
Wer sein Gehalt oder Lohn nicht ausgezahlt bekommt, sollte nicht zu lange weiterarbeiten. Im Fall einer Insolvenz übernimmt die Arbeitsagentur maximal drei Monatsgehälter.
Wenn Beschäftigte ihr Gehalt nicht pünktlich erhalten, sollten sie den Arbeitgeber zügig schriftlich zur Zahlung auffordern. Bringt das nichts, können sie übers Arbeitsgericht mahnen oder dort klagen. Das geht in erster Instanz auch ohne Anwalt.
Lohn einfordern – Das Wichtigste in Kürze
Das Wichtigste in Kürze
Fristen. Falls Ihr Arbeitgeber Ihnen Lohn schuldet, achten Sie auf Fristen im Vertrag (Ausschlussklauseln). Sie müssen Ansprüche häufig innerhalb von drei bis sechs Monaten schriftlich geltend machen.
Unterstützung. Wenden Sie sich bei ausbleibenden oder zu niedrigen Zahlungen an den Betriebsrat oder Ihre Gewerkschaft.
Arbeitsagentur. Oft haben Sie Anspruch auf Arbeitslosen- oder Insolvenzgeld, obwohl Sie formal beschäftigt sind. Informieren Sie sich bei der Agentur für Arbeit vor Ort oder unter arbeitsagentur.de.
Arbeitsgerichte. Auf den Webseiten der Gericht lesen Sie, wie Sie mahnen oder klagen. Dort gibt es Formulare zum Download. Die Rechtsantragsstelle hilft beim Ausfüllen.
Rechtsschutzversicherung. Wenn der „Fall des Falles“ noch nicht eingetreten ist und Sie noch eine Rechtsschutzversicherung suchen: Hier geht es zum Vergleich Rechtsschutzversicherung der Stiftung Warentest. Diese greift in der Regel aber nur, wenn zwischen dem Abschluss und der ausbleibenden Gehaltszahlung drei Monate vergangen sind (Wartezeit).
Kündigung. Häufig geht dem nicht gezahlten Lohn eine Kündigung voraus. Wie Sie darauf reagieren können, erfahren Sie im Special Jobkündigung – was tun?.
Bis wann das Geld auf dem Konto sein muss
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen grundsätzlich in Vorleistung gehen, also erst arbeiten, bevor sie bezahlt werden. Das Arbeitsentgelt sollte daher in der Regel am ersten Tag des folgenden Monats bei den Angestellten sein.
Es gibt jedoch zahlreiche Abweichungen, die zum Beispiel im Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt sind. Sofern der Arbeitgeber „die Vergütungsbestandteile monatlich jeweils neu berechnen muss“, ist die Zahlung bis zum 15. Kalendertag des Folgemonats noch angemessen, urteilte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 2017 (Az. 4 Sa 8/17). In diesem Fall sollte er vorher jedoch zumindest einen Abschlag überweisen.
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Das Gehalt kommt nicht: Das sollten Sie tun
Ausschlussfristen beachten, damit kein Lohn verfällt
Ist der Lohn am vertraglich vereinbarten Tag oder am 15. des Folgemonats noch nicht auf dem Konto, ist der Arbeitgeber automatisch im Zahlungsverzug. Kommt das zum ersten Mal vor, reicht oft ein mündlicher Hinweis – denn Grund können auch Fehler seitens der Bank oder Buchhaltung sein.
Allzu viel Zeit sollte man sich jedoch nicht lassen. Oft enthalten Arbeits- und Tarifverträge, seltener auch Betriebsvereinbarungen, Arbeitsvertragsrichtlinien und Sozialpläne sogenannte Ausschlussfristen. Diese verkürzen die gesetzliche Verjährungsfrist von in der Regel drei Jahren auf meist drei bis sechs Monate. Danach verfallen Ansprüche wie Gehalt, Urlaubsentgelt und Prämien, wenn sie nicht eingefordert werden.
Den Chef zur Lohnzahlung auffordern
Arbeitnehmer sollten ihren Chef zeitnah auffordern, innerhalb von sieben Tagen zu zahlen. Das geht mit einem formlosen Schreiben, das den ausstehenden Bruttobetrag enthält. Wer gerichtliche Schritte androht, verleiht seiner Forderung mehr Nachdruck .
„Neben dem Aufforderungsschreiben gibt es auch noch die Abmahnung, die viele nur vonseiten des Arbeitgebers kennen“, erklärt Martin Bechert, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. „Eine Abmahnung ist wichtig, wenn Sie später außerordentlich kündigen oder die Arbeitsleistung verweigern möchten.“ Diese Verwarnung sollte das Wort „Abmahnung“ enthalten und die geplanten Schritte androhen. „In beiden Fällen schicken Sie am besten einen Brief als Einschreiben und behalten eine Kopie.“
Die Arbeit verweigern
Sofern das Arbeitsverhältnis noch besteht und der Chef trotz schriftlicher Aufforderung nicht zahlt, können Arbeitnehmer bei erheblichem Zahlungsrückstand auch die Arbeit verweigern (sogenanntes Zurückbehaltungsrecht) oder fristlos kündigen. Das muss jedoch vorher angedroht worden sein. Einen erheblichen Zahlungsrückstand sehen Gerichte oft erst bei zwei vollen Monatsgehältern gegeben.
Wer beschäftigungslos ist, weil er die Arbeitsleistung verweigert oder der Arbeitgeber ihn nicht mehr einsetzt, hat möglicherweise Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Wenn die eigene Firma Insolvenz anmeldet
Bleibt die Zahlung auch bei Kollegen und in voller Höhe aus, liegt es nahe, dass sich der Arbeitgeber in einer finanziellen Schieflage befindet. Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, können Arbeitnehmer innerhalb von zwei Monaten bei der Arbeitsagentur eine Erstattung des nicht gezahlten Gehalts beantragen. Sie übernimmt das sogenannte Insolvenzgeld jedoch maximal für die letzten drei Monate vor der Insolvenz.
Die Insolvenzantragspflicht ist bis Ende 2020 ausgesetzt, wenn Überschuldung eine Folge der Corona-Pandemie ist. Bis Ende September galt dies auch bei Zahlungsunfähigkeit infolge von Corona. Experten rechnen mit einer Zunahme der Insolvenzanträge nach dem Ende dieser Ausnahmeregel.
Wenn alles nichts nützt: Verfahren beim Arbeitsgericht
Mahnverfahren beim Arbeitsgericht
Bei renitenten Arbeitgebern bleibt meist nur der Gang zum Arbeitsgericht. Das geht in erster Instanz auch ohne Anwalt. Wer verliert, zahlt nur die Gerichtskosten und nicht den Anwalt der Gegenseite, sofern es einen gibt.
In manchen Fällen ist nicht mit einem Widerspruch des Arbeitgebers zu rechnen, etwa weil er zum Beispiel schon die Lohnabrechnung geschickt hat. Dann eignet sich das Mahnverfahren beim Arbeitsgericht, um schnell und unkompliziert einen Vollstreckungstitel zu erwirken.
Das dafür nötige amtliche Formular bieten die Arbeitsgerichte in der Regel auf ihrer Webseite zum Herunterladen an. Wer sich beim Ausfüllen unsicher ist, kann kostenlos die Hilfe der Rechtsantragsstelle beim örtlichen Arbeitsgericht in Anspruch nehmen. Anschließend gibt man den Antrag ab oder schickt ihn per Post ans Gericht. Widerspricht der Arbeitgeber nicht in der vorgegebenen Zeit, erwirkt der Arbeitnehmer einen Vollstreckungsbescheid. Damit kann man innerhalb von 30 Jahren die Forderung mittels Gerichtsvollzieher oder Kontopfändung durchsetzen, am besten mithilfe eines Anwalts.
Klageverfahren auch ohne Anwalt
Wenn man davon ausgeht, dass die Gegenseite die Forderungen nicht akzeptieren wird, beginnt man in der Regel direkt mit dem Klageverfahren. Das Mahnverfahren mündet bei Widerspruch ebenfalls darin.
Rechtsanwalt Bechert rät, sich bei einfachen Fällen ohne Anwalt an das Arbeitsgericht zu wenden. „Bei komplizierten Fällen würde ich aber einen Anwalt beauftragen“, ergänzt er. Im Klageverfahren kommt es erst zu einem Gütetermin, bei dem der Richter versucht, die Parteien zu einer Einigung zu bringen. Gelingt das nicht, folgt eine Kammerverhandlung, bei der am Ende das Gericht entscheidet. Das Urteil ist vollstreckbar, zur Not per Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht.
Die Gebühren richten sich nach verschiedenen Faktoren (siehe Interview). Bei einem Streitwert von 3 000 Euro betragen die Gerichtskosten 216 Euro (ohne Anwalt). Bei einem Vergleich entfallen diese Kosten.
So helfen die Gewerkschaften
Unterstützung bei Streit um Lohn bieten auch die Gewerkschaften. Die DGB Rechtsschutz GmbH hilft beispielsweise Mitgliedern der im DGB organisierten Gewerkschaften bei Fragen rund ums Arbeitsrecht und vertritt sie, wenn sie beim Arbeitsgericht klagen. Im Fall eines LKW-Fahrers, der fristgerecht gekündigt hatte, behielt der Chef zum Beispiel den letzten Lohn ein. Die Begründung: Er forderte Schadenersatz, weil der Mitarbeiter kurz zuvor einen LKW beim Rangieren beschädigt hatte. „Dass Arbeitgeber von ihren Angestellten Schadenersatz verlangen und diesen mit dem Lohn verrechnen, kommt immer wieder vor“, sagt Till Bender, Pressesprecher beim DGB Rechtsschutz. Nie dürften dabei ganze Monatslöhne einbehalten werden. „Der ehemalige Arbeitgeber muss zudem grobe Fahrlässigkeit beweisen und die Haftung minimieren, zum Beispiel in Form einer Vollkaskoversicherung der Fahrzeuge.“
Interview – die Spielregeln vor dem Arbeitsgericht

Dr. Andrea Baer ist Vorsitzende Richterin und Pressesprecherin am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
Wie lange dauert ein Prozess beim Arbeitsgericht und was müssen Arbeitnehmer bei den Kosten beachten? Antoworten hat Dr. Andrea Baer, Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
Beim Arbeitsgericht gibt es die Besonderheit, dass man in erster Instanz auch ohne Anwalt klagen kann. Wem raten Sie dazu?
In Fällen, in denen Ihnen zum Beispiel eindeutig Lohn zusteht, den Sie nicht erhalten haben, können Sie das Verfahren in der Regel auch ohne anwaltliche Vertretung führen. Bei schwierigen Fragen wie einer Betriebsrentenerhöhung sollte man sich bereits vor Klageerhebung anwaltlich beraten lassen. Es ist auch möglich, in einem laufenden Verfahren einen Anwalt hinzuzuziehen.
Wie hoch sind die Kosten, falls man verliert?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Kosten hängen vom Streitwert ab und davon, ob man einen Anwalt beauftragt. Je höher der Streitwert ist, desto höher sind die Kosten. Dazu gibt es Gebührenrechner im Internet. Sie sollten deshalb auch nicht ins Blaue hinein zu viel fordern, sondern nur das, was Sie auch nachweisen können. Die Anwaltskosten trägt beim Arbeitsgericht übrigens in erster Instanz jede Partei selbst, auch wenn sie gewinnt.
Wie lange dauert ein Prozess?
Vom Eingang der Klage bis zum Gütetermin vergehen bei uns in der Regel zwei bis sechs Wochen. Im Gütetermin wird erörtert, ob eine gütliche Einigung möglich ist. Kommt es zum Vergleich oder Versäumnisurteil, weil eine Seite nicht erscheint, ist das Verfahren abgeschlossen. Geschieht das nicht, kommt es nach ungefähr drei bis neun Monaten zu einem Kammertermin. Dabei fällt das Gericht ein Urteil, falls nicht doch noch ein Vergleich geschlossen wird. Es gibt im Moment noch Rückstände, weil wir während des pandemiebedingten Lockdowns keine Verhandlungen durchführen konnten. Diese werden derzeit aufgearbeitet.
Einige Experten erwarten eine Zunahme der Unternehmensinsolvenzen, wenn die Corona-Ausnahmeregelung endet. Was sollte man tun, wenn der Arbeitgeber finanziell in Not ist?
Über das Insolvenzgeld sind im Falle einer Insolvenz nur drei Monatsgehälter abgesichert. Arbeiten Sie also nicht beliebig lange weiter, wenn kein Geld fließt. Wenn der Arbeitgeber nichts hat, kann auch eine Verurteilung zur Zahlung letztlich nicht vollstreckt werden. Bei erheblichen finanziellen Schwierigkeiten des Arbeitgebers sollte man sich vorsichtshalber nach einem neuen Arbeitgeber umsehen.
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