Die Reform zum 7. August kostet Lebensversicherungskunden tausende Euro. Doch bei einigen waren die Versicherer vorschnell.

Helmut Dwertmanns Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Mehr als 3 000 Euro zahlte ihm sein Versicherer, die Huk-Coburg, nach.
Dwertmanns Lebensversicherung war am 1. August 2014 abgelaufen. Der 65-Jährige aus dem niedersächsischen Nordhorn wunderte sich über den geringen Anteil des Postens „Bewertungsreserven“ am Auszahlbetrag. Er betrug laut Schlussabrechnung der Huk-Coburg 390 Euro. Im Juli 2013 hatte der Versicherer Dwertmanns Anteil noch auf rund 2 230 Euro beziffert.
Bewertungsreserven ergeben sich aus dem Wert der Kapitalanlagen eines Versicherers (siehe Grafik). Da sie vom Kapitalmarkt abhängig sind, können sie sehr schwanken. Doch die große Differenz machte Dwertmann stutzig. Er fragte nach.

Huk informierte Kunden falsch
Die Huk berief sich auf die neuen Regeln des Lebensversicherungsreformgesetzes, das die Beteiligung an den Bewertungsreserven drastisch reduziert.
Das Gesetz sei am 11. Juli 2014 „endgültig verabschiedet“ worden, schrieb die Huk an ihren Kunden. Und weiter: „Die neuen Regelungen zu Bewertungsreserven gelten ab sofort.“ Doch das war falsch.
Das Reformgesetz ist am 7. August 2014 in Kraft getreten, eine Woche nach Ablauf von Dwertmanns Versicherung. Die neuen Regeln galten für seinen Vertrag nicht. Dwertmann reklamierte per Einschreiben und bekam eine Nachzahlung.
Beim Kürzen übereifrig
Als Finanztest die Huk damit konfrontiert, antwortet ein Unternehmenssprecher: „Wir sind von einer Gesetzesänderung zum 1. August 2014 ausgegangen. Als sich abgezeichnet hat, dass dies nicht mehr eintritt, war es zu spät, um das in der elektronischen Datenverarbeitung wieder abzuändern. Wir haben also zunächst die auslaufenden Verträge zum 1. August 2014 mit Bewertungsreserven nach neuer Gesetzeslage ausgezahlt und anschließend die Differenzbeiträge unaufgefordert nachgezahlt.“
Dwertmann wundert sich: „Warum hat sich die Huk erst nach meinem Beschwerdebrief bei mir gemeldet, um den Fehler zu korrigieren?“
Versicherer Huk ist kein Einzelfall
Auch Debeka, CosmosDirekt, Axa, Alte Leipziger und Zurich Deutscher Herold zahlten weniger aus, ebenso die Provinzial Rheinland. Finanztest berichtete über einen Fall Provinzial zahlt voreilig 1 800 Euro weniger aus, Finanztest 10/2014. Erst später bekamen Kunden das fehlende Geld.
Die Debeka zahlte unserer Leserin Madeleine Presl unaufgefordert 2 830 Euro nach. Kunden von CosmosDirekt, denen nach Ablauf ihres Vertrags vor dem 7. August 2014 zu wenig ausgezahlt wurde, erhielten nach Angaben einer Unternehmenssprecherin „unaufgefordert ein zweites Schreiben, in dem ein weiterer Auszahlungsbetrag angekündigt wurde. Dieser wurde auch umgehend überwiesen“.
Mithilfe des Ombudsmanns
Unser Leser Bernhard Stuch musste den Versicherungsombudsmann einschalten. Stuch hatte seine Versicherung gekündigt, um noch nach alter Regelung an den Bewertungsreserven beteiligt zu werden. Doch die Zurich reagierte zunächst gar nicht.
Erst als sich der Ombudsmann einschaltete, bestätigte der Versicherer die Kündigung. Ihr Versäumnis begründete die Zurich gegenüber dem Ombudsmann mit „erheblich erhöhtem Arbeitsaufkommen“.
In der Schlussabrechnung bezifferte das Unternehmen Stuchs Beteiligung an den Bewertungsreserven auf 79,31 Euro. Stuch hakte nach. Dann bekam auch er eine Nachzahlung: 1 815,32 Euro. Die Zurich hatte den Vertrag nach der neuen Regelung abgerechnet, obwohl sie noch nicht in Kraft war.
Zurich-Kunde fühlt sich „verhöhnt“
Der Versicherungsombudsmann bescheinigte Stuch, dass seine „Zweifel hinsichtlich der Beteiligung an den Bewertungsreserven berechtigt“ waren. Die Zurich zahlte zwar, zeigte sich in einem Schreiben an den Ombudsmann aber wenig einsichtig: „Aus unserer Sicht ist die Beschwerde von Herrn Stuch im Wesentlichen unbegründet.“
Stuch fühlt sich „verhöhnt“. Der 51-Jährige sagt, es sei „frustrierend, dass das Unternehmen gesetzeswidrige Abrechnungen verschickt und es als unbegründet abtut, wenn Kunden Gesetzestreue einfordern“.
Pech bei Fälligkeit ab 7. August
Dwertmann, Stuch und all die anderen Kunden, deren Verträge vor dem 7. August 2014 ausgezahlt wurden, hatten Glück. Sie wurden noch nach der alten Regelung an den Bewertungsreserven beteiligt – wenn auch zum Teil erst mit Verzug.
Kunden mit Verträgen, die ab diesem Stichtag ausgezahlt werden, bekommen weniger. So wie Bernhard Krause. Seine Versicherung war am 1. September fällig. Noch im April 2014 bezifferte sein Versicherungsunternehmen, die VPV, Krauses Anteil an den Bewertungsreserven auf knapp 3 280 Euro. Diese Summe war bei der Auszahlung im September auf 862 Euro geschmolzen.
Blumige Versprechen für Neukunden

Die VPV begründet die gekürzte Auszahlung der Versicherung so: „Die Bundesregierung hat Maßnahmen getroffen, um die Lebensversicherungen im anhaltenden Niedrigzinsumfeld zu stabilisieren. Hier geht es vor allem darum, die Garantieversprechen an die Versicherten langfristig besser abzusichern und den Kunden auch künftig noch attraktive Überschussbeteiligungen bieten zu können.“ Im Klartext: Kunden, deren Verträge jetzt enden, erhalten vom Versicherer weniger, um für die verbleibenden wenigstens die Garantien zu sichern und neue Kunden mit blumigen Überschussangaben zu ködern.
Die VPV behauptet, „von den bisherigen Regelungen haben hauptsächlich Kunden profitiert, die ihre Verträge vorzeitig gekündigt haben“. Das ist Unsinn, wie die neue Auszahlungspraxis zeigt. Mit der alten Regelung waren auch die Kunden besser dran, die ihre Beiträge bis zum Ende gezahlt haben – wie Krause, der 40 Jahre lang zahlte.
Auch Falk Hauschild hat seinen Vertrag durchgehalten. Bei ihm schrumpfte der Anteil an den Bewertungsreserven innerhalb eines Monats zusammen. Anfang August nannte ihm die Generali 434,80 Euro Beteiligung an Bewertungsreserven. Einen Monat später wurde der Vertrag fällig und die Versicherungssumme ausgezahlt. Beteiligung an den Reserven: 13,30 Euro. Unserem Leser Kurt Ewald stellte die Hannoversche im Juni noch 1 091 Euro Reserven in Aussicht; im September ausgezahlt bekam er 62 Euro.
„Gewaltiger Kraftakt“ der Versicherer
Kunden sind enttäuscht über niedrigere Ausszahlungen. Deutschlands Lebensversicherer leisten unterdessen Schwerstarbeit. Sagt jedenfalls der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Alexander Erdland. Es sei für die Versicherungsunternehmen „ein gewaltiger technischer und finanzieller Kraftakt“, das Lebensversicherungsreformgesetz umzusetzen.
Das Gesetz sieht auch vor, dass der Garantiezins für neue Verträge ab 1. Januar 2015 von derzeit 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent sinkt und dass die Versicherer für die Kunden kenntlich machen müssen, wie Abschluss- und Verwaltungskosten die Rendite vermindern. Alle Änderungen müssten die Versicherer „in nicht einmal sechs Monaten“ umsetzen, stöhnt Erdland.
Zumindest die Kürzung der Beteiligung ihrer Kunden an den Bewertungsreserven haben sie schnell geschafft.
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@ apollo_2000 : Auch in der fondsgebundenen Rentenversicherung müssen die Versicherer von ihren Risikogewinnen etwas abgeben. Kunden bekommen mindestens 90 Prozent des Risikoüberschusses. Bei Rentenversicherungen entsteht so ein Überschuss, wenn die Kunden früher sterben als gerechnet. Denn die Versicherer müssen die lebenslange Rente nicht so lange zahlen wie ursprünglich kalkuliert. (maa)
Sehr geehrte Damen und Herren von Finanztest,
ist man bei einer >>Fondgebundenen Lebensversicherung<< auch mit 90 % an den Risikoüberschüssen beteiligt oder gilt diese Regelung nur für die Kapitallebensversicherung?
Vielen Dank für Ihre Antwort im Voraus!
Wir haben eine LV die jetzt im März ausbezahlt werden soll - auch bei uns sind die Bewertungsreserven drastisch gekürzt worden dies macht einen Betrag von gut 11.000,- € bei uns aus. Unsere Generalagentur hat mehereren Kunden geholfen noch vor der Umstellung aus ihren Verträgen zu kommen uns hat er leider auf Nachfrage leider VERGESSEN bzw. sagte er gegenüber der Allianz aufgrund der jährlichen Zahlungsweise war die Kündigungsfrist schon überschritten. Wir haben uns immer selber und auch immer aktiv um unsere Zahlen seitens der Versicherung kümmern müssen. In 2012 bekamen wir noch die Bewertungsreserven mitgeteilt in 2013 nicht mehr und in 2014 schon nur noch den verminderten Teil alleine das geht schon nicht weil in 2013 war das Gesetz nicht in Kraft. Die jetzt gültigen 90 % an der Risikobeteiligung haben sie jetzt bei der Abrechnung auch weggelassen. Ich kann nur raten den Ombudsmann einzuschalten bzw. die BaFin zu informieren. Bin gespannt was daraus wird. Melde mich dann noch mal.
Kommentar vom Autor gelöscht.
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