Seit einigen Tagen dürfen zahlreiche bekannte Mittel gegen Erbrechen und Übelkeit nicht mehr verkauft werden. Betroffen sind alle bislang in Deutschland erhältlichen Tropfen mit dem Wirkstoff Metoclopramid (MCP). Die Maßnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll Patienten vor ernsten Nebenwirkungen schützen. test.de informiert über die Hintergründe und nennt Alternativen für Betroffene.
Beliebt bei Übelkeit und Magendrücken
Bei Übelkeit und Erbrechen wird in Deutschland kein Wirkstoff so häufig verordnet wie Metoclopramid. Teils bekommen Patienten es auch gegen Druck-, Schmerz- und Völlegefühl im Magen. Der Wirkstoff hemmt das Brechzentrum im Gehirn und setzt Nervenbotenstoffe frei, die Magenbewegungen anregen. 2012 bekamen deutsche Patienten laut Arzneiverordnungs-Report knapp 55 Millionen Tagesdosen des rezeptpflichtigen Mittels verschrieben.
Nebenwirkungen wie Krämpfe möglich
Allerdings kann Metoclopramid schwere Nebenwirkungen verursachen, vor allem sogenannte extrapyramidale Symptome. Dabei handelt es sich um Bewegungsstörungen, etwa Muskelkrämpfe oder unwillkürliches Zucken an Hals und Nacken oder im Gesicht. Diese Nebenwirkungen erinnern an die Parkinsonkrankheit und entstehen durch Effekte des Medikaments im Gehirn. Das Risiko steigt mit der Dosis und Dauer der Anwendung und liegt bei Kindern insgesamt deutlich höher als bei Erwachsenen, schreibt die europäische Arzneimittelbehörde EMA. Sie veröffentlichte 2013 eine Neubewertung von Metoclopramid und legte zum Schutz der Patienten strenge Obergrenzen für den Einsatz fest.
Tropfen wurden vom Markt genommen
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat die europäische Vorgabe nun für Deutschland umgesetzt und in einem Bescheid die Zulassung für verschiedene Mittel mit Metoclopramid widerrufen. Betroffen sind Flüssigkeiten zum Schlucken mit einer Konzentration von mehr als 1 mg/ml Metoclopramid – also sämtliche bisher in Deutschland erhältlichen Tropfen. Dazu zählen zum Beispiel Paspertin Tropfen, Gastronerton Lösung und die MCP-Tropfen von 1A Pharma, AL, CT, Ratiopharm und Stada. Diese Präparate dürfen von Ärzten seit einigen Tagen nicht mehr verordnet und in Apotheken nicht mehr abgegeben werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Hersteller niedriger dosierte Nachfolgerpräparate auf den Markt bringen. Entsprechende Pläne sind dem BfArM jedenfalls derzeit noch nicht bekannt, so ein Sprecher gegenüber test.de.
Kein Einsatz bei Verdauungsbeschwerden
Auch für Zäpfchen und Injektions- und Infusionslösungen mit Metoclopramid gilt nun eine jeweils eigene Wirkstoffobergrenze. Da deutsche Präparate diese nicht überschreiten, dürfen sie im Handel bleiben, genau wie Tabletten und Kapseln. Allerdings wird die Tageshöchstdosis für Erwachsene auf 30 mg Metoclopramid beschränkt. Zudem sollen die Mittel nicht mehr langfristig zum Einsatz kommen, sondern nur noch für höchstens fünf Tage. Damit scheiden sie zur Behandlung chronischer Erkrankungen wie Reizmagen oder Gastroparese (Magenlähmung) aus. Hier liegen laut Bewertung der EMA ohnehin keine ausreichenden Wirksamkeitsbelege vor. Typische Beschwerden dieser Erkrankungen: Appetitverlust, Völlegefühl, Schmerzen und Sodbrennen.
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Höchstens kurze Zeit anwenden
Erwachsene können Metoclopramid weiterhin kurzfristig gegen Übelkeit und Erbrechen verordnet bekommen, auch im Zusammenhang mit Migräne. Zudem bleibt der Wirkstoff zugelassen, um nach Operationen sowie bei Strahlentherapie dem Entstehen von Übelkeit und Erbrechen vorzubeugen. Auch wenn entsprechende Beschwerden verzögert nach einer Chemotherapie auftreten, darf Metoclopramid zum Einsatz kommen. Bei Kindern gelten noch strengere Einschränkungen. Sie sollen Metoclopramid höchstens noch im Zusammenhang mit Operationen oder Chemotherapien erhalten – und auch das nur dann, wenn andere Mittel nicht ausreichend wirken.
Sicherheitsbedenken auch bei verwandtem Wirkstoff
Patienten, die Metoclopramid als Tropfen oder in nicht mehr empfohlenen Einsatzgebieten einnehmen, sollten ihre zukünftige Behandlung mit dem Arzt besprechen. Ein verwandter Wirkstoff namens Domperidon hat ganz ähnliche Wirkungen – könnte aber aufgrund von Nebenwirkungen am Herzen ebenfalls bald in seiner Anwendung eingeschränkt werden. Eine kritische Neubewertung durch einen Unterausschuss der EMA liegt bereits vor.
Es gibt geeignete Alternativen
Es gibt weitere Mittel, die als Alternative zu Metoclopramid infrage kommen und laut Bewertung der Stiftung Warentest geeignet sind. So stehen gegen Übelkeit bei Krebspatienten zum Beispiel die rezeptpflichtigen Wirkstoffe Ondansetron oder Granisetron zur Verfügung. Bei sonstiger Übelkeit, Erbrechen sowie Reisekrankheit kommt das rezeptfreie Präparat Emesan mit dem Wirkstoff Diphenhydramin infrage – als niedrig dosierte Zäpfchen auch schon für Kinder ab acht Kilo Körpergewicht. Patienten mit Verdauungsstörungen und Reizmagen profitieren eventuell von Mitteln gegen Sodbrennen wie Ranitidin oder Omeprazol. Bei letzterem sind aber auch einige Vorsichtsmaßnahmen zu beachten. Alle Arzneimittelbewertungen finden Sie in der Medikamentendatenbank auf test.de – auch die aktualisierten Empfehlungen zu Metoclopramid.
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