Werbung wird immer aggressiver. Selbst zu Hause ist niemand vor lästigen Anrufen sicher. Auch große, seriöse Unternehmen arbeiten mit faulen Tricks.
Ans Telefon zu gehen, ist manchmal nur noch nervig. „Sie wurden ausgesucht für eine kurze Verbraucherumfrage, es dauert nur fünf Minuten“, säuselt eine unbekannte Stimme.
Oh nein, nicht schon wieder. Natürlich ist die „Umfrage“ nur ein Verkäufertrick: „Sie finden also auch, dass Ihre Telefonkosten zu hoch sind? Wir haben da einen supergünstigen neuen Tarif für Sie ...“ Wer sich den Rest nicht mehr antut und einfach auflegt, wird ein paar Tage später doch noch richtig sauer. Da liegt ein Schreiben im Briefkasten: „Vielen Dank für Ihren Auftrag aus unserem Telefonat.“ Ohne es zu wollen, bekommt man einen neuen Telefontarif aufgedrückt oder ein Zeitschriftenabonnement.
Natürlich sind solche Verkaufstricks illegal. Doch das kümmert immer weniger Unternehmen. Die Methoden beim Kampf um den Kunden werden immer härter. Verstöße gegen Recht und Gesetz nehmen massiv zu. Kaum ein Verbraucher, der nicht schon ärgerlich den Hörer aufknallte, weil er gerade gemütlich vorm Fernsehkrimi saß und nun am Telefon Schweinebäuche kaufen soll. Kaum ein Faxbesitzer, der nicht schon mitten in der Nacht seitenweise Werbung aus dem ratternden Gerät zog. Und spätestens wenn der Vertreter klingelt, wird klar: Der Feierabend zu Hause ist nicht mehr sicher.
„Kalte“ Anrufe
Bisher waren es vor allem halbseidene Gaunerfirmen, die sich keinen Deut um die Rechtslage kümmerten. Mit Börsentermingeschäften oder hanebüchenen Steuersparmodellen ziehen sie Verbrauchern das Geld aus der Tasche. Beispiele für gängige Maschen:
- „Sie haben Geld in einem Preisausschreiben gewonnen.“ Den Gewinn gibt es aber nur bei gleichzeitiger Bestellung eines Zeitschriftenabos. Oder bei Anruf einer teuren 0 900-Nummer.
- „Sie haben eine Reise gewonnen.“ Die ist dann zwar tatsächlich kostenlos, aber mit Zuschlägen für Einzelzimmer, Halbpension und anderes wird sie teurer als ein regulär gebuchter Urlaub.
- „Wir optimieren kostenlos Ihre privaten Finanzen.“ So soll der Angerufene Steuern sparen. Doch in Wahrheit geht es um den Verkauf von Sparplänen, Versicherungen oder überteuerten Immobilien.
„Der reinste Horror“
Richtig schlimm ist, dass zunehmend auch große, bekannte Unternehmen keine Skrupel haben, beim Marketing jenseits der Legalität zu liegen. Da werden Callcenter und gewiefte Haustürverkäufer beauftragt, so genannte Drücker. Diese Profiverkäufer arbeiten meist auf Provisionsbasis: Nur wer Verträge abschließt, verdient etwas.
Die Drücker machen sich den guten Namen des Unternehmens zunutze. Denn viele Verbraucher glauben, bei „seriösen Firmen“ seien sie sicher davor, über den Tisch gezogen zu werden. Umso größer ist der Ärger, wenn genau das passiert. Immer wieder erreichen uns Briefe von erbosten Lesern: „Es ist der reinste Horror, was einem da nahezu täglich als angeblicher Service untergeschoben werden soll. Gibt es denn keinen Weg, solche Geschäftsmethoden zu stoppen?“
Da wird auch dreist gelogen. „Verbraucher berichten, dass einige Werber des Bezahlfernsehens Premiere behaupten, wer kein Kabel hat, könne ohne ein Premiere-Abo gar nicht mehr fernsehen“, berichtet die Verbraucherzentrale Brandenburg.
Allein die Verbraucherzentrale Hamburg hat über 100 Firmen wegen illegaler Telefonwerbung abgemahnt, darunter AWD, Tele Service Plus, T-Online. Der Heinrich Bauer Verlag handelte sich gar ein gerichtliches Verbot ein (Landgericht Hamburg, Az. 312 O 668/03), ebenso der Axel-Springer-Verlag (Landgericht Berlin, Az. 15 O 101/04).
Vor allem im Telefonsektor herrschen raue Sitten. In den Verbraucherzentralen hagelt es Beschwerden über Anrufe, mit denen die Telekom – Hauptaktionär ist immerhin der Bund – Kunden abends zu Hause belästigt. Meist soll ihnen ein Tarifwechsel aufgeschwatzt werden.
Das Verbot von privaten Werbeanrufen wollte der „Rosa Riese“ elegant umschiffen: Es bestehe ja bereits ein Geschäftskontakt zum Kunden. Doch dieses Argument ließ das Oberlandesgericht Köln nicht gelten. Solche Anrufe seien eine unzumutbare Belästigung (Az. 6 U 155/04).
Schwere Verletzung der Privatsphäre
Das sieht auch der Bundesgerichtshof (BGH) so. Die so genannten kalten Anrufe stellen eine besonders schwerwiegende Verletzung der verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre dar, meinten die Richter. Zumal das Opfer den Anruf meist nur beenden kann, indem es die Regeln der Höflichkeit verletzt (Az. XI ZR 76/98).
Noch deutlicher geht es kaum. Doch manche Firmen interessiert das gar nicht. So wurde Dorothee L. beim Abendessen von der Deutschen Bank gestört: „Für Sie als treue Kundin haben wir ein Dankeschön.“ Die Berlinerin beschwerte sich über den Anruf. Dennoch lag wenige Tage später eine Eurocard-Gold im Briefkasten – 66 Euro teuer, nur im ersten Jahr gratis, wie sie auf telefonische Nachfrage erfuhr.
Kunde als Freiwild
Als sei der Kunde Freiwild, stellen ihm manche Firmen Fallen: „Ich erkläre mich einverstanden, dass die Bank oder eine von ihr beauftragte Stelle mich telefonisch für Beratungszwecke anspricht“, schrieb die Commerzbank ins Formular für die Kontoeröffnung. „Grober Missbrauch“ – so nannte der BGH das und kippte die smarte Klausel. Und das, obwohl der Kunde sie gesondert unterschreiben sollte. Würden solche Klauseln erlaubt, wäre ein unkontrollierbares Eindringen professioneller Werber in die Privatsphäre möglich, meinten die Richter: „Diese Form der Werbung würde in kurzer Zeit um sich greifen“ (Az. XI ZR 76/98).
Nichts bestellt
Doch das hat sie längst getan. Trotz des höchstrichterlichen Urteils gab es in den vergangenen Jahren eine fast beispiellose Verrohung der Sitten. Sogar Kunden, die Stein und Bein schwören, nichts bestellt zu haben, wird eine „Auftragsbestätigung“ ins Haus geschickt.
Fassungslos berichten zahlreiche Verbraucher von Anrufen der Telekom, die einen Tarifwechsel anbot. Als die Kunden dies unmissverständlich ablehnten, habe der Werber gedrängt, wenigstens Infomaterial zuschicken zu dürfen, „völlig unverbindlich“. Statt Prospekten lag dann aber eine Vertragsänderung im Briefkasten.
Tausende überrumpelt
Das nahm so massive Formen an, dass die Verbraucherzentrale Brandenburg zur Gegenwehr aufrief. „Wir vermuten, dass womöglich Tausende überrumpelt wurden“, berichtet VZ-Jurist Norbert Richter.
Erst als die Verbraucherzentrale Brandenburg die von ihr gesammelten Fälle der Telekom vorlegte, wurden die Beträge zurückgebucht. Doch auch danach gingen die Beschwerden über untergeschobene Verträge weiter.
Nun hat der Verbraucherzentrale Bundesverband die Telekom wegen ihrer Marketingmethoden verklagt: „Nach unserem Eindruck hat sie die Kontrolle über ihre Vertriebsmitarbeiter und Callcenter verloren“, meint Patrick von Braunmühl, Fachbereichsleiter im vzbv.
Die Telekom hingegen sieht darin nur Einzelfälle. „Die Zusammenarbeit mit Callcentern läuft reibungslos“, erklärt Pressesprecher Rüdiger Gräve.
Stimme vom Band
Besonders ärgerlich sind Anrufe, bei denen sich nach dem Abheben des Hörers eine Automatenstimme meldet. Mancher private Anrufbeantworter wird damit geradezu zugemüllt. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat 30 dieser Fälle verfolgt. Nur zweimal konnte sie Klage einreichen: gegen Teli Media Solutions und Legion.
Die anderen Abzocker hatten Postfachadressen in Ungarn, British Virgin Islands, Barbados, Schweden oder Großbritannien. Sie dort zu verklagen, ist so gut wie aussichtslos – zumal einige Betreiber mittlerweile nicht einmal unter der genannten Adresse erreichbar waren.
„Damit herrscht fast ein rechtloser Zustand“, meint Edda Castello, Juristin bei der Verbraucherzentrale Hamburg.
Rücksichtslos an der Haustür
Auch Beschwerden über Vertreter haben zugenommen. Vor allem Arcor fiel durch aggressive Haustürwerbung auf. Die Methoden werden als aufdringlich, mitunter gar als Nötigung beschrieben. Einige Betroffene berichten, die Drücker hätten den Eindruck erweckt, sie kämen von der Telekom. Im Gespräch sei es vor allem darum gegangen, „billiger zu telefonieren“. Vom Wechsel der Telefongesellschaft, den sie nichts ahnend unterschrieben, sei nie die Rede gewesen. Fälle, die der Verbraucherzentrale Hamburg vorliegen:
- Eine 83-Jährige berichtet, der Werber habe sie auf der Straße angesprochen, er sei Familienvater und müsse 20 Leute bringen, denen er Reklame schicken darf. Sie habe darauf hingewiesen, dass sie sehbehindert sei und nicht lesen könne, was sie unterschreibt. Es war dann keine Reklame, sondern ein Zweijahresvertrag.
- Der Werber wollte eine Unterschrift erschleichen mit der Auskunft, er brauche sie, damit Arcor auch sieht, dass er wirklich auf Kundenbesuch gewesen sei.
Den Unternehmen sind solche Missstände bekannt. Doch der Druck, neue Kunden zu gewinnen, ist so groß, dass sie auf Drücker nicht verzichten wollen. Stattdessen versucht Arcor, Manipulationen vorzubeugen, indem der Kunde eine Bestätigung unterschreibt, in der steht, dass Arcor nicht die Telekom ist. Und die Telekom ruft Kunden zurück, wenn der Auftrag über ein Callcenter kam.
Automatische Umstellung
Zunehmend beliebt ist auch die Masche, bestehende Verträge automatisch zu erweitern. So verschickte der Telefonanbieter debitel eine Postkarte: Es gebe ein neues Servicepaket für einen geringen Aufpreis. Der Anschluss werde automatisch umgestellt, wenn der Kunde nicht widerspreche. Das erfuhren viele aber gar nicht, denn die Postkarte sah aus wie ein Werbeprospekt – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wer sie ungelesen in den Papierkorb warf, wurde umgebucht.
Dabei sind Erweiterungen bestehender Verträge meist nicht so einfach möglich. Der andere Vertragspartner muss zustimmen. Schweigen reicht dafür nicht. Nachdem die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg das Vorgehen öffentlich angeprangert hatte, versprach debitel eine Erstattung. Betroffene sollten prüfen, ob sie ihr Geld nun auch zurückerhalten. Von T-Online bekamen Kunden eine E-Mail, wo unter dem unauffälligen Betreff „Informationen zu Ihrem Tarif“ neue Zusatzangebote standen. Erst am Ende hieß es, dass die Vertragslaufzeit auf neun Monate umgestellt wird und sich danach automatisch um weitere zwölf Monate verlängert. „Hier versucht T-Online die Kunden in einem langfristigen Vertrag zu binden“, meint Brigitte Sievering-Wichers von der VZ Baden-Württemberg.
Auch über das Bezahlfernsehen Premiere beschweren sich Verbraucher, die nach drei Monaten kostenlosem Probeabo ungewollt in einem Jahresvertrag landeten. Immerhin weist der Sender im Kleingedruckten darauf hin, dass das Probeabo kostenpflichtig wird.
Blutige Briefe
Immer wieder fallen die Nordwestdeutsche und die Süddeutsche Klassenlotterie auf. So verschickte ein Werber der Süddeutschen Klassenlotterie amtsblau gehaltene Briefe mit der Aufschrift „Ihr Rentenbescheid“ und „Bitte sorgfältig prüfen“. Außerdem prangte ein Stempel auf dem Umschlag: „Wichtige Renteninformation“. Enthalten war aber nur Werbung für Lose. Nach Hinweisen einer Polizeidirektion konnte die Bad Homburger Wettbewerbszentrale dies stoppen.
Eine Aktion, die schon fast hausbacken wirkt gegen die knallharte Sony-Werbung vom letzten Jahr: Verbraucher bekamen einen bräunlichen Brief mit Stempel „US Army Postal Service“. Drinnen ein blutgetränkter Stofffetzen mit der Aufschrift: „Wir stecken in der Scheisse – hol uns hier raus.“ Auf dem Umschlag kein Hinweis auf den Absender. Viele Empfänger glaubten deshalb an den fehlgeleiteten Hilferuf eines im Irak stationierten Soldaten. „Tatsächlich sollte aber nur Werbung für ein Computerspiel gemacht werden“, berichtet Hans-Frieder Schönheit, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Wettbewerbszentrale.
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