Flotter lesen – ohne Einbuße beim Textverständnis. Das kann mit speziellen Übungen klappen. Im Test siegt das günstigste Produkt, eine App für knapp 3 Euro.
Testergebnisse für 6 Schnelllese-Trainings 03/2015
Die Gelegenheit lässt sie sich nicht entgehen. Marina Pauly meldet sich prompt, als die Stiftung Warentest im eigenen Haus nach Teilnehmern für Schnelllese-Trainings sucht. Sie arbeitet als Textchefin für test.
Auch die Psychologin Caro Wolter* macht gerne mit. Sie ist im Probandenpool der Weiterbildungstester registriert. Ihr Wunsch: Fachartikel und Tagespresse rascher lesen zu können. „In Gedanken schweife ich oft ab und muss Textstellen mehrmals lesen.“ Doch noch ist sie skeptisch, ob das Schnelllesen wirklich funktionieren kann, ohne dass sie als Leserin dabei Wichtiges übersieht.
88 Schnelllese-Schüler machen mit
Beide Frauen sind ideale Probandinnen für den Test von Angeboten, die versprechen, das Lesetempo zu steigern. Die Stiftung Warentest hat sie und 86 weitere interessierte Lesefreunde rekrutiert, um zu untersuchen, wie wirksam die Lernangebote sind. Im Test: eine App, ein Onlinekurs, je eine CD-Rom und DVD, zwei Präsenzkurse. Ergebnis: Alle sechs Schnelllese-Trainings erhöhen das Lesetempo, teils jedoch mit leichten Einbußen beim Textverständnis.
Sieger ist das mit weitem Abstand günstigste Angebot: Schneller lesen, mehr behalten von Heku IT, eine Smartphone-App für weniger als 3 Euro. Der Zweitbeste heißt Improved Reading Training, ein zweitägiger Präsenzkurs für 590 Euro.
Tipp: Am Bildschirm selbst zu lernen, ist nicht jedermanns Sache. Dennoch empfiehlt es sich bei diesen Preisunterschieden, vor einer Kursbuchung, zunächst einmal die App zu probieren.
Gewohnheiten abtrainieren

© Stiftung Warentest

Schnelllese-Schulungen eignen sich für geübte Leser. Sie trainieren typische Gewohnheiten ab, die den Lesefluss bremsen. Etwa die, den Text innerlich leise mitzusprechen oder Textstellen mehrfach zu lesen.
Es gibt eine Menge einzelner Techniken, die helfen sollen, die Leseeffizienz zu steigern. Alle geprüften Angebote setzen mehrere Methoden ein, die sie unterschiedlich kombinieren. „Manche der Techniken sind wissenschaftlich gesehen Humbug, anderes nützt“, sagt Ralph Radach, Professor für Psychologie an der Bergischen Universität Wuppertal und Experte für Lesetechniken.
Ein Schnelllese-Training verändert nicht automatisch die Art zu lesen. Wer die Methoden lernt, kann sie bewusst einsetzen – oder eben nicht. Die Fähigkeit, einen Roman genussvoll und mit Muße zu schmökern, geht nicht verloren. Gewonnen wird die Fähigkeit, beispielsweise Nachrichten oder Sachtexte flott aufzunehmen.
Bei 176 Wörtern pro Minute gestartet
Wörter pro Minute (WpM) ist die Maßeinheit für die Lesegeschwindigkeit. Sie wurde bei jeder Testperson vor und nach der Teilnahme an „ihrem“ Programm gemessen. Zusätzlich mussten die Probanden Fragen zum Gelesenen beantworten. Bei vier Trainings litt das Textverständnis. Beim Tempo sahen die Ergebnisse erfreulicher aus.
Der Mittelwert über alle Probanden betrug beim Start 176 Wörter pro Minute. Mit Ausnahme von Improved Reading versprechen alle Anbieter, den Anfangswert mindestens zu verdoppeln. Die Messungen zeigen: Das ist zu dick aufgetragen.
Bis zu 50 Prozent beschleunigt

Sieger-App. Die Bilder zeigen zwei Übungen des Trainings von Heku IT. Es kombiniert viele kurze Lerneinheiten, die Spaß machen. © Stiftung Warentest
Die Trainings steigern das Lesetempo im Schnitt um höchstens 50 Prozent. Auch Marina Pauly liest ein Manuskript nun um mehr als 40 Prozent schneller als vorher – bei einem unverändert hohen Textverständnis. Und das, obwohl sie zufälligerweise mit dem insgesamt wenig überzeugenden Lernprogramm des Anbieters Peoplebuilding übte: der DVD PoweReading.
Das Programm beschleunigt zwar die Lesegeschwindigkeit, vermittelt die Inhalte aber mangelhaft. „Es ist ein freudloses Produkt. Der Dozent Zach Davis hält in einem mehrstündigen Video endlose Monologe in trister Umgebung“, sagt Pauly. Die rund zwölfstündige Lernzeit mit Vorträgen und Übungen wurde ihr mitunter lang. Sie musste zum Beispiel Witze über Ostfriesen oder über Männer und Frauen auf Zeit lesen – „Texte voller Klischees“, so Pauly. Ihre Einschätzungen und die der anderen Probanden – neun bis zwölf pro Produkt – fließen in die Wertung ein, ebenso die von Experten.
Caro Wolter erging es besser. Sie trainierte mit dem Siegerprogramm von Heku IT – mit großer Freude. Drei Wochen lang hat sie mit dem Handy in der Hand geübt, mal in der U-Bahn, mal zuhause am Schreibtisch. „Die Trainingseinheiten lassen sich gut zwischendurch einschieben“, sagt sie. Eine Lektion dauert bei Heku IT etwa zehn Minuten und besteht aus acht Übungen. Danach verordnet die App ihrem Nutzer eine 25-minütige Pause.
Tipp: Nehmen Sie sich ein Beispiel an der App. Beim Üben des schnellen Lesens sind Pausen wichtig.
Die Unterbrechungen fand Wolter schade, so viel Spaß hatte sie. Besonders gern begab sie sich auf „Wortsuche“. In kurzen Texten ging es darum, auf Tempo ein bestimmtes Wort zu finden.
Weiteres Schmankerl beim Testsieger ist seine Statistikfunktion. Nutzer können ihre Lernkurve zu einzelnen Übungen abrufen. „Das hat mich motiviert, besonders wenn die Kurve steil nach oben ging“, sagt Wolter. Und das tat sie: Die Psychologin liest jetzt um 37 Prozent schneller als zu Beginn des Trainings.
„Ich habe Vertrauen, dass ich bei hohem Tempo das Wesentliche erfasse“, lautet Caro Wolters Bilanz. Sie übt weiter fleißig. Das Schnelllesen, so ihr Ziel, soll in Fleisch und Blut übergehen. Auch bei Marina Pauly ist es noch keine Routine. Ihr Training hat wenig Anreize zum Weitermachen gegeben. Sie will auf die App umsteigen.
* Name von der Redaktion geändert.
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