Stimmungsschwankungen in Herbst und Winter lassen sich abmildern. Erhöhen Sie Ihre Tageslichtdosis im Freien, in der Wohnung und im Büro.
Die Natur explodiert im Herbst noch einmal in einem kurzen Farbenspiel. Während viele Menschen die bunte Blätterpracht genießen, stimmen die kürzer werdenden Tage andere eher melancholisch oder traurig. Besonders poetisch beschreiben Dichter die Gefühle, die den Wechsel der Jahreszeiten begleiten, zum Beispiel Hoffmann von Fallersleben: „O wie ist es kalt geworden und so traurig, öd und leer! Rauhe Winde wehn von Norden, und die Sonne scheint nicht mehr.“
Heute, im digitalen Zeitalter, lässt sich die Aussicht auf dunkle Winterwochen und der damit verbundene Stimmungswandel mit ganz neuen Methoden erfassen. Sozialwissenschaftler der amerikanischen Cornell Universität haben zwei Jahre lang Twitter-Kurz-Botschaften von über zwei Millionen Nutzern in 84 Ländern nach positiven und negativen Emotionen durchforstet und festgestellt: Wenn im Herbst die Tage kürzer werden, schlägt das über alle Kulturkreise hinweg aufs Gemüt.
Fast alle Menschen erleben Stimmungsschwankungen im Herbst und Winter, manchmal schon ab Ende September. Viele fühlen sich dadurch kaum beeinträchtigt. Doch andere werden im Verlauf der folgenden Monate schwermütig und lethargisch, ziehen sich von ihren Mitmenschen zurück, entwickeln Heißhunger auf Süßigkeiten und schwere Speisen wie Eintopf- oder Nudelgerichte, legen an Gewicht zu und würden am liebsten rund um die Uhr schlafen. Die meisten leiden unter milderen Formen der Erkrankung, doch bei einigen gerät der Alltag völlig durcheinander.
Ein etabliertes Krankheitsbild
„Die saisonal abhängige Depression ist heute ein etabliertes Krankheitsbild“, erklärt Professor Siegfried Kasper. Er leitet die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien. „Dabei sind unsere Reaktionen auf die wechselnden Jahreszeiten eigentlich eine ganz natürliche Reaktion auf unsere Umwelt. Wenn jedoch bestimmte Jahreszeiten Schmerz und Zerstörung statt Erfüllung bringen, haben wir Möglichkeiten, diese Symptome zu lindern.“
Siegfried Kasper gehörte in den neunziger Jahren mit zu den ersten europäischen Forschern, die sich mit der Winterdepression beschäftigten. Zuvor hatte er zwei Jahre lang am US-amerikanischen Nationalen Institut für seelische Gesundheit gearbeitet. Dort untersuchte eine Forschergruppe, ob psychische Probleme auch mit Veränderungen der biologischen Rhythmen und in der Biochemie des Gehirns zusammenhängen. Dabei entdeckten sie, dass sich das winterliche Tief erfolgreich mit hellem Licht behandeln lässt.
Licht als anerkannte Behandlung
Inzwischen gehört die Lichttherapie zu den anerkannten Behandlungsverfahren. Die „Nationale Versorgungsleitlinie Depression“ empfiehlt sie ausdrücklich zur Therapie der saisonal abhängigen Depression. Denn der Lichtmangel in der dunklen Jahreszeit ließ sich als eine der Hauptursachen für die Winterdepression beweisen. Etliche psychiatrische Kliniken wenden die Behandlung in ihren Tageskliniken, aber auch für stationäre Patienten an. Einige niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten setzen die Lichttherapie ebenfalls ein.
Therapiegeräte auch für zuhause
Im Handel gibt es auch Lichttherapiegeräte für den Hausgebrauch. Drei Leuchten haben wir exemplarisch geprüft (siehe „Weißes Licht“ und „Blaues Licht“). Ähnliche Produkte gibt es von anderen Firmen. Um eine Winterdepression zu behandeln, gilt eine Beleuchtungsstärke zwischen 2 500 und 10 000 Lux als angemessen. Je heller die Leuchte, umso kürzer die Behandlungszeit: Bei 10 000 Lux reicht meist eine halbe Stunde täglich. Die Patienten sitzen mit offenen Augen etwa einen halben Meter vor dem Leuchtschirm. Dabei können sie frühstücken, lesen, stricken oder arbeiten, sollten jedoch regelmäßig in Richtung Lichtquelle blicken.
Stimmung hellt sich schnell auf
Bisher ist wissenschaftlich noch nicht endgültig geklärt, welches die günstigste Tageszeit für das Lichtbad ist. Häufig wird eine Behandlung am frühen Morgen empfohlen. Doch die optimale Behandlungszeit kann von Patient zu Patient variieren. Professor Siegfried Kasper empfiehlt daher, einen Rhythmus zu finden, der sich gut in den Alltag einpassen lässt. Erste Verbesserungen der Krankheitssymptome zeigen sich oft schon nach wenigen Tagen. In der Regel hellt sich die Stimmung innerhalb von etwa zwei Wochen auf.
Warum Licht einen positiven Effekt auf Menschen mit winterlichen Depressionen hat, liegt zum Teil noch im Dunkeln. Licht wird von der Netzhaut über verschiedene Nervenbahnen ins Gehirn geleitet. Forscher vermuten, dass es dort das entgleiste biochemische Gleichgewicht wieder herstellt – die Verstimmungen hängen unter anderem mit Serotoninmangel und einem Überschuss des Schlafhormons Melatonin zusammen. Ähnlich wie das natürliche Tageslicht an einem Frühlings- oder Sommermorgen wirkt das therapeutische Licht zudem als biologischer Zeitgeber, der die innere Uhr mit der realen Uhrzeit synchronisiert. Patienten mit saisonal abhängiger Depression brauchen für diese Prozesse offenbar mehr Licht als Gesunde.
Mit weißem oder mit blauem Licht
Die Wirksamkeit der klassischen Lichttherapie, die mit weißem Licht arbeitet, belegen zahlreiche Studien. Seit einigen Jahren ist auch blaues Licht in der Diskussion. Neu entdeckte Rezeptoren in der Netzhaut reagieren nämlich besonders empfindlich auf Licht mit hohem Blauanteil – gemeinhin als kaltweiß bezeichnet.
Erste Studien zeigen, dass blaues oder blauweißes Licht die Aufmerksamkeit und Konzentration erhöhen kann. Zur Winterdepression gibt es nur vereinzelte Untersuchungen mit wenigen Teilnehmern. Sie ergaben, dass blaues Licht von relativ geringer Intensität den Winterblues so gut vertreibt wie die klassische Lichttherapie mit sehr hellem weißen Licht.
Vor der Behandlung zum Arzt
Wer in Eigenregie eine gezielte Lichttherapie machen will, sollte vorher am besten zum Arzt gehen. Der kann untersuchen, ob eventuell andere Krankheiten mitähnlichen Symptomen für die depressive Stimmung verantwortlich sein können, beispielsweise Viruserkrankungen oder die Unterfunktion der Schilddrüse. Für sie ist eine andere Behandlung erforderlich.
Tipp: Lassen Sie vor und während einer längeren Behandlung mit hellem Licht sicherheitshalber eine Augenuntersuchung machen, auch wenn nach den Erfahrungen mit der klassischen Lichttherapie keine Schädigungen aufgetreten sind. Bei bestehenden Augenerkrankungen, etwa der altersbedingten Makuladegeneration, ist besondere Vorsicht und ständige Kontrolle geboten. Das ist auch bei der Einnahme einiger Medikamente zu empfehlen, die die Lichtempfindlichkeit der Augen erhöhen, wie zum Beispiel einige Psychopharmaka.
Nebenwirkungen selten
Nebenwirkungen treten bei der Lichttherapie selten auf. Meist handelt es sich um leichte Beschwerden wie Kopfschmerzen, Augenbrennen, trockene Augen, trockene Schleimhäute oder Hautrötungen. Am ausgeprägtesten sind sie an den ersten Tagen.
Tipp: Vorübergehend kürzeres Lichtbad oder größeren Abstand zur Leuchte wählen, Luftbefeuchter oder Tränenersatzmittel ausprobieren. Um Augen und Haut zu schützen, achten Sie bei der Auswahl eines Geräts darauf, dass es kein UV-Licht abgibt.
Aussicht aufs Frühjahr
Zusätzlich zur Therapie kann man sich im Alltag mehr Licht verschaffen (siehe „Licht im Alltag“). In leichten Fällen reicht das oft schon für ein besseres Wohlbefinden aus. Und manch einer kann sich auch mit der Aussicht aufs Frühjahr über den Winterretten, wie Hoffmann von Fallersleben: „Doch wie Leid und Freude stets hienieden, und wie Nacht und Tag stets wechseln mag, jedem Winter ein Lenz beschieden ...“ Auch bei Twitter steigt das Stimmungsbarometer ab Ende März wieder an. Dann schwirren vermehrt positive Botschaften um den Globus, Wörter wie „glücklich“, „super“, „sonnig“, „fantastisch“, „Paradies“.
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@CarlMüller: Ihren Testvorschlag haben wir an unser für die Testplanung zuständiges Gremium, das Untersuchungswünsche unserer Leser registriert, weitergeleitet.
Ob und wann eine entsprechende Veröffentlichung durchgeführt wird, lässt sich momentan allerdings noch nicht übersehen, da die Testauswahl und Terminplanung bis einschließlich Sommer 2020 abgeschlossen ist. (SL)
Bitte neuen Test machen
Das Philos Blaulicht-Geraet habe ich ausprobiert, mehrere Monate lang, morgens. Fand das blaue Licht weniger angenehm/heilsam für mich als weisses Licht. Also bin ich wieder zu meiner Waldmann (?) Lichttherapie Lampe ( grosses Gerät, noch 250 Watt Leistungsaufnahme, Medizinprodukt) zurück gekehrt. EINEN NEUEN TEST halte ich für dringend erforderlich.
Gesundheit ist bei Stiftung Warentest augenscheinlich zweitrangig. Der jüngste und bisher einzigste Test ist nunmehr 14Jahre alt und es gibt gerade mal 4 Artikel zum Thema! Zum Vergleich: Dem "Geschirrspüler" wurde, in nur 3 Jahren mehr, 62 Artikel, darunter 11 Tests und 5 Schnelltests eingeräumt. Auch ein "Spaß-Produkt", wie der soeben zum 3.mal in 9 Jahren getestete Sekt, ein Produkt, das gesundheitlich auf Grund des Alkohol-Gehalts grundsätzlich fragwürdig ist, hat da offensichtlich höhere Prioritäten als ein gesundheitlich relevantes Lichttherapiegerät. Ist man in der SWT-Redaktion der Meinung, dass man seine Winter-Depressionen besser mit alkoholischen Getränken bekämpft?
Der Nutzen von Lichttherapie bei Depression ist mittlerweile wissenschaftlich gut belegt (nicht nur bei Winterdepression, sodern auch bei normaler Depression, auch in Kombination mit Medikation usw.).
Da die Lampen sich weiterentwickelt haben, mittlerweile mit LED-Technik, würde ich mich über einen aktuellen Test sehr freuen.
Bei z.B. Lattenrosten hatten Sie auch Hinweise zum Eigenbau gegeben, das fände ich ebenfalls für den einen oder anderen hilfreich.
Das Thema Lichtlampe mal beiseite: Ich freue mich immer wieder über Ihre gute Arbeit. Weiter so!