
Die Verbraucherzentrale Hamburg hat die Nachzahlungen für Lebensversicherungskunden erstritten. Edda Castelló leitet dort die Abteilung Recht und Finanzdienstleistungen.
Zahlen die Versicherer zügig das Geld nach, das sie ihren Kunden schulden?
Castelló: Die Versicherer zahlen zäh und zähneknirschend. Und es gibt große Unterschiede: Die Allianz ist relativ fix. Ergo ist offenbar noch dabei, Rechenprozeduren zu entwickeln.
Wie viel Geld bekommen die einzelnen Kunden?
Castelló: Der kleinste Betrag, der unseres Wissens nachgezahlt wurde, waren 17 Cent (PB Versicherung), der größte 22 000 Euro (Allianz). Der Allianz-Kunde hatte einen Einmalbetrag von knapp 53 000 Euro eingezahlt und nach seiner Kündigung nur 5 000 Euro zurückbekommen. Mit der Nachzahlung hat er nun am Ende 27 000 Euro erhalten.
Teure Versicherer haben nach Vertragskündigung allein mehr als 2 000 Euro Stornogebühr für einen Vertrag kassiert, beispielsweise HDI oder Skandia. Dieses Geld müssen sie den Kunden nun ebenfalls erstatten.
Wie können Kunden feststellen, ob die Nachzahlung korrekt ist?
Castelló: Die Kunden müssen – grob gesagt – die Hälfte ihrer bis zur Kündigung oder bis zur Beitragsfreistellung gezahlten Beiträge bekommen plus den Stornoabzug, den die Versicherer zu Unrecht einbehalten haben. Doch der Stornoabzug ist kaum nachzuvollziehen. Das macht das Nachrechnen schwierig. Fast immer lassen die Versicherer auch die Verzugszinsen unter den Tisch fallen. Die Zinsen sind sie den Kunden ebenfalls schuldig, weil sie die Nachzahlung erst jetzt, lange nach Vertragsbeendigung, leisten.
Wie läuft die Nachzahlung bei Kunden, die ihren Vertrag beitragsfrei gestellt haben?
Castelló: Das Versicherungsunternehmen muss den Wert des Vertrags neu berechnen. Die Kunden sollten die Standmitteilung für 2012, die jetzt bald kommt, mit der aus dem Vorjahr vergleichen. Die beitragsfreie Versicherungssumme muss sich deutlich erhöht haben.
Der Bundesgerichtshof hat nur eine Handvoll Versicherer verurteilt. Was ist mit den anderen Unternehmen?
Castelló: Die BGH-Urteile gelten auch für die meisten anderen Versicherer, denn ihre Klauseln waren identisch mit denen der verurteilten Unternehmen. Es kommt also nicht darauf an, welche Versicherer verurteilt worden sind, sondern entscheidend ist, ob ein Unternehmen die beanstandeten Vertragsbedingungen verwendet hat. Auch in Verträgen, die 2008 und später geschlossen worden sind, haben Versicherer noch die unzulässigen Stornoklauseln verwendet. Für diese Verträge gilt ebenfalls: Kunden, die gekündigt haben oder keine Beiträge mehr zahlen, bekommen Geld. Oft enthielten die Verträge jedoch teure Zusatzversicherungen. Dadurch wurde viel vom Beitrag verzehrt, und der Kunde bekommt kaum etwas nachgezahlt.
Wie reden sich Versicherer heraus, wenn sie nicht zahlen wollen?
Castelló: Versicherer wie Clerical Medical sagen: Unsere Klauseln sind völlig transparent. Doch sie übersehen, dass der BGH auch die materielle Ungerechtigkeit beanstandet hat und die Klauseln schon deswegen unzulässig sind. Wenn bei einer Kündigung im Prinzip null herauskommen kann, dann sind Klauseln auch dann ungültig, wenn dort mehr oder weniger „transparent“ gesagt wird, dass der Kunde nichts oder nur ganz wenig herausbekommen kann.
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