Lügen bei Verträgen Lügen lohnt sich nicht

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Ob Arbeits-, Miet- oder Versicherungsvertrag ­ wer dabei lügt, zieht oft den Kürzeren.

Der Job war zu verlockend: Eine Softwarefirma suchte neue Mitarbeiter und stellte ein gutes Gehalt in Aussicht. Also bauschte Claudia Berger* im Vorstellungsgespräch ihre einschlägigen Erfahrungen auf. Statt zuzugeben, dass sie für die renommierte Konkurrenzfirma nur an Projekten mitgearbeitet hatte, machte sie sich im Nachhinein zur Teamleiterin. Sie bekam den Job.

Als ihre Arbeitsleistungen allerdings auch nach der Einarbeitungszeit noch zu wünschen übrig ließen, stellte der neue Arbeitgeber Nachforschungen an und deckte den Schwindel auf. Da Claudia Berger den Arbeitsplatz nur wegen der vorgetäuschten Qualifikation bekommen hatte, stellte ihr Chef sie vor die Wahl: entweder Kündigung oder Aufhebungsvertrag. Frau Berger stimmte dem Aufhebungsvertrag zu.

Gefährliches Schweigen

Lügen beim Abschluss von Verträgen sind immer Zeitbomben. Wer eine Versicherung oder einen Mietvertrag durch Schwindeleien erschleicht, kann erhebliche Probleme bekommen. Noch häufiger gibt es aber Streit um Lügen beim Bewerbungsgespräch wie im Fall von Claudia Berger.

So arbeitnehmerfreundlich die Arbeitsgerichte sonst sind, so streng urteilen sie hier: Die Arbeitgeber sollen das Recht haben, frei zu entscheiden, wen sie einstellen. Damit das klappt, müssen sie sich aber ein zutreffendes Bild vom Bewerber machen können. Aus diesem Grund verlangen die Gerichte von Jobsuchenden Ehrlichkeit.

Zwar wird niemand gezwungen, seine Defizite im Vorstellungsgespräch in den Vordergrund zu stellen. Doch wenn ein Bewerber weiß, dass er für den Job ungeeignet ist, muss er das von sich aus sagen. Das gilt für den künftigen Bäckerlehrling mit Mehlstauballergie. Das gilt aber genauso für die Bewerber, die demnächst zur Bundeswehr einberufen werden oder eine Strafe antreten müssen und deshalb die neue Arbeit nicht zum vereinbarten Termin antreten können.

Fragen richtig beantworten

Nach den meisten Punkten, die für ihn wichtig sind, muss der Chef aber selbst fragen. Seiner Neugier haben die Gerichte dabei allerdings Grenzen gesetzt. Der Arbeitgeber soll den Bewerber nur mit Blick auf den angebotenen Job auf Herz und Nieren prüfen können.

Verboten sind Fragen, die die Arbeit nicht betreffen und deshalb in die Intimsphäre des Arbeitsuchenden eingreifen. Tabu ist grundsätzlich die Frage nach der Schwangerschaft. Auch die bekannte Gretchenfrage nach der Religion hat im Vorstellungsgespräch nichts zu suchen ­ außer der Arbeitgeber ist selbst konfessionell gebunden. Schließlich kann einem evangelischen Kindergarten nicht zugemutet werden, eine streng katholische Kindergärtnerin einzustellen.

Erlaubte Lügen

Neben der Frage nach der Religion oder Parteizugehörigkeit gibt es noch viele Fragen, welche die Gerichte nicht zulassen. Wer damit im Bewerbungsgespräch in die Enge getrieben wird, muss seinen Traumjob aber nicht mit einem "Das geht Sie gar nichts an!" in den Wind schreiben. Da niemand gezwungen sein soll, sich durch Schweigen verdächtig zu machen, erlauben Deutschlands Arbeitsrichter den Betroffenen in solchen Fällen eine Notlüge.

Konsequenzen drohen

Fragen nach dem bisherigen beruflichen Werdegang sind allerdings erlaubt (Landesarbeitsgericht Hamm, Az: 18 Sa 2136/93). Claudia Berger hätte deshalb die Frage ihres Arbeitgebers richtig beantworten müssen. Weil sie gelogen hatte, hätte ihr Chef sie ohne weiteres sofort rauswerfen können. Er hätte dazu mehrere Wege beschreiten können. Arbeitgeber können den Arbeitsvertrag in solchen Fällen wegen arglistiger Täuschung anfechten. Dann gilt der Arbeitsvertrag ab diesem Zeitpunkt als nicht geschlossen. Alternativ können sie auch die Kündigung aussprechen ­ entweder fristlos oder unter Einhaltung von Fristen. Da dabei aber mehr Formalitäten einzuhalten sind, fechten die Arbeitgeber lieber an. Unabhängig von irgendwelchen Verfehlungen können die Chefs ihren Mitarbeitern auch zu jeder Zeit einen Aufhebungsvertrag anbieten, so wie im Fall von Claudia Berger.

Teures Schweigen

Verschweigen oder Schwindeln kann für den Bewerber sogar richtig teuer werden. Ein Beispiel: Die Stelle eines Schlossers wurde ausgeschrieben. Drei Bewerber kommen in die engere Auswahl, am Ende bleibt nur noch einer übrig. Der hat aber mit der Einstellung nicht wirklich gerechnet und nicht angegeben, dass seine Einberufung zum Zivildienst direkt bevorsteht. Hier kann der Arbeitgeber Ersatz für die Kosten einer neuen Ausschreibung verlangen, wenn er den Arbeitsplatz nicht mehr anderweitig besetzen kann.

Jahre später

Aufatmen können allerdings die Flunkerer, die vor langer Zeit einmal beim Einstellungsgespräch die Tatsachen verdreht haben, sich seitdem aber nichts mehr zuschulden kommen ließen. Wie das Bundesarbeitsgericht feststellte (Az: 2 AZR 184/69 und 7 AZR 507/86), hat die Täuschung in diesen Fällen inzwischen so an Bedeutung verloren, dass ein Rauswurf per Anfechtung nicht mehr in Betracht kommt. Auch eine fristlose Kündigung wegen der Lüge ist dann nur noch selten möglich.

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