Die Versicherer müssen ihren Ex-Kunden einen Nachschlag zahlen. Doch oft bleiben sie eine klare Abrechnung schuldig.

Jan Dresens Kampf hat sich gelohnt: Der Einkäufer im Baustoffhandel hat 3 600 Euro Nachschlag auf die erste Auszahlung seines Versicherers bekommen.
Jan Dresen hat 3 600 Euro Nachschlag bekommen. Er war Kunde des Versicherers Deutscher Ring, der inzwischen Basler heißt. Dort hatte Dresen 14 293 Euro Beiträge in eine private Rentenversicherung eingezahlt. Als er nach gut sieben Jahren im November 2011 kündigte, zahlte ihm der Versicherer als Rückkaufswert nur knapp 3 467 Euro aus. Das waren 10 826 Euro weniger, als der Kunde eingezahlt hatte.
Nun hat das Unternehmen nachgezahlt. „Jetzt habe ich knapp die Hälfte meiner Beiträge wieder heraus“, sagt Dresen.
Deutscher Ring sowie Ergo, Generali und Signal Iduna wurden vom Bundesgerichtshof (BGH) zu Nachzahlungen verurteilt, weil sie ihren Kunden die gesamte Provision für die Vermittler gleich von den ersten Beiträgen abgezogen haben. Die Kunden bekamen nach einer vorzeitigen Kündigung nur einen geringen oder sogar gar keinen Rückkaufswert. Dieser Praxis schob der BGH einen Riegel vor.
Auch den Stornoabzug müssen die Versicherer ihren Kunden zurückzahlen, weil sie im Vertrag nicht klar auf die Stornokosten hingewiesen haben. Die Allianz kam einem Urteil des Bundesgerichtshofs zuvor, indem sie die Ansprüche ihrer Kunden nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart anerkannte.
Im Durchschnitt stehen jedem Kunden rund 500 Euro zu, schätzt die Verbraucherzentrale Hamburg. Wie das Beispiel Dresen zeigt, kann es aber auch um mehrere tausend Euro gehen. „Das Geld wurde überwiesen ohne weitere Erläuterungen, wie dieser Betrag zustande gekommen ist“, sagt der Einkäufer im Baustoffhandel.
Die Hälfte für den Kunden
Wie alle Kunden, die nach den Vorgaben des BGH nun mehr Geld bekommen, hat Dresen mit seinen Beiträgen zuerst die Abschlusskosten bezahlt, also vor allem die Provision für den Vermittler. In den ersten Jahren haben die Kunden daher kein Kapital angespart. Sie waren lange im Minus. Haben sie in diesem Zeitraum gekündigt, war überhaupt kein Rückkaufswert vorhanden.
Erst als die Abschlusskosten bezahlt waren, haben die Kunde langsam ein Guthaben aufgebaut. Wer zu Beginn dieser Phase kündigte, erhielt nur einen geringen Teil seiner Beiträge zurück. Jetzt müssen die Versicherer neu rechnen: Sie müssen die Abschlusskosten über mindestens fünf Jahre verteilen. Die Kosten für Versicherungsschutz und die Verwaltung des Vertrags dürfen sie wie bisher laufend abziehen.
Von dem so errechneten Betrag müssen sie dem Kunden, der vorzeitig kündigt, etwa die Hälfte zurückzahlen. Bei einer fondsgebundenen Versicherung ist es die Hälfte des Fondsguthabens. Wenn ein Kunde seinen Vertrag nicht gekündigt hat, jedoch keine Beiträge mehr zahlt, müssen die Versicherer den Nachschlag gutschreiben. Der Kunde bekommt dann am Vertragsende eine höhere Leistung.
Zusätzlich zum höheren Rückkaufswert müssen die Versicherer auch die Stornokosten erstatten und Verzugszinsen zahlen. Das Problem: Die Kunden bekommen oft keine Mitteilung darüber, wie der nachgezahlte Betrag zustande gekommen ist. Das macht es ihnen nahezu unmöglich nachzuprüfen, ob ihr Vertrag am Ende wirklich korrekt abgerechnet worden ist.
Finanztest hat bei 21 Gesellschaften nachgefragt. Signal Iduna und Zurich antworteten erst gar nicht. Das lässt nicht gerade auf eine transparente Kundeninformation schließen. Gothaer und Stuttgarter teilten uns mit, sie könnten „derzeit“ und „aktuell“ keine Angaben machen. Von den übrigen 17 sagen nur Axa, Debeka, CosmosDirekt, Generali, Nürnberger, R+V und Volkswohl Bund, dass sie Kunden auch über den Stornoabzug informieren.
Versicherer reagieren nur auf Druck
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft empfiehlt seinen Mitgliedsunternehmen, in ihren Verträgen einen Stornoabzug in Euro anzugeben. Folgerichtig wäre es allerdings, auch die ausgeschiedenen Vertragskunden darüber zu informieren.
Das Landgericht München hat bereits 2007 entschieden, dass Kunden einen „Auskunftsanspruch“ haben, der sie „in die Lage versetzt, den Rückkaufswert nachzuvollziehen und gegebenenfalls überprüfen zu können“. Das Urteil hatte die Kanzlei Klüver, Klass, Zimpel & Kollegen gegen die Bayern-Versicherung (jetzt Versicherungskammer Bayern) erstritten.
Keiner der von uns gefragten Versicherer informiert die Kunden, die in der Vergangenheit ihren Vertrag gekündigt haben und bisher noch keine Ansprüche angemeldet haben, von sich aus darüber, dass sie Anspruch auf einen Nachschlag haben. Die Kunden müssen selbst aktiv werden. Tun sie es nicht, sparen die Versicherer viel Geld.
Ebenfalls kundenunfreundlich: Nur 9 der 21 von uns befragten Versicherer haben die vom BGH schon lange beanstandeten Klauseln ab 2008 in Neuverträgen nicht mehr verwendet. Die meisten haben sie weiter benutzt. So schreibt uns der Volkswohl Bund: „Unsere Bedingungen passen wir ab März 2013 an die neuen Klauseln an.“
Die Verbraucherzentrale Hamburg hat bereits zwölf Gesellschaften aufgefordert, ihre kundenunfreundlichen Regeln zurückzunehmen und Unterlassungserklärungen abzugeben. „Wir haben aber bisher keine einzige anständige Unterlassungserklärung bekommen“, sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale. „Deshalb werden wir auch diese Versicherer verklagen.“
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