
Arbeiterin in Bangladesch. Nicht nur in Textilfabriken sollen soziale Mindeststandards gelten.
Deutsche Firmen sollen künftig auch für die Produktionsbedingungen ihrer ausländischen Zulieferer verantwortlich gemacht werden können. Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien auf die Ausarbeitung einer gesetzlichen Regelung hierfür geeinigt. Im Gespräch mit test.de erläutert Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU), worum es beim Lieferkettengesetz geht.
Freiwillige Regelung ist gescheitert
Beispiel Jeans: Sie wird in Bangladesch für wenige Euro produziert – und anschließend in Deutschland für ein Vielfaches teuer verkauft. Etliche Hersteller missachten dabei ökologische oder soziale Mindeststandards – etwa das Verbot von Kinderarbeit. Nach Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) müssen weltweit 152 Millionen Kinder arbeiten. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD sieht eine gesetzliche Regelung für den Fall vor, dass nicht mindestens die Hälfte der Unternehmen bis zum Jahr 2020 freiwillig soziale Menschenrechtsstandards in ihrer globalen Lieferketten sicherstellen. Eine repräsentative Umfrage der Bundesregierung unter 2 200 Unternehmen zeigt, dass das nur 17 Prozent der Firmen dies sicherstellen. Die Koalition muss also handeln.
Müller: „Ökologische und soziale Mindeststandards einhalten“
Noch in dieser Legislaturperiode will die Bundesregierung deutsche Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten verpflichten. „Das Gesetz soll dafür sorgen, dass am Anfang internationaler Lieferketten ökologische und soziale Mindeststandards eingehalten werden, wie das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit“, sagt Entwicklungsminister Gerd Müller im Interview mit test.de. „Es geht aber nicht darum, überall in der Welt deutsche Sozialstandards umzusetzen.“
Initiative Lieferkettengesetz: „Unternehmen sollen haften“
Johanna Kusch, Koordinatorin der Initiative Lieferkettengesetz, reicht das nicht: „Wichtig ist, dass deutsche Unternehmen, die an schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im Ausland beteiligt sind, haften müssen und dass die Betroffenen sie vor einem deutschen Gericht auf Schadenersatz verklagen können.“ Zur Initiative gehören mehr als 100 Organisationen, etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die AWO International und zahlreiche kirchliche Organisationen.
Textilsiegel Grüner Knopf zeigt — es geht
Schon 52 Firmen machen beim staatlichen Textilsiegel Grüner Knopf mit und beachten freiwillig dessen soziale und ökologische Standards, darunter Aldi, Lidl, Mey, Tchibo, Trigema und Vaude. Laut Entwicklungsministerium setzen sich fast 90 Unternehmen für ein verpflichtendes Lieferkettengesetz ein. Sie wehren sich dagegen, dass andere Firmen ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Grundstandards produzieren und sich so Wettbewerbsvorteile verschaffen.