
Der Versicher Generali hat seine Lebens- und Rentenversicherungen an die Abwicklungsfirma Viridium verkauft. Die Versicherungsaufsicht Bafin hat den Verkauf am 9. April 2019 genehmigt. Damit wechseln rund vier Millionen Lebensversicherungsverträge ihren Besitzer. Viridium und die beiden anderen Abwicklungsgesellschaften Athora und Frankfurter Leben haben nun zusammen mehr als 5,4 Millionen Verträge von sieben Versicherern aufgekauft. Hier beantworten wir die wichtigsten Fragen unserer Leserinnen und Leser.
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Abwicklung von Lebensversicherungen
Drei Finanztest-Artikel als PDF. Die wichtigsten Fragen zum Thema Run-off beantworten wir hier im kostenfreien Bereich. Wenn Sie unsere bisherige Berichterstattung zum Thema im Print-Layout lesen möchten, können Sie die PDFs zu den Artikeln aus Finanztest 6/2019, 1/2018 und 11/2017 kostenpflichtig freischalten.
Ihre Erfahrungen sind wertvoll. Sie Sie Kunde eines verkauften Unternehmens? Haben Sie einst eine Lebens- oder Rentenversicherung, eine Riester- oder Rürup-Rente bei Arag, Delta Llyod, Basler, Mannheimer, Generali, Skandia oder Heidelberger Leben abgeschlossen? Wie sind Ihre Erfahrungen mit den neuen Eigentümern Frankfurter Leben, Viridium oder Athora? Werden Sie gut informiert üben den Stand Ihres Vertrages? Vertrauen Sie auf eine gute Entwicklung Ihrer Versicherung? Schreiben Sie uns bitte eine Mail an run-off@stiftung-warentest.de.
Die häufigsten Fragen von Finanztest-Lesern
- Warum verkaufen Versicherer, wie die Generali Leben, gerade jetzt ihren Kundenbestand?
- Was genau passiert bei so einem Verkauf?
- Welche Verträge sind von einem Verkauf betroffen?
- Wird die Mehrzahl der Lebensversicherer ihren Kundenbestand demnächst verkaufen?
- Ein Versicherungsunternehmen nimmt keine Kunden mehr – das klingt absurd. Einst gaben die Lebensversicherer viel Geld aus, um neue Kunden zu werben. Was hat sich in der Zwischenzeit geändert?
- Muss ich zustimmen, wenn mein Versicherer meinen Vertrag an eine andere Firma verkauft?
- Kann ich noch etwas tun, um meinen Vertrag zu optimieren?
- Was sagen Gesetzgeber und staatliche Versicherungsaufsicht zu dem Thema?
- Wie finanzieren die Run-off-Firmen meine lebenslange Rente, wenn sie immer weniger Beiträge einnehmen? Denn neue Kunden kommen ja nicht dazu.
- Wenn die traditionellen Lebensversicherer ihre Kunden loswerden wollen, warum führen die Run-off-Firmen die Verträge weiter? Wie funktioniert deren Geschäftsmodell?
- Ist kündigen eine gute Alternative, wenn ich meinen Vertrag nicht bei einem Run-off-Unternehmen fortführen will?
- Kann ich mich weiterhin an den Versicherungsombudsmann wenden, wenn ich bei einem Problem mit der Run-Off-Firma dort nicht weiterkomme?
- Gilt die alte Garantie von 3,5 Prozent noch?
Die häufigsten Fragen von Finanztest-Lesern
Warum verkaufen Versicherer, wie die Generali Leben, gerade jetzt ihren Kundenbestand?
Der italienische Versicherungskonzern Generali verkauft sein Lebensversicherungsgeschäft in Deutschland an das Abwicklungsunternehmen Viridium. Dies ist der bisher größte Verkauf eines Kundenbestands. Die Viridium-Gruppe hatte bisher rund 1 Million Verträge im Bestand und vergrößert ihn mit einem Schlag auf 5 Millionen. Viele Lebensversicherer sind unter Druck, weil es ihnen in der Niedrigzinsphase immer schwerer fällt, an den Kapitalmärkten hohe Erträge zu erzielen. Die brauchen sie, um die Leistungen erfüllen zu können, die sie in früheren Renten- und Lebensversicherungen garantiert haben.
Was genau passiert bei so einem Verkauf?
Zuerst beschließt ein Lebensversicherer, sein Neugeschäft einzustellen, er nimmt also keine neuen Kunden mehr an. Bestehende Verträge müssen aber weitergeführt werden bis zum Vertragsablauf – also bis jeder Kunde seine Kapitalleistung erhalten hat und der letzte Rentner gestorben ist. Fürs Abwickeln hat ein Versicherer zwei Möglichkeiten: Entweder er behält die Verträge im eigenen Unternehmen, bis sie abgelaufen sind, oder er verkauft sie an eine Abwicklungsgesellschaft (Run-off-Firma). Run-off heißt übersetzt Ablaufen. Auch so eine Firma untersteht der staatlichen Versicherungsaufsicht Bafin – wie alle Lebensversicherer.
Welche Verträge sind von einem Verkauf betroffen?
Übernommen werden alle Verträge, also sowohl private Renten- und Lebensversicherungen als auch Riester- und Rürup-Policen sowie Verträge für eine betriebliche Altersvorsorge.
Wird die Mehrzahl der Lebensversicherer ihren Kundenbestand demnächst verkaufen?
Das weiß noch niemand. Am Anfang waren es nur kleinere Lebensversicherer. Doch nachdem das Branchenschwergewicht Generali sich ebenfalls zu diesem Schritt entschlossen hat, werden andere Gesellschaften voraussichtlich nachziehen. Die Ratingagentur Fitch rechnet damit, dass Lebensversicherer bis 2022 ein Fünftel des Bestandes auf Halde legen und ihr Neugeschäft einstellen. Ob sie bestehende Verträge dann im eigenen Unternehmen bis zum Ablauf halten oder an eine Run-off-Firma – auch Abwicklungsfirma genannt – verkaufen, steht in den Sternen. Auch die Ergo hatte zunächst den Verkauf angekündigt, wickelt den Bestand nun jedoch selbst ab. Der Marktführer Allianz hat ausgeschlossen, dass er das Neugeschäft einstellt und bestehende Verträge abwickelt. Dies gilt auch für andere Versicherer, etwa die Nürnberger.
Ein Versicherungsunternehmen nimmt keine Kunden mehr – das klingt absurd. Einst gaben die Lebensversicherer viel Geld aus, um neue Kunden zu werben. Was hat sich in der Zwischenzeit geändert?
Die Unternehmen reagieren in der Niedrigzinsphase unterschiedlich. Einige haben neue Angebote mit niedrigeren Garantien auf den Markt gebracht, andere setzen verstärkt auf Versicherungen mit Fonds und Kosteneinsparungen oder beides.
Die Finanzaufsicht Bafin fordert die Lebensversicherer immer wieder auf, ihre Vertriebskosten zu senken. Denn hohe Kosten schmälern ihre Wettbewerbsfähigkeit und knabbern an den Leistungen der Kunden. Die Abwicklungsunternehmen, die ja keine neuen Kunden mehr wollen, können auf einen teuren Außendienst verzichten und wollen die Verwaltungskosten für bestehende Verträge verringern. Doch von möglichen Kostenersparnissen müssen sie nur die Hälfte an ihre Kunden weiterreichen.
Muss ich zustimmen, wenn mein Versicherer meinen Vertrag an eine andere Firma verkauft?
Nein, Ihr Versicherer muss Ihre Zustimmung nicht einholen, er darf verkaufen, ohne Sie als Kunden zu fragen. Allerdings ist eine Genehmigung der Finanz- und Versicherungsaufsicht notwendig. Die Bafin stimmt laut Versicherungsaufsichtsgesetz zu, „wenn die Belange der Versicherten gewahrt sind und die Verpflichtungen aus den Versicherungen als dauernd erfüllbar dargetan sind“. Eine Bedingung für den Verkauf ist es, dass – so heißt es in der Fachsprache – „der Wert der Überschussbeteiligung der Versicherten des übertragenden und des übernehmenden Versicherungsunternehmens nach der Übertragung nicht niedriger ist als vorher“. Übersetzt heißt das: Ihre bereits garantierte Überschussbeteiligung bleibt Ihnen auch beim neuen Unternehmen erhalten, nicht fest zugesagte Überschüsse aber nicht.
Kann ich noch etwas tun, um meinen Vertrag zu optimieren?
Nein, speziell für den Run-off haben wir leider keine Tipps für Sie. Sie sparen aber immer, wenn Sie zum Beispiel den Beitrag einmal jährlich im Voraus zahlen statt monatlich.
Was sagen Gesetzgeber und staatliche Versicherungsaufsicht zu dem Thema?
Die Bafin hat bisher alle Verkäufe genehmigt. Sie hat nach eigenen Angaben zuvor geprüft, ob „die Belange der Versicherten gewahrt“ sind. Der Bundestag hat dazu bisher keine Beschlüsse gefasst. Abgeordnete haben sich jedoch kritisch geäußert. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ralph Brinkhaus hat den Verkauf von Versicherungsbeständen laut Online-Fachdienst „Versicherungsmonitor“ einen „massiven Vertrauensbruch gegenüber den Versicherten“ genannt. Der Vorsitzende der „Bürgerbewegung Finanzwende“, Gerhard Schick, fordert eine gesetzliche Klärung, „ob das erlaubt ist“.
Wie finanzieren die Run-off-Firmen meine lebenslange Rente, wenn sie immer weniger Beiträge einnehmen? Denn neue Kunden kommen ja nicht dazu.
Am Anfang, wenn noch viele Beitragszahler da sind, ist das noch kein Problem; später schon. Versicherer, die laufend Beiträge von neuen Kunden einnehmen, können dieses Geld anlegen oder es gleich wieder für Rentenzahlungen ausgeben. Gibt es günstigere Konditionen auf dem Kapitalmarkt, können sie das „frische Geld“ aus den Beiträgen gewinnbringender anlegen. Für die Finanzierung der Renten haben sie also immer zwei Quellen: Geld aus Beiträgen und aus der Verzinsung oder dem Verkauf von Kapitalanlagen. Wenn Run-off-Unternehmen aber immer weniger Beiträge und am Schluss gar keine mehr einnehmen, müssen sie die Renten aus den alten, immer weniger gewordenen Kapitalanlagen finanzieren.
Wenn die traditionellen Lebensversicherer ihre Kunden loswerden wollen, warum führen die Run-off-Firmen die Verträge weiter? Wie funktioniert deren Geschäftsmodell?
Die Abwicklungsgesellschaften setzten darauf, möglichst viele Verträge zu erwerben. Sie wollen wachsen, um den stillgelegten Bestand möglichst kostengünstig verwalten zu können. Wenn Sie weniger Kosten haben, als einst kalkuliert, bleibt mehr Gewinn übrig. Von ihren Kostengewinnen müssen sie ihren Kunden allerdings 50 Prozent abgeben. Ob das Geschäftsmodell langfristig funktioniert, ist ungewiss.
Ist kündigen eine gute Alternative, wenn ich meinen Vertrag nicht bei einem Run-off-Unternehmen fortführen will?
Nein, das ist meist keine gute Alternative. Kündigen Sie möglichst keine noch einige Jahre laufende Lebens- oder Rentenversicherung. Dies gilt vor allem für Verträge, die schon sehr lange laufen. Eine vergleichbar hohe sichere Verzinsung gibt es derzeit nicht. Auch eine Beitragsfreistellung ist bei gut verzinsten Verträge nicht empfehlenswert. Dies sollten Sie nur tun, wenn Sie sich die Beiträge nicht mehr leisten können.
Kann ich mich weiterhin an den Versicherungsombudsmann wenden, wenn ich bei einem Problem mit der Run-Off-Firma dort nicht weiterkomme?
Ja, denn alle aufgekauften Versicherer sind Mitglieder im Verein Versicherungsombudsmann. Ihre Kunden können sich also bei dieser Schlichtungsstelle beschweren.
Gilt die alte Garantie von 3,5 Prozent noch?
Wir, ein Ehepaar, haben 1991 zwei Kapitallebensversicherungen bei der Berlinischen Lebensversicherung abgeschlossen, einem traditionsreichen 1836 gegründeten Unternehmen. Es wurde 1998 vom Versicherer Delta Lloyd übernommen, der weiter neue Kunden warb. Im Jahr 2015 übernahm die Run-off-Plattform Athene Lebensversicherung Delta Lloyd und wickelt seitdem bestehende Verträge ab. Neue Kunden werden nicht mehr angenommen. Sind unsere Garantien von 3,5 Prozent noch sicher?
Ja, Ihre Garantien sind sicher. Die Athene Lebensversicherung ist die „wichtigste operative Tochtergesellschaft von AGER Bermuda Holding Ltd.“, wie es auf der Internetseite des Unternehmens heißt. Die Muttergesellschaft sitzt auf den Bermudas. Doch Sie müssen sich keine Sorgen machen: Für Sie als Kunden der deutschen Tochtergesellschaft gilt deutsches Recht. Das bedeutet für Sie: Der bei Vertragsschluss gegebene Garantiezins hat bis zum Vertragsschluss Bestand.
Ihr hoher Garantiezins von 1991 gilt bis zum Vertragsende im Jahr 2031. Was an Überschüssen hinzukommt, ist jedoch ungewiss.
Dieses Special ist erstmals am 17. Oktober 2017 auf test.de erschienen. Es wurde am 10. April 2019 aktualisiert.
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