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In 18 Tuben, Tiegeln und Pflegestiften für die Lippen fanden wir kritische Stoffe. Immerhin 15 können wir empfehlen – darunter fast alle Naturkosmetikprodukte im Test.
Der Winter hat an den Lippen gezehrt, sie rissig und rau gemacht. Bald fordern wärmere Zeiten sie mit Sonnenstrahlen heraus. Spezielle Pflegemittel sollen die zarte Haut schützen, an sonnigen Tagen solche mit UV-Schutz.
Die Stiftung Warentest hat 35 Lippenpflegemittel ins Labor geschickt: Drehstifte, Tuben, Bälle, Tiegel. Wir wollten wissen, ob die Kosmetika frei sind von kritischen Stoffen, die ja über den Mund direkt in den Körper geraten. Bei Produkten mit Sonnenschutz prüften wir auch, ob sie den versprochenen Lichtschutzfaktor einhalten. Die Pflegeeigenschaften haben wir nicht untersucht, da es kein Standardverfahren gibt, mit dem sie auf den Lippen objektiv und zuverlässig beurteilt werden können.
19 der getesteten Pflegemittel können wir nicht empfehlen, darunter bekannte Marken wie Labello, Blistex oder Bebe. Kritisch sind vor allem bestimmte Kohlenwasserstoffe: einige Mosh (Mineral oil saturated hydrocarbons), das sind gesättigte Kohlenwasserstoffe, und Moah (Mineral oil aromatic hydrocarbons), das sind aromatische Kohlenwasserstoffe. Vor zwei Jahren haben wir stichprobenartig verschiedene Kosmetika geprüft, darunter drei Lippenpflegemittel. Alle drei waren wegen Moah-Belastung negativ aufgefallen (Test Mineralöle in Kosmetika, 6/2015). Diesmal fanden wir kritische Mosh und Moah in 15 Produkten, die erdölbasierte Rohstoffe in der Inhaltsstoffliste nennen.
Bis zu 9 Gramm Mosh im Jahr
Viele Mosh können sich im Körper anreichern, etwa im Fettgewebe, in Leber oder Milz. Die gesundheitlichen Folgen sind bisher nicht vollständig geklärt. Die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa schätzt schon die Menge an Mosh, die Verbraucher über Lebensmittel aufnehmen, als „potenziell bedenklich“ ein. Die zusätzliche Menge aus Lippenpflege kann beachtlich sein. Regelmäßige Anwender schlucken im Jahr rund 20 Gramm Lippenstift, hat der Wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS) der EU-Kommission errechnet – also etwa vier Exemplare. Nehmen sie dafür Bebe-Stifte, schlucken sie mehr als 9 Gramm kritische Mosh.
Moah in der Kritik
Moah sieht die Efsa noch kritischer: Lebensmittel sollten frei von ihnen sein. Sie sind es aber längst nicht immer, wie unsere Tests belegen. Zuletzt wiesen wir die Substanzen in Olivenöl (Test Olivenöl im Test, 2/2017) und in Thunfisch aus der Dose (Test Fisch im Test, 9/2016) nach. Einige sind potenziell krebserregend. In Nahrungsmittel gelangen Moah zum Beispiel über Druckfarben aus Verpackungen oder über Schmieröl, das im Herstellungsprozess eingesetzt wird.
Moah in Kosmetik stammt aus Zutaten auf Mineralölbasis. Die Hersteller bemühen sich, kritische Moah zu reduzieren, indem sie besonders aufgereinigtes Mineralöl verwenden. Aber nach heutigem Wissensstand lässt sich nicht ausschließen, dass auch von den verbleibenden, geringeren Moah-Gehalten ein Krebsrisiko ausgeht.
Posh in Apotheken-Produkten
Der sicherste Weg, Kosmetik ohne Mosh und Moah herzustellen, scheint der Verzicht auf erdölbasierte Stoffe zu sein. Garantiert frei von bedenklichen Inhalten sind aber auch solche Produkte nicht.
So wiesen wir in den Stiften von La Roche-Posay und Vichy, beide aus der Apotheke, hohe Gehalte an Posh nach – und zwar von der kritischen Fraktion. Posh sind Kohlenwasserstoffe, mit englischem Namen Polymer oligomeric saturated hydrocarbons. Sie sind den Mosh sehr ähnlich, werden oft aus Ausgangsstoffen wie Kohle oder Biomasse synthetisch hergestellt und könnten sich ebenso im Körper anreichern. Hinter folgenden Namen auf der Inhaltsstoffliste verbergen sie sich: Hydrogenated Polyisobutene, Polyethylene oder Polybutene.
Naturkosmetik als Alternative
Für Naturkosmetik ist vorgeschrieben, dass die Rezeptur keine erdölbasierten Zutaten enthalten darf. Von den 15 Lippenpflegeprodukten, in denen wir keine kritischen Substanzen gefunden haben, tragen 6 Siegel für Naturkosmetik: das von Natrue, das des Handelsverbands BDIH oder beide.
Im Test entdeckten wir allerdings auch einen Ausreißer: Im Granatapfel-Lippenbalsam von Bee Natural wiesen wir Spuren von Mosh nach. Er trägt das Natrue-Siegel. Möglicherweise gelangte die Substanz als Verunreinigung im Herstellungsprozess ins Produkt. Die Menge ist äußerst gering. Dennoch halten wir den Balsam nicht für empfehlenswert. Denn Verbraucher sollen bei zertifizierter Naturkosmetik davon ausgehen können, dass sie vollständig frei von Mineralölbestandteilen ist.
Sebamed bietet zu wenig UV-Schutz
Eines der 35 geprüften Produkte steht nicht in unseren Tabellen (Empfehlenswerte Lippenpflegeprodukte und Nicht empfehlenswerte Lippenpflegeprodukte): der Kiko Lip Balm. Das liegt daran, dass es uns analytisch nicht möglich war zu bestimmen, ob und wie sehr der Balsam belastet ist. Er enthält laut Deklaration rund 40 verschiedene Inhaltsstoffe, darunter auch erdölbasierte. Einige dieser Substanzen stören die komplexe Untersuchungsmethode.
Prüfen konnten wir dagegen Kikos UV-Schutz. Er funktioniert, so wie bei fast allen Produkten im Test, die ihn ausloben. Einzige Ausnahme in dieser Disziplin ist der Sebamed-Stift: Er schützt deutlich weniger vor UVA, als der Anbieter verspricht. Deswegen empfehlen wir den Stift nicht – obwohl wir in ihm weder Mosh noch Moah fanden.
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Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Schleichwerbung
Ich benutze diesen Stift seit mindestens 10 Jahren. Immer wieder probiere ich auch andere Produkte, aber nicht kommt an diesen Lippenpflegestift auch nur annnähernd ran.
Danke Weleda!
@Astale: Der Lichtschutzfaktor von 30 wurde hinsichtlich des UVB-Schutzes eingehalten. Gemäß einer EU Richtlinie von 2006 müssen Sonnenschutzprodukte mindestens 1/3 UVA-Schutzwirkung in Relation zum ausgelobten Lichtschutzfaktor aufweisen. Hierbei zeigten sich deutliche Abweichungen für den Sebamed-Stift (Relation von rund 1/8). (Ko/PF)
Hallo,
ihr habt ja den Sebamed-Stift abgewertet, da er nicht den versprochenen Sonnenschutzfaktor (SPF30) eingehalten hat. Welchen Faktor hat er denn in etwa erreicht?
Vielen Dank!
Guten Tag,
Schade, dass der Bepanthol Lippenpflegestift nicht auch getest wurde, da er auch Sonnenschutz verspricht.
Man sollte darauf aufmerksam machen, dass der Lipstick nämlich Ozokerite enthält und somit (voraussichtlich) nicht empfehlenswert ist. Ich finde, dass Bepanthol/Bayer da sehr großzügig mit dem Testsiegel auf seiner Seite umgeht! Wer nicht genau liest, könnte beide Produkte für empfehlenswert halten.
Mit freundlichen Grüßen
StR