
Auch lange nach dem Vertragsende können Kunden vielen Lebens- und Rentenversicherungsverträgen noch widersprechen, wenn diese eine fehlerhafte Belehrung enthalten. Tausende Euro Nachschlag sind drin. Wir erklären die Rechtslage und erklären Schritt für Schritt, wie Sie vorgehen, wenn Versicherer Ihren Widerspruch nicht akzeptieren. Anhand zweier Beispielfälle zeigen wir, wie viel mehr Geld Kunden gegenüber dem Rückkaufswert nach einem Widerspruch schon erhalten haben.
BGH: Kunden können auch heute noch widersprechen
Auch wenn es den Versicherern nicht gefällt: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) können Kunden ihren zwischen 1994 und 2007 geschlossenen Lebens- und Rentenversicherungsverträgen mit fehlerhaften Belehrungen auch heute noch widersprechen (Urteil vom 7. Mai 2014, Az. IV ZR 76/11). Das gilt für noch laufende, bereits gekündigte oder regulär abgelaufene Lebens- und Rentenversicherungsverträge und auch für Riester- und Rürup-Rentenversicherungen.
Ein Widerspruch bringt meist mehr Geld als eine Kündigung
Ist ein Widerspruch erfolgreich, muss der Versicherer abzüglich der Beiträge für den „genossenen Versicherungsschutz“ alle Einzahlungen inklusive der hohen Abschluss- und Verwaltungskosten komplett erstatten. Dazu gehören auch die Zinsen, die sie mit den eingezahlten Beiträgen erwirtschaftet haben. Das ist meist weit mehr als Kunden nach einer Kündigung zurückerhalten.
Viele Millionen Verträge betroffen
Die Chance auf Widerspruch haben viele Kunden, die zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 Verträge nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen haben. Bei ihnen waren Urteilen des BGH zufolge oft die Belehrungen falsch oder es fehlten notwendige Vertragsunterlagen. In diesen Fällen, in denen die Gesellschaften die Unterlagen erst später zusammen mit dem Versicherungsschein (Police) übergaben, hat die Widerspruchsfrist oft nie begonnen. Nach Angaben der Allianz sind theoretisch über 100 Millionen Verträge betroffen, in die Kunden rund 400 Milliarden Euro Beiträge einegezahlt haben.
Beispiel für eine falsche Belehrung
In den Verträgen heißt es zum Beispiel: „Wie Ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen [Anmerkung der Redaktion: nach 2004 innerhalb von 30 Tagen] nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt eine rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“ Das reichte den Richtern nicht. Es fehle der notwendige Hinweis darauf, dass der Widerspruch in Textform zu erheben sei. Außerdem müsse die Belehrung optisch deutlich hervorgehoben sein. Ist der Beginn der Widerrufsfrist nicht angegeben, gibt es ein ewiges Rücktrittsrecht.
Ohne Hilfe von Profis geht es nicht
Versicherte, die ihren noch laufenden, bereits gekündigten oder längst ausgezahlten Verträgen widersprechen wollen, sollten sich Hilfe von Profis holen. Den Widerspruch auf eigene Faust durchzusetzen, ist ziemlich kompliziert. Besser ist es, einen auf den Widerspruch von Versicherungsverträgen spezialisierten Anwalt, die Verbraucherzentrale Hamburg oder einen Dienstleister mit der Prüfung der Verträge zu beauftragen. Kunden, die nicht rechtsschutzversichert sind, sollten vor einem Widerspruch alle Kosten erfragen. Häufig lassen sich Ansprüche nur gerichtlich durchsetzen.