
27 000 Anleger, die in Schuldverschreibungen der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig-West AG investiert haben, sind wohl um mindestens 200 Millionen Euro geschädigt worden. Die Leipzig- West AG, vor deren hochriskanten Schuldverschreibungen Finanztest Anleger seit 1999 immer wieder warnte, ist pleite. Sie hat am Montag beim Amtsgericht Insolvenzantrag gestellt.
Vorläufiger Insolvenzverwalter prüft Vermögen
Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde der Leipziger Rechtsanwalt Lucas Flöther eingesetzt. Er prüft derzeit, wie viel Anlegergeld noch zu retten ist. Insgesamt sollen Anleger zwischen 300 und 500 Millionen Euro in Schuldverschreibungen der Leipzig-West AG investiert haben. Das Immobilienvermögen der Gesellschaft wird allerdings nur auf etwa 100 Millionen Euro geschätzt. Sollte der Insolvenzverwalter bei der Leipzig-West AG noch Gelder sicherstellen können, werden diese nach Abschluss der Insolvenzverfahrens anteilig an geschädigte Anleger verteilt. Bis es möglicherweise dazu kommt, vergehen aber meist ein bis fünf Jahre.
Was Geschädigte tun können
Geschädigte Anleger der Leipzig West müssen ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Der Insolvenzverwalter verschickt automatisch Formulare an alle Leipzig-West-Anleger, in die die Geschädigten ihre Forderungen eintragen müssen. Darüber hinaus sollten Geschädigte aber auch prüfen, ob sie von anderen Verantwortlichen Schadenersatz beanspruchen können. Denkbar sind etwa Ansprüche gegen Prospektherausgeber, Wirtschaftsprüfer und Vermittler. Gegen Vermittler und Verantwortliche der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig-West AG sind Schadenersatzansprüche gleich aus mehreren Gründen denkbar: etwa, wenn Vermittler beim Verkauf der Schuldverschreibungen verschwiegen haben, dass Finanztest und anderen Publikationen seit Jahren vor der Anlage gewarnt hatten. Zur Überprüfung dieser Ansprüche sollten Geschädigte einen auf Kapitalanlagebetrug spezialisierten Rechtsanwalt aufsuchen.
Warnungen seit 1999
Finanztest wies seit 1999 immer wieder auf die hohen Risiken der Leipzig-West Schuldverschreibungen hin. Schon damals war das „windige Papier“ der Leipzig-West AG, für das es 6,5 Prozent Zinsen im Jahr geben sollte, mit unseriösen Versprechen verkauft worden. So warb die Gesellschaft mit der „Beteiligung der Stadt Leipzig“ für den Verkauf der Papiere. Dadurch entstand bei vielen Anlegern der Eindruck, die Stadt würde bei Verlusten einspringen. Doch dies war nicht der Fall. Die Stadt Leipzig forderte die Wohnungsbaugesellschaft auf, die unseriöse Werbung zu unterlassen. Ein Vertreter der Stadt erklärte damals, die Stadt sei nicht beteiligt. Die Sparer bekämen ihr Geld auf keinen Fall aus dem Stadtsäckel erstattet, wenn die private Wohnungsbaugesellschaft zahlungsunfähig werden sollte.
Staatsanwaltschaft prüft Insolvenzverschleppung
Die Staatsanwaltschaft wird untersuchen, ob die Gesellschaft sich der Insolvenzverschleppung schuldig gemacht hat. Bereits seit Dezember 2005 zahlte die Leipzig West fällige Schuldverschreibungen nur noch zögerlich zurück oder gar nicht mehr. Geld erhielten in den letzten Monaten fast nur noch Anleger, die die fälligen Rückzahlungen mithilfe eines Rechtsanwalts einforderten. Noch im Januar 2006 begründete der Kundenservice der Gesellschaft Zahlungsverzögerungen und -ausfälle mit Computerproblemen. Gegenüber Finanztest erklärte ein Mitarbeiter, die Probleme seien in Kürze behoben. Das stimmte offensichtlich nicht. Da die Gesellschaft zuletzt sogar Anlegern, deren Schuldverschreibungen zur Rückzahlung fällig waren, den Kauf neuer Papier anbot, liegt der Verdacht nahe, dass hier mit einem Schneeballsystem gearbeitet wurde. Das konnte allerdings zum Schluss nicht mehr funktionieren. Die Warnungen vor den Papieren häuften sich bereits in der Fachpresse. Pierre Klusmeyer, Vorstand der Leipzig-West, verweigerte uns damals jegliche Auskünfte. Das veranlasste Finanztest erneut zu einer massiven Warnung vor den Inhaberschuldverschreibungen der Leipzig-West AG.
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