Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins gesenkt – auf historisch niedrige 0,5 Prozent. test.de sagt, was das für Verbraucher bedeutet. Erfahrungsgemäß sinken die Zinsen für Tagesgeld und Festgeld relativ schnell. Bis die Zinssenkung auch bei den Kreditzinsen ankommt, kann es aber noch eine Weile dauern – wenn sie überhaupt dort ankommt.
Private Kredite könnten günstiger werden
Wer sein Konto überzogen hat, zahlt – vielleicht – bald weniger Zinsen. Einige Banken haben die Höhe ihrer Dispozinsen fest an den Zinssatz der EZB oder den Interbankensatz Euribor gekoppelt. Sie werden die Zinsen nun senken. Die meisten Banken allerdings haben keine solche verbindliche Zinsanpassungsklausel. Ob sie niedrigere Leitzinsen weitergeben, können Sie selbst entscheiden. Außerdem sind Dispozinsen zum Teil immer noch extrem hoch. Daran ändert auch der Viertelprozentpunkt, den die EZB jetzt abgesenkt hat, nicht viel. Dispokredite sind die teuersten Kredite überhaupt. Im Test Dispozinsen (Finanztest 11/2012) verlangten die Banken im Schnitt 11,76 Prozent. In der Spitze lag der Zinssatz sogar über 15 Prozent.
Tipp: Statt Ihr Girokonto dauerhaft zu überziehen, sollten Sie besser einen Ratenkredit abschließen. Der ist deutlich günstiger und kann effektiv sogar unter unter 4 Prozent pro Jahr liegen. Hier finden Sie einen Überblick über die Konditionen.
Bauzinsen bleiben niedrig
Freuen dürfen sich alle, die eine Immobilie kaufen wollen. Die Bauzinsen sind jetzt schon auf historisch niedrigem Niveau. Für Baukredite mit 20jähriger Zinsbindung müssen Häuslebauer noch nicht einmal mehr 3 Prozent pro Jahr bezahlen, wie der aktuelle Test Immobilienfinanzierung zeigt. Das günstigste Angebot lag zuletzt bei 2,95 Prozent pro Jahr. Die Zinssenkung der EZB muss zwar nicht zwangsläufig dazu führen, dass Baugeld noch billiger wird. Doch potenzielle Kreditnehmer müssen in absehbarer Zeit zumindest keine Verteuerung fürchten.
Tipp: Wenn Sie sich überlegen, eine Immobilie zu kaufen, dann lassen Sie sich Zeit. Sie brauchen nichts zu überstürzen. Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass die Bauzinsen bald steigen. Wenn Sie sich für den Kauf entscheiden, achten Sie auf eine lange Zinsbindung.
Zinssenkung heißt Frust für Sparer
Anleger von Tagesgeld und Festgeld warten schon länger und mittlerweile ungeduldig darauf, dass die Zinsen endlich wieder steigen. Jetzt müssen sie sich mit noch niedrigen Zinsen zufrieden geben. Einige Anbieter haben die Zinsen für kurzfristige Geldanlagen bereits im Vorfeld des EZB-Zinsentscheids gesenkt. Der Spitzenreiter aus dem Zinstest, die RaboDirect, hatte seine Zinsen schon vor zwei Monaten gesenkt. Er bot zu Jahresbeginn auf Tagesgeld noch eine Rendite von 2,02 Prozent pro Jahr. Bis Mitte April lag die Rendite noch bei 1,87 Prozent pro Jahr. Nun ist sie abermals gesunken – auf dürre 1,66 Prozent.
Wenn Festgeld – dann sofort
Die Zinsen von Tagesgeld können sich täglich ändern. Anleger mit Festgeld haben dagegen die Möglichkeit, sich einen Zinssatz auf ein oder mehrere Jahre festzuschreiben. Für eine Anlagedauer von drei Jahren gibt es aktuell in der Spitze noch 2,25 Prozent pro Jahr. Für vier und fünf Jahre Laufzeit finden Sparer sogar noch Angebote von 2,5 und 2,55 Prozent. Doch Anleger sollten gut überlegen, ob sie sich in Niedrigzinsphasen so lange festlegen möchten.
Tipp: Wenn Sie sich Sparzinsen auf zwei, drei Jahre sichern wollen, müssen Sie sich beeilen und möglichst bald abschließen. Noch haben viele Banken ihre Zinsen nicht im selben Umfang gesenkt wie die EZB den Leitzins. Es könnte deshalb sein, dass es bald noch weniger Zinsen für Festgelder und Sparbriefe gibt. Die frisch aktualisierten Konditionen für Tagesgeld, Festgeld und Sparbriefe finden Sie ab Dienstag im Produktfinder Zinsen.
Rentenfonds profitieren
Wer Rentenfonds Euro besitzt, kann sich hingegen über die neuerlichen Zinssenkungen freuen. Rentenfonds Euro kaufen Anleihen von Staaten und Unternehmen. Zum großen Teil investieren sie das Geld der Anleger Bundeswertpapiere. Die Renditen der Bundeswertpapiere sind im Zuge der EZB-Zinssenkung weiter gefallen – für Anleihen mit zehnjähriger Restlaufzeit sanken die Renditen nach der Entscheidung der EZB zeitweise auf 1,16 Prozent pro Jahr. Wer jetzt Bundesanleihen kauft, bekommt nur so wenig dafür. Rentenfonds Euro hingegen, die alte, besser verzinste Anleihen im Bestand haben, verbuchen nun Kursgewinne. Je niedriger die Renditen aktuell fallen, desto höher steigen die Kurse der alten Anleihen. Die besten Rentenfonds Euro aus dem Test von Finanztest haben aus diesem Grund in den vergangenen zwölf Monaten zum Teil Renditen von mehr als 9 Prozent eingefahren. Seit Ende 2007, dem Beginn des Untersuchungszeitraums, haben die Fonds um über 7 Prozent pro Jahr zugelegt – und das mit sicheren Zinspapieren.
Tipp: Rentenfonds Euro eignen sich als sichere Grundlage für ein Depot – sofern Sie längerfristig anlegen wollen. Solange die Zinsen noch weiter sinken, dürfen Sie mit diesen Fonds höhere Renditen erwarten als mit Tagesgeld oder Festgeld. Aber aufgepasst: Wenn die Zinsen eines Tages steigen sollten, geht es in die andere Richtung. In diesem Fall würden die Kurse der Anleihen und damit auch die Preise der Rentenfonds sinken. In der Vergangenheit war diese Verlustphase nie von langer Dauer. Spätestens nach einem Jahr lagen die Fonds wieder im Plus. Wie hoch Verluste ausfallen und wie lange solche Verlustphasen dauern, hängt allerdings davon ab, wie stark die Zinsen steigen – was niemand voraussagen kann.
Auch an Aktienfonds denken
Die Zinssenkung soll helfen, die schwache Konjunktur vor allem in den südeuropäischen Krisenstaaten wieder anzukurbeln. Bislang geben die dortigen Banken die niedrigen Zinsen allerdings kaum an ihre Kunden weiter. Kredite sind teuer und für die Unternehmen nur schwer zu bekommen. Das billige Geld fließt unter anderem in Aktien, deren Kurse dadurch steigen können. Das könnte Aktien oder Aktienfonds interessant machen. Allerdings sollten Anleger ungeachtet dieser kurzfristigen Entwicklungen immer eine Anlage in Aktien oder Aktienfonds erwägen. Aktien bieten höhere Renditechancen als Zinsanlagen. Als Sachwerte können sie das Vermögen zudem vor Inflation schützen. Allerdings sind Aktien keine sichere Geldanlage. Vielmehr können ihre Kurse stark schwanken.
Tipp: Wenn Sie längerfristig anlegen möchten, sollten Sie immer auch an Aktien denken. Als Grundlage für ein Depot sind breit streuende Fonds wie Aktienfonds Welt oder Europa am besten geeignet. Die Anlage-Experten von der Stiftung Warentest haben sogenannte Pantoffel-Portfolios entwickelt, mit denen sich Anleger ganz bequem ein Depot aus Aktien- und Rentenfonds bauen können – ohne viel Aufwand und mit überschaubarem Risiko bei langfristigem Investment.
Immerhin: Auch die Teuerungsrate sinkt
Trost für Sparer: Nicht nur die Zinsen sind gesunken, sondern auch die Inflationsrate. Im April betrug die Teuerungsrate in der Europäischen Union 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Trotzdem machen Anleger mit ihren Sparanlagen oftmals einen realen Verlust. Realer Verlust heißt ganz generell: Von den Zinsen bleibt nach Abzug der Inflation nichts übrig. Und konkret heißt „realer Verlust“ derzeit: Wer weniger als 1,2 Prozent Zinsen von seiner Bank bekommt, verliert unterm Strich Geld.