Kunden, die ihre Lebensversicherung verkaufen wollen, haben es schwer. Finanztest hat Anbieter befragt und Angebote eingeholt. Auf dem Markt tummeln sich viele dubiose Firmen.
Zum Thema Lebensversicherung bietet test.de einen aktuelleren Test: Lebensversicherung.
Claudia Schramm hat wieder Hoffnung. „Wenn ich jetzt wenigstens einen Teil meines Geldes zurückbekäme, wäre ich froh“, sagt sie. Im Jahr 2008 verkaufte sie ihre Lebensversicherung an das Unternehmen Dr. Mayer & Cie. GmbH. Einen Teil des Geldes bekam sie gleich nach Vertragsschluss. Der Rest von mehr als 9 000 Euro sollte verzinst und in jährlichen Raten über 14 Jahre lang ausgezahlt werden.
Doch schon die zweite Rate zahlte Dr. Mayer nicht mehr. Erst wurden Schramm und viele weitere Kunden vertröstet, dann tauchte die Geschäftsführerin der Firma, Christina Simon, unter. Sie hatte die Policen beim Versicherer gekündigt und war mit dem Geld verschwunden.
Im November 2011 wurde Simon in Holland verhaftet. Journalisten des Westdeutschen Rundfunks hatten sie aufgespürt und der Polizei den Tipp gegeben.
Claudia Schramm und hunderte weiterer Kunden hoffen nun auf Rückzahlung ihres Geldes. „Rund 350 Strafanzeigen gegen die Firma gibt es“, sagt Oberststaatsanwalt Robert Deller von der zuständigen Staatsanwaltschaft Aachen. Den Gesamtschaden beziffert er auf mehr als eine Million Euro.
Absurde Zusage von Flex und Fair
Andere Firmen sind weiterhin mit dubiosen Angeboten aktiv. So zahlt auch die Firma Flex und Fair GmbH Kunden den kleineren Teil des Kaufpreises sofort, den größeren Teil soll der Kunde über Jahre in monatlichen Raten verteilt bekommen.
Finanztest liegt ein Vertragsangebot vor, das von 2011 bis 2021 kalkuliert ist. Der Kunde soll bis dahin rund 900 Euro mehr bekommen als den Rückkaufswert der Police von 8 700 Euro. Flex und Fair versteigt sich ferner zu der absurden Zusage: „Vorbehaltlich der erneuten Bestätigung durch den/die 2021 tätigen Geschäftsführer der Flex und Fair GmbH kann als Bonus eine einmalige Abschlusszahlung in Höhe von 4 106,02 Euro erfolgen.“ Doch was, wenn dem Geschäftsführer im Jahre 2021 gerade nicht danach ist zu zahlen?
Die Ursprungsidee war gut
Unsere Beispiele zeigen: Kunden, die ihre Lebensversicherung verkaufen möchten, sollten sich die Angebote genau anschauen. Viele Firmen sind vom Ursprung des Lebensversicherungsaufkaufs ganz abgerückt.
Die ursprüngliche Idee hat 1999 zuerst die Firma Cashlife umgesetzt: Die Käufer von Lebensversicherungen zahlen dem Kunden ein paar Prozent mehr als den Rückkaufswert, den er bei Kündigung von seinem Versicherer bekäme. Sie bieten mehr Geld, weil sie die Lebensversicherung selbst weiterführen und so den Teil des Gewinns einstreichen, der nur fällig ist, wenn der Vertrag durchgehalten wird. Einen kleinen Teil dieses Gewinns bekommt der Kunde, der ihnen die Police verkauft hat, als Aufschlag.
Dieses Geschäftsmodell ist auch für Kunden vorteilhaft. Cashlife verfolgt es nach wie vor, ebenso wie andere im Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL) organisierte Unternehmen. Doch es funktioniert nicht mehr so wie früher.
Im Jahr 2007 kauften die BVZL-Mitgliedsunternehmen noch Policen im Wert von 1,4 Milliarden Euro, 2011 waren es nur noch Verträge im Wert von 200 Millionen Euro.
Grund für den Rückgang ist die Flaute am Kapitalmarkt. Die Zweitmarkt-Firmen bündeln die aufgekauften Policen, damit Anleger darin investieren. Doch dieses Geschäft, mit dem die Firmen früher gut verdient haben, ist nicht mehr gefragt. Zwar lief es zuletzt wieder etwas besser, doch das einstige Ankaufsvolumen wird wohl nicht wieder erreicht. Keiner der Policenfonds hat am Kapitalmarkt die Erwartungen erfüllt. Für die Kunden ist es nun viel schwieriger geworden, ihre Lebensversicherung an die alteingesessenen Aufkäufer zu verkaufen.
Cashlife will unsere Testpolicen nicht
Cashlife wollte auch die Policen nicht kaufen, die unsere Tester der Firma anboten. Das Unternehmen wollte nicht einmal eine Police der Allianz übernehmen, die mit einem aktuellen Rückkaufswert von gut 30 325 Euro deutlich mehr wert war, als von den Aufkäufern gefordert (siehe Tabelle).
Policen Direkt bot 30 550 Euro. Dies war das einzige Angebot von einer der Firmen, die mehr als den Rückkaufswert und den Kaufpreis in einer Summe zahlen.
In die Lücke, die traditionelle Aufkäufer gelassen haben, sind Firmen gestoßen, die den vollen Kaufpreis nicht auf einen Schlag, sondern in zwei oder mehreren Raten über Jahre verteilt zahlen. Meist kündigen sie die Police gleich nach dem Kauf. Das Geld investieren sie dann beispielsweise in einen geschlossenen Immobilienfonds.
Auch Hartmut John verkaufte seine Lebensversicherung 2010 an ein Unternehmen, das den Kaufpreis in zwei Raten auszahlt: die S&K Real Estate Value GmbH. Den kleineren Teil überwies die Firma gleich nach Vertragsschluss. Der viel größere Restbetrag wird erst acht Jahre später fällig.
S&K Real Estate kassiert Steuervorteil
Der Verkauf seiner Police war für John steuerfrei, denn sie lief seit mehr als zwölf Jahren (mehr zu Steuerregeln beim Verkauf unter www.test.de/lv-zweitmarkt). Doch der Käufer einer Lebensversicherung muss den Kauf immer mit dem Finanzamt abrechnen – egal wie lange der Vertrag gelaufen ist. Deshalb zieht der Versicherer vom Rückkaufswert gleich die Kapitalertragsteuer und den Solidaritätszuschlag ab. In Johns Fall waren dies mehr als 1 900 Euro.
Dieses Geld wollte sich John vom Finanzamt erstatten lassen. Als er seine Versicherungsgesellschaft Generali um eine Bescheinigung über die abgeführten Steuern bat, bekam er zur Antwort: „Sie haben alle Rechte und Ansprüche verkauft.“ Nur S&K selbst könne sich die Steuer erstatten lassen.
Fälle wie diesen kennt BVZL-Vorstandsmitglied Ingo Wichelhaus: „Solche Firmen kündigen dann den Vertrag und zahlen dem Verkäufer einen Kaufpreis auf Basis des Betrags, den der Versicherer ihnen auszahlt. Was der Verkäufer nicht weiß: Nach einem Verkauf behält der Versicherer immer Kapitalertragsteuer ein, immerhin bis zu 10 Prozent vom Rückkaufswert, unabhängig davon, ob die Police vorher steuerfrei war.“
Bestimmte Policenkäufer machten sich die Unwissenheit der Verkäufer zunutze, sagt Wichelhaus. Diesen werde die Steuer komplett vom Kaufpreis abgezogen, obwohl der Käufer ihrer Versicherung das Geld durch Verrechnung mit der Körperschaftssteuer wieder erstattet bekomme.
Der Steuerabzug vom Auszahlungsbetrag der Versicherung wird im Kaufvertrag nur im Kleingedruckten erwähnt. So war es auch im Fall von Hartmut John. Erst als er sich an die Presse wandte, gab die S&K Real Estate Value GmbH nach.
„Rein kulanzhalber“, so der Geschäftsführer, erstatte die Frankfurter Firma John die Steuer. Johns Lehre aus dem Verkauf ist eindeutig: „Ich würde es nicht wieder machen.“
Unseren Fragebogen beantwortete S & K nicht. Das Unternehmen ließ stattdessen durch seinen Anwalt mitteilen, es habe „den Ankauf von Lebensversicherungspolicen bereits Ende 2010 eingestellt“.
Besucher der S& K-Internetseite werden weitergeleitet zur Asset Trust AG. Sie wurde just Ende 2010 gegründet, hat die gleiche Postanschrift und Telefonnummer wie die S & K – und kauft Lebensversicherungen.
Proconcept kassiert hohe Gebühren
Auch in den Vertragsbedingungen der Firma Pacta Invest steht, dass vom „aktuellen Wert des Vertrages“ die „anfallende gesetzliche Quellensteuer“ abgezogen wird.
Und in den Bedingungen der Firma Proconcept, die unter den Namen LV-Doktor und AnkaufPlus Policen kauft, heißt es, der Kaufpreis richte sich nach dem „Netto-Auszahlungsbetrag, nach Abzug von Steuern, Abgaben und Gebühren“. Die im Schweizer Steuerparadies Zug ansässige Proconcept AG berechnet ihren Kunden 87,50 Euro „Kündigungsgebühr“.
Proconcept sagt den Kunden zu, beim Versicherer eine höhere Auszahlung als den Rückkaufswert herauszuholen. Die Idee der Firma: Die Versicherer hätten gegen europäisches Recht verstoßen, weil die Kunden erst nach Vertragsschluss die Bedingungen einsehen konnten. Um mehr Geld herauszuholen, klagt die Firma vor Gericht. Im Erfolgsfall soll der Kunde je nach Vertrag mit 25 Prozent oder mit 50 Prozent an allen „künftigen Erstattungen“ des Versicherers beteiligt werden. Der andere Teil fiele an Proconcept.
Wählt der Kunde eine 50-prozentige Beteiligung, muss er zusätzlich zur Kündigungsgebühr noch einmal 300 Euro Kostenbeteiligung an Proconcept zahlen. Ob der Versicherer jedoch überhaupt „Erstattungen“ über den Rückkaufswert hinaus leisten muss, ist ungewiss. Die Kunden sind ihre Police in jedem Fall los – „unwiderruflich“, so steht es im Kaufvertrag.
Wir wollten den Kaufpreis in einer Summe und mehr als den Rückkaufswert. Nur eine einzige Firma machte unseren Testern so ein Angebot.