
Die Sparkasse Werra-Meißner hat im Streit um Lehman-Zertifikate vor dem Oberlandesgericht Frankfurt eine Niederlage erlitten. Sollte sich herausstellen, dass sie einen Kunden beim Vertrieb der Zertifikate nicht über einen sogenannten Marketingzuschuss informiert hat, werden 46 000 Euro Schadenersatz fällig. Den Zuschuss für die Sparkasse gab es von der Landesbank. Auch andere Kunden des Instituts haben jetzt gute Chancen auf Schadenersatz für Verluste mit Lehman-Zertifikaten.
Marketingzuschuss von der Landesbank
Über 60 Jahre war Heinrich S.* Kunde der Sparkasse im nordöstlichen Hessen. Im Jahr 2007 kaufte er auf Empfehlung seines Anlageberater 46 Alpha-Express-Zertifikate der Lehman Brothers für jeweils 1 000 Euro. Zusätzlich zahlte er 1,0 Prozent Provision. Weitere 4,7 Prozent, also 2 162 Euro erhielt die Sparkasse von der Landesbank Hessen-Thüringen als „Marketingzuschuss“. Als Lehman Brothers im Herbst 2008 insolvent wurden, verloren die Zertifikate ihren Wert. Heinrich S. forderte Schadenersatz.
Zertifikate in Kommission
Gut für den Anleger: Anders als viele andere Geldinstitute hatte die Sparkasse Werra-Meißner die Zertifikate nur in Kommission genommen und nicht selbst erworben. Sie musste den Anleger daher nach Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt über den „Marketingzuschuss“ informieren, den ihr die Landesbank Hessen-Thüringen zahlte. Kunden müssen wissen, wie sehr die Sparkasse selbst von ihrer Anlageempfehlung profitiert, argumentiert das Oberlandesgericht Frankfurt. Die Sparkasse behauptet: Ihr Anlageberater habe Heinrich S. vollständig und auch über den Marketingzuschuss aufgeklärt.
Noch keine Verjährung
Das Landgericht Kassel muss den Fall jetzt neu aufrollen und den Sparkassenberater von Heinrich S. als Zeugen vernehmen. Die Richter dort hatten die Klage von Heinrich S. zunächst abgewiesen. Sie hielten seine Schadenersatzforderung nach Regelungen im Wertpapierhandelsgesetz für verjährt. Stimmt nicht, urteilte jetzt das Oberlandesgericht Frankfurt. Wenn die Sparkasse den Marketingzuschuss tatsächlich verschwiegen habe, sei das vorsätzlich geschehen. Die Verjährung richtet sich dann nach den Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch und beginnt überhaupt erst, wenn Kunden von dem Marketingzuschuss erfahren.
Chance für zahlreiche Kunden
Die Beweislast trägt die Sparkasse. Sie muss nachweisen, dass sie Heinrich S. über den Marketingzuschuss informiert hat. Gelingt ihr das nicht, muss sie Schadenersatz leisten. Chancen auf Schadenersatz haben nach dem Richterspruch alle Kunden der Sparkasse Werra-Meißner, die auf deren Rat hin Lehman-Zertifikate gekauft und damit Verluste erlitten haben. Wie viele das sind, ist unklar. test.de hat bei der Sparkasse nachgefragt, aber bisher keine Antwort erhalten. Das Geldinstitut hat eine Bilanzsumme von fast 1,8 Milliarden Euro, 17 Filialen und beschäftigt rund 400 Mitarbeiter.
Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 28.01.2014
Aktenzeichen: 25 U 12/13
Klägervertreter: Rechtsanwalt Wolfgang Benedikt-Jansen, Frankenberg
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