einschalten, als auch bei denen, die als Mediator tätig werden wollen.
Unübersichtlicher Markt
Bislang gelten allerdings keine einheitlichen Standards für die Qualifizierung zum Mediator. Jeder Anbieter entscheidet frei, wie er sein Ausbildungsangebot gestaltet.
Entsprechend unübersichtlich ist der Markt: Nicht nur die Veranstalter sind verschieden – es gibt Hochschulen, Volkshochschulen, Kammern, gemeinnützige Einrichtungen und private Anbieter –, auch die Zulassungsvoraussetzungen, die Art der Abschlüsse, die Inhalte, die Dauer, der Preis und die Schwerpunktsetzung unterscheiden sich.
Die Stiftung Warentest hat eine Übersicht erstellt, die angehenden Mediatoren die Orientierung erleichtert. Dazu haben die Weiterbildungsexperten eine Befragung unter rund 300 Anbietern gestartet. 145 lieferten verwertbare Angaben.
Von 450 bis 9 500 Euro
Das Spektrum der Ausbildungsangebote reicht vom vierwöchigen Grundseminar bis zum mehrjährigen Hochschulstudium – mit Gebühren von 450 bis 9 500 Euro. Auch der zeitliche Umfang schwankt extrem zwischen 80 und 3 600 Unterrichtsstunden. Die Art der Abschlüsse variiert ebenfalls stark. So erhalten die Absolventen am Ende ihrer Ausbildung bei manchen Anbietern lediglich eine Teilnahmebestätigung, andere Angebote führen sogar zu einem Hochschulabschluss – bei den Angeboten in der Marktübersicht ist das insgesamt zwei Mal der Fall.
Mit und ohne Schwerpunkt
Die meisten Mediationsausbildungen haben einen bestimmten Schwerpunkt. Knapp ein Drittel konzentriert sich zum Beispiel auf die Wirtschaft. Dazu zählen Konflikte unter Kollegen am Arbeitsplatz ebenso wie Unstimmigkeiten zwischen Unternehmen. Etwa 29 Prozent der Anbieter kombinieren den Schwerpunkt Wirtschaft mit dem Fokus auf Familie. Dabei geht es um zwischenmenschliche Konflikte wie Trennung, Scheidung und Erbstreitigkeiten. Ausschließlich mit familiären Streitereien befassen sich sechs Prozent der Lehrgänge. Auf soziokulturelle Konflikte, beispielsweise in der Schule, konzentrieren sich acht Prozent der Lernangebote.
Anerkennung durch Verband **)
Gefragt haben die Weiterbildungsexperten der Stiftung Warentest die Anbieter auch nach dem Mediationsverband, nach dessen Standards sich die Ausbildungen richten. Das ist wichtig, weil es für Mediatoren eine vergleichsweise große Anzahl verschiedener Organisationen gibt. Jede von ihnen hat eigene Aufnahmevoraussetzungen. Wer als Ausbildungsabsolvent später Mitglied in einem Verband werden möchte, sollte das bei der Wahl seiner Ausbildung bedenken. Andernfalls sind unter Umständen „Nachschulungen“ erforderlich. Das kostet erneut Zeit und Geld.
Aber Achtung: Die Befragung zeigt, das manche Anbieter bei den Angaben zur Anerkennung durch die Verbände gern ein bisschen schummeln. Zwar „werben“ viele Veranstalter damit, dass sich ihre Qualifizierung nach den Regeln einer bestimmten Organisation richtet. Bei genauerem Hinsehen stellt sich bei einigen Seminaren jedoch heraus, dass die Aufnahmekriterien doch nicht wie versprochen erfüllt werden. Die Verbände selbst prüfen die Anbieterangaben in dieser Hinsicht offenbar nicht.
Werbung und Wirklichkeit **)
Wie Werbung und Wirklichkeit auseinanderklaffen zeigt das Beispiel des Bundesverbands Mediation (BM) und derjenigen Anbieter, die angeblich nach dessen Standards schulen. Der BM fordert für die Anerkennung einen Ausbildungsumfang von mindestens 200 Stunden. Das allerdings erfüllen 26 von 90 Ausbildungen nicht.
Häufig würde die Aufnahme in den Bundesverband Mediation allein mit der Ausbildung auch daran scheitern, dass die zukünftigen Mediatoren während der Qualifizierung zu wenige Fälle bearbeiten und dokumentieren: Lediglich in elf Seminarangeboten kommen die Teilnehmer auf die vom Verband geforderten vier Nachweise. Vielfach hakt es auch bei der Supervision – der Begleitung durch einen fachkundigen Dritten. 44 Anbieter sehen in ihren Qualifizierungen weniger als die für den BM erforderlichen 30 Stunden vor.
Den Titel gibt es noch nicht
Was die Befragung ebenfalls offenbart: Einige Anbieter werben bereits mit dem Titel „zertifizierter Mediator“, beispielsweise das DGB Bildungswerk und das Heidelberger Institut für Mediation. Doch so darf sich zurzeit noch niemand nennen. Wer diesen Titel in Zukunft tragen will, muss laut Mediationsgesetz seine Ausbildung nach bestimmten Standards absolvieren.
Doch die Ausbildungsrichtlinien hat der Gesetzgeber bis dato nicht näher bestimmt. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat lediglich eine Empfehlung formuliert. Wann der Beschluss zu erwarten ist, stand bei Redaktionsschluss nicht fest. Das heißt: Eine Sicherheit, dass die zum jetzigen Zeitpunkt angebotenen Qualifizierungen der Ausbildungsordnung entsprechen werden, gibt es derzeit nicht.
Anforderungsprofil hilft bei Suche
Um Interessenten eine Orientierung bei der Wahl ihrer Qualifizierung zum Mediator zu geben, hat die Stiftung Warentest ein Anforderungsprofil entwickelt. Es definiert, was eine Qualifizierung zum Mediator beinhalten sollte und berücksichtigt dabei unter anderem auch die Empfehlung des Bundestages für die vorgesehene Ausbildungsordnung.
Die Stiftung Warentest fordert beispielsweise, dass die Ausbildung sowohl mediationsbezogenes Fachwissen als auch persönliche Kompetenzen vermitteln soll. So sollten etwa 55 Prozent der Seminarzeit für die Vermittlung von theoretischem Know-how verwendet werden und 45 Prozent der Zeit dem Training von Soft Skills gewidmet sein. Das ist keineswegs immer der Fall: Wie die Übersicht zeigt, liegt der Schwerpunkt in vielen Fällen sehr stark auf der Vermittlung von Soft Skills, etwa bei den Anbietern Komescher.com und NVC Trainer Akademie. Andere Ausbildungen wiederum legen den Fokus auf das Fachwissen. Beispiele sind das Heidelberger Institut für Mediation und IEMS – Institut für Europäische Mediation und Schiedsgerichtsbarkeit.
Nicht nur Theorie, auch Tat
In einer guten Ausbildung wird das Wissen nicht nur theoretisch erworben, sondern auch praktisch eingeübt. So können die Mediationsschüler in Rollenspielen gut trainieren, wie sie die eigentlichen Motive und Bedürfnisse der Konfliktpartner aufdecken können. Außerdem sollte während der Ausbildung mindestens ein eigener Mediationsfall bearbeitet und dokumentiert werden.
Auch hier offenbart die Übersicht Defizite bei einigen Angeboten: In manchen Ausbildungen sind gar keine „Teilnehmerfälle“ vorgesehen, etwa beim bundesweiten Anbieter Tenos Akademie oder bei der Architektenkammer Niedersachsen in Hannover. In anderen werden mindestens vier Fälle durchgeführt und dokumentiert. Das gilt zum Beispiel für die Akademie Vaihingen, das Berliner Institut für Mediation und das überregional agierende Wispo – Systemisches Zentrum.
Zeit für Aufsicht und Austausch
Mediation ist stets auch Selbsterfahrung und Selbstreflektion. Die Stiftung Warentest betrachtet daher die Supervision, also die Begleitung durch einen fachkundigen Dritten, sowie die Intervision – den Austausch der Auszubildenden untereinander – als unverzichtbar für die Qualifizierung.
Fachwissen und persönliche Kompetenzen zu erwerben, Fallbeispiele und Supervision durchzuführen – all das braucht Zeit. Die Empfehlung der Stiftung Warentest: Sinnvoll ist eine Ausbildung mit einem Umfang von mindestens 200 Stunden. Damit Zeit zur Reflektion bleibt, sollte sich der Unterricht über mindestens 20 Wochen verteilen.
Alle 145 Anbieter im ausführlichen Überblick *)
Alle 145 in der Übersicht aufgeführten Ausbildungen zum Mediator haben die Weiterbildungsexperten daraufhin überprüft, ob sie den Kriterienkatalog hinsichtlich der Lerninhalte erfüllen. Bei rund 50 Angeboten ist das der Fall.
Die Fakten und die Kommentare der Stiftung Warentest zu allen Angeboten sind – gegliedert nach den Schwerpunkten in den Ausbildungen – in der interaktiven Datenbank abrufbar. Sie können nach individuellen Gesichtspunkten ausgewählt und miteinander verglichen werden. Wer alle Qualifizierungen zu einem bestimmten Schwerpunkt auf einen Blick angezeigt bekommen möchte, kann auch eine vorsortierte Auswahl anklicken.
Die Tabellen zeigen nicht nur Preis und Ort, Dauer und Umfang der einzelnen Ausbildungen. Jedes Produktprofil gibt außerdem Aufschluss darüber, ob und welche Schwerpunkte die Qualifizierung hat, welchen Abschluss er erwirbt und nicht zuletzt, ob das Ausbildungsangebot den Kriterienkatalog bezüglich der Lerninhalte erfüllt oder nicht.
Keine Aussagen über Kursqualität
Aber Achtung: Aussagen über die Qualität der Kursdurchführung, also etwa die konkrete Unterrichtsgestaltung vor Ort, enthalten die Tabellen nicht. Alle Aussagen beruhen auf Angaben der Anbieter.
*) Passage korrigiert am 7.3.2014
**) Bitte beachten Sie das Update vom 7.3.2014, Behauptung 3
Hinweis: Die Angaben einzelner Anbieter, die Grundlage der Marktübersicht sind, haben sich nach der Veröffentlichung als missverständlich erwiesen. Aufgrund nachgereichter Informationen wurden jetzt Veränderungen an der Tabelle im Internet vorgenommen. Die ursprünglich im PDF aufgeführte Übersicht ist aus technischen Gründen aus dem Dokument entfernt worden. Die darin enthaltenen Informationen finden Sie aber weiterhin online in der Internet-Tabelle.
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