
Long Covid, Post Covid. Betroffene sind in ihrer Leistungsfähigkeit oft stark eingeschränkt. © Getty Images / istetiana
Noch lange nach einer Covid-19-Infektion können eine Vielzahl an Symptomen auftreten. Wir zeigen, wie Betroffene Unterstützung erhalten können.
Es gibt keine sicheren Diagnosen, keine anerkannten Therapien, keine klaren Ursachen. Trotzdem ist die Krankheit da: Long Covid. Der Begriff steht für die Vielzahl an Beschwerden, die nach Covid-19-Erkrankungen auftreten können. Oft verschwinden sie, manchmal bleiben sie und belasten Berufs- und Alltagsleben. 2020 wurden erste Fälle bekannt, mittlerweile gibt es Hunderttausende. Einer aktuellen Studie zufolge leiden 25 Prozent der Erwachsenen Monate nach der Covid-19-Infektion unter Long-Covid-Symptomen.
Unser Rat
Test. Machen Sie nach einem Selbsttest auch einen PCR- Test, wenn Sie an Covid-19 erkranken. Post-Covid-Ambulanzen oder Sozialversicherungsträger können bei einer Long-Covid-Erkrankung Nachweise verlangen.
Information. Als Patientin oder Patient sind Sie teils auf sich allein gestellt. Informieren Sie sich über Symptome, schauen Sie selbst nach wirksamen Therapien und akzeptieren Sie Einschränkungen vorerst. Selbsthilfegruppen können Sie unterstützen.
Arbeitsplatz. Sprechen Sie am Arbeitsplatz offen über Ihre Einschränkungen. Vielleicht können Sie Ihre Stunden reduzieren oder den Aufgabenbereich wechseln.
Begrifflichkeit. Long Covid Beschwerden, die länger als vier Wochen nach dem Infekt bestehen, heißen Long Covid. Halten die Beschwerden länger als drei Monate an oder treten dann erst auf, heißt es Post Covid. Wir verwenden für beides den gängigeren Begriff Long Covid.
Eher Jüngere und Frauen betroffen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach versprach Mitte Oktober 2022 „anrollende Forschung“ und betonte, es handele sich um eine organische Erkrankung. Einige Forscher meinen dagegen, dass Long Covid eher psychisch vulnerable Menschen trifft. Klar ist: Long Covid tritt eher bei Jüngeren (bis 40 Jahren) und Frauen auf. 45 Prozent der Patienten reduzieren wegen der Krankheit ihre Arbeitszeit, 20 Prozent sind erwerbsunfähig.
Verschiedene Ursachen vermutet
Als Ursachen werden eine Autoimmunreaktion, Blutgerinnsel oder eine chronische Entzündungsreaktion durch verbliebene Viruspartikel vermutet. Die Liste der möglichen Symptome ist lang: Atemnot, Herzrasen, Geruchs-, Geschmacks- und Verdauungsstörungen, Muskelschmerzen, Haarausfall, Gedächtnisverlust, Konzentrationsschwäche, Schwindel, Kopfschmerzen, Schlafprobleme, Depressionen und mehr.
Das schwerste Symptom ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) zeigt sich in ausgeprägter Erschöpfung, die sich nach Anstrengung verschlimmern kann. Geschätzt 10 bis 20 Prozent aller Long-Covid-Patienten leiden daran. Wir sagen, wo Hilfe möglich ist.
Eine Diagnose bringt Erleichterung
Wer nach einer Covid-19-Erkrankung an anhaltenden Beschwerden leidet, die vor dem Infekt nicht bestanden, sucht am besten Allgemeinmedizinerin oder -mediziner auf. Allerdings sind nicht alle mit dem komplexen Krankheitsbild vertraut. Einige Patienten erzählen, ihre Probleme würden nicht ernst genommen oder als psychosomatisch abgetan. Doch seit 2021 gibt es eine medizinische Leitlinie für Long Covid und einen eigenen ICD-Code, mit dem weltweit Krankheiten und Gesundheitsprobleme eindeutig zugeordnet werden: U09.9!. Dieser Diagnoseschlüssel steht auch auf Krankschreibungen.
Linderung der Symptome
Experten sagen: Die richtige Diagnose ist entscheidend für die Betroffenen, denn sie fühlen sich erleichtert, wenn sie eine Erklärung für ihr Leiden haben. Eine Heilung ist zwar nicht möglich, die Linderung der Symptome dagegen schon. Hausärzte können Physiotherapie bei Beschwerden wie Atemnot, Kurzatmigkeit oder Muskelschmerzen verschreiben oder Ergotherapie bei kognitiven Problemen. Die Long-Covid-Expertin Claudia Ellert empfiehlt Entspannungstechniken wie Achtsamkeit oder Autogenes Training auszuprobieren.
Überweisung zu Fachmedizinern
Sind weitere Tests nötig, können Hausärztinnen und Hausärzte an Spezialisten wie Pneumologen, Kardiologen oder Neurologen überweisen. Auf Termine bei ihnen müssen Kassenpatienten jedoch oft lange warten. Für Privatpatienten bietet das Institut der Lungenfachärztin Jördis Frommhold in Rostock ab Januar 2023 eine bundesweite Beratung für Long-Covid-Patienten per Videotelefonat an.
Post-Covid-Ambulanzen
Tiefergehende Untersuchungen sind in Post-Covid-Ambulanzen möglich, die bundesweit an Unikliniken und Krankenhäusern entstanden sind (Adressen unter longcoviddeutschland.org oder über die Klinikwebseiten). Diese bieten ambulante Therapien an, sind aber so überlaufen, dass Patientinnen und Patienten ein halbes Jahr auf einen Termin warten.
Voraussetzung für eine Behandlung ist oft eine Überweisung von einer Arztpraxis. Benötigt werden bisherige Befunde, Fragebögen sind auszufüllen. Entscheidend sind auch Schwere und Dauer der Erkrankung: Mal sind drei Monate anhaltende Symptome Bedingung, mal sechs.
Unterschiedliche Beschwerden zu behandeln
Es gibt fachübergreifende Ambulanzen, die Patientinnen und Patienten dann an die jeweiligen Fachabteilungen einer Klinik vermitteln. Das ist praktisch, da Betroffene oft unterschiedliche Beschwerden mitbringen. Zudem gibt es Ambulanzen, die sich jeweils auf chronische Fatigue, pneumologische, kardiologische oder neurologische Beschwerden spezialisiert haben.
Teure experimentelle Therapien
Einige Ärzte erproben Therapien, die bei anderen Erkrankungen wirken, jetzt bei Long Covid aus. Mit der Blutwäsche – wie sie etwa bei der Dialyse eingesetzt wird – lassen sich Autoantikörper und andere Stoffe aus dem Blut filtern.
Es gibt Erfolgsmeldungen, doch wissenschaftliche Beweise stehen noch aus. Eine Blutwäsche kostet zirka 1 000 Euro pro Sitzung, die privat gezahlt werden müssen. Meist sind mehrere davon nötig.
Bei der hyperbaren Sauerstofftherapie erhalten Patientinnen und Patienten in einer Druckkammer medizinisch reinen Sauerstoff. Diese Therapie wird sonst beim Hörsturz angewendet und soll gegen die neurologischen Beschwerden helfen. Auch hier gibt es positive Berichte von Betroffenen, sie müssen die mehrere Tausend Euro teure Behandlung ebenfalls meist selbst bezahlen.
Immerhin eine Behandlung wird jetzt in einer klinischen Studie an Long-Covid-Patienten getestet: das Medikament BC 007. Es wurde für Herzpatienten entwickelt und neutralisiert Autoantikörper.
Reha-Klinikaufenthalt kein Allheilmittel
Auch eine Reha kann den Weg zurück in den Alltag erleichtern. Die Kliniksuche unter bei der Deutschen Rentenversicherung zeigt Adressen. Einige Häuser haben Post-Covid-Gruppen eingerichtet.
Rentner beantragen die Reha bei ihrer Krankenkasse. Ist Long Covid eine Berufskrankheit, ist die gesetzliche Unfallversicherung zuständig. Wird die Erwerbsfähigkeit durch krankheitsbedingte Funktionseinschränkungen gemindert oder gefährdet, übernimmt die Rentenversicherung. Menschen im erwerbstätigen Alter, die rentenversichert sind, können den Antrag online stellen.
Eine aktuelle Anstellung ist nicht Bedingung. Nötig ist ein ärztlicher Befundbericht, der den Reha-Bedarf bestätigt. Dieser muss neben Befunden auch Facharztberichte und bisherige Therapien auflisten und beschreibt, welche Tätigkeiten durch die Krankheit nicht mehr möglich sind. Er sollte bescheinigen, dass der Patient an der Reha teilnehmen kann und sich seine Gesundheit dadurch voraussichtlich verbessert.
Reha-Kliniken mit unterschiedlichen Schwerpunkten
Manchmal wird der Bericht durch ein medizinisches Gutachten überprüft. Patientinnen und Patienten können Wünsche zu Ort, Region oder einer speziellen Klinik angeben. Die Zuweisung in eine Einrichtung hängt aber von den jeweiligen Symptomen ab. Angeboten werden in den Reha-Kliniken je nach Bedarf Atemgymnastik, Ergotherapie, Bewegungstraining, Ausdauertraining, Krafttraining oder balneo-physikalische Therapien.
Long-Covid-Patienten waren 2021 durchschnittlich 26 Tage in Reha-Kliniken. Der Eigenanteil beträgt 10 Euro pro Tag. Wer wenig verdient, kann sich ganz oder teilweise von der Zuzahlung befreien lassen.
Eine Reha ist kein Allheilmittel. Für Long-Covid-Patienten, die an einer Belastungsintoleranz leiden, gibt es häufig noch keine geeigneten Konzepte, so Claudia Ellert. Klassische Sport- und Bewegungstherapien können bei ihnen sogar negative Auswirkungen haben.
Selbsthilfegruppen bestärken Patienten
Auch Selbsthilfe wirkt oftmals. Bundesweit gibt es an die 100 Selbsthilfegruppen, eine Liste mit Selbsthilfegruppen findet sich auf nakos.de. Die Initiative Long Covid Deutschland unterhält auf Facebook eine geschlossene Gruppe für Patienten. Betroffene erhalten Alltagstipps – wie im Sitzen kochen, um Kraft zu sparen –, Adressen von Ärzten oder Therapie-Ideen. Das Wissen, nicht allein zu sein, kann bestärken.
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Ja, es gibt für verschiedene Therapien noch keine wissenschaftliche Evidenz.
Aber genau so wenig gibt es keine Evidenz, dass es keine Aussicht auf Heilung gibt. Hier bitte extrem vorsichtig sein mit solchen Äußerungen, grade weil viele Betroffene psychisch unter den vielen Symptomen leiden! Es gibt durchaus geheilte Long Covid Patienten, wenn auch nicht in großer Anzahl.
Es wird richtig beschrieben, dass noch zu wenig Erkenntnisse über die Ursachen dieser Krankheit gibt. Wie aber kann man dann behaupten, dass es keine Heilung gibt, wenn doch die Ursachen noch vielfach unbekannt sind?
Im Sinne der Betroffenen, bitte vorsichtig mit solchen Behauptungen!
Übrigens sind die Selbsthilfegruppen nicht für jedermann und jederfrau geeignet, bei mentaler Instabilität kann da der Schuss auch gewaltig nach hinten los gehen. Erfahrung aus dem Verwandtenkreis.