
Langes Warten. Proxalto-Kunden werden auf die Geduldsprobe gestellt. © Getty Images / Brian A. Jackson
Seit 2022* gibt es bei der Run-off-Firma Proxalto Probleme mit der Auszahlung früherer Generali-Verträge. Was betroffene Kunden tun können.
Der Lebensversicherer Proxalto spricht von „einzelnen Kundengruppen“ , die Verbraucherzentrale Hamburg nannte die Kundenbeschwerden Anfang 2023 die „Spitze des Eisbergs“. Gewiss ist: Es gibt weiterhin Klagen von Proxalto-Kunden über Probleme bei der Auszahlung von Leistungen. Eine Beschwerde beim Versicherungsombudsmann oder der Finanzaufsicht Bafin hilft.
Proxalto führt Generali-Verträge bis zum Ende fort
Der Lebensversicherer Proxalto ist Teil der Viridium-Gruppe. Sie hat 2019 rund 3,8 Millionen Renten- und Lebensversicherungsverträge der Generali übernommen und führt sie bis zum Ablauf fort. Diese Abwicklungsunternehmen werden daher auch mit dem englischen Wort Run-off bezeichnet. Neukunden nehmen sie nicht mehr an. Was die Ausgliederung in solche Gesellschaften für Kundinnen und Kunden bedeutet, lesen Sie in unserem Special über den Verkauf von Lebensversicherungsverträgen an Abwickler.
Erst ein Anwalt brachte Versicherer zum Zahlen
Zu den übernommenen Generali-Verträgen gehört der von Constanze Weiß, Ehefrau unseres Lesers Leo Gieding. Im Oktober 2022 sollte ihre private Rente beginnen. Doch die Auszahlung hatte zwei Monate später immer noch nicht angefangen. Erst als das Paar einen Anwalt einschaltete, floss die Rente.

Ehepaar Constanze Weiß und Leo Gieding. Erst ihr Anwalt brachte Proxalto zum Zahlen. © Anna Logue
Auch Beschwerden anderer Leserinnen und Leser erreichten uns, wie die von Doris von Borstel, Markus Schuhmann, Thomas Reintges, Dirk Jödemann, Birgit Starke. Sie alle beklagten sich bei uns über fehlende Zahlungen.
Die Krux mit der IT
Grund für das Tohuwabohu war laut Proxalto die „IT-Modernisierung“. Diese sei „jetzt praktisch abgeschlossen“, antwortete uns das Run-off-Unternehmen im Januar 2023. Allerdings hatte uns der Versicherer bereits im August 2022 erklärt, die Umstellung sei „erfolgreich abgeschlossen“. Im Februar 2022, als wir Proxalto erstmals mit den Auszahlungsproblemen konfrontierten, beschied man uns, es habe sich um ein „vorübergehendes technisches Problem“ gehandelt, das „schnellstmöglich behoben“ worden sei.
Von wegen! Proxalto-Kundin Friederike Buchholz schreibt uns: „Ich habe mich zu lange vertrösten lassen. Telefonische Auskünfte bringen wohl nichts. Eher schneller und schriftlich auf Proxalto zugehen, Fristen setzten und den Versicherungsombudsmann schneller ins Spiel bringen.“ In ihrem Fall zahlte sich das aus: „Nachdem der Ombudsmann Proxalto angeschrieben hatte, kam von dort sehr schnell eine Reaktion. Mittlerweile ist die Summe überwiesen“, so Buchholz.
Ombudsmann macht Versicherer Beine
Auch andere Kunden haben diese Erfahrung gemacht: „Wir haben den Ombudsmann eingeschaltet“, schreibt uns Nadine Leyendecker. „Nur deshalb ist unserer Meinung nach etwas passiert.“ Thomas Hierschbiel berichtet uns: „In der Tat hat Proxalto in der Zwischenzeit gezahlt (...) Ich hatte sowohl den Ombudsmann für Versicherungen als auch die Bafin ins Boot geholt.“ Ähnliche Erfahrungen hat Patrick Lengler gemacht: Nachdem er Ombudsmann und Bafin informiert hatte, überwies Proxalto das Geld. Auch Proxalto-Kunde Bernd Schackier freut sich: „Ein Schreiben des Versicherungsombudsmanns hat offenbar Wirkung gezeigt!“ Bei Walli Jonas reichte die Ankündigung einer Beschwerde.
Ihre 2001 bei der Volksfürsorge abgeschlossene Lebensversicherung war am 1. Juni fällig 2023 zur Auszahlung. Doch am 5. Juni zahlte Proxalto nur einen Teilbetrag aus. Jonas drohte Proxalto per E-Mail mit einer Beschwerde bei der Versicherungsaufsicht Bafin und beim Versicherungsombudsmann. Ihre E-Mail hatte Erfolg: Der Versicherer überwies den ausstehenden Betrag.
„Proxalto ruckelt sich zurecht“
Proxalto erklärt die Zahlungsverzögerungen in der Vergangenheit mit Problemen bei der IT-Modernisierung. Diese sei „mittlerweile abgeschlossen“, versichert nun erneut eine Unternehmenssprecherin. Diesmal scheint etwas dran zu sein: Nach Beobachtungen der Verbraucherzentrale Hamburg gibt es inzwischen weniger Kundenbeschwerden. „Die Probleme sind nicht mehr so massiv wie Anfang des Jahres“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Proxalto ruckelt sich zurecht“, fügt sie hinzu.
Wir haben auch bei der Versicherungsaufsicht Bafin nachgefragt. Die Bafin begleitet „die Angelegenheit weiterhin eng“, so eine Sprecherin.
Unser Rat
Beschwerde einlegen. Zahlt Proxalto nicht pünktlich, beschweren Sie sich beim Versicherungsombudsmann und bei der Bundesanstalt für ‧Finanzdienstleistungsaufsicht.
Verzugszinsen fordern. Landen Rente oder Kapitalauszahlung verspätet auf Ihrem Konto, sind Verzugszinsen fällig. Sie liegen 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Dieser beträgt derzeit 3,12 Prozent.
Proxalto verspricht Kostengewinne
Proxalto verspricht sich von der IT-Modernisierung Kostengewinne. Davon bekommen auch Kundinnen und Kunden einen Anteil. Ihre Überschussbeteiligung steigt also. Proxalto trage die „Modernisierungskosten in Höhe von rund 250 Millionen ... allein“, schreibt das Unternehmen in einer Pressemitteilung. „Die Kunden werden an diesen Kosten nicht beteiligt, was für die Branche unüblich ist. Üblich ist in der deutschen Lebensversicherung, die Kunden zur Hälfte an den Kosten zu beteiligen,“ so der Versicherer weiter.
Wir haben die Bafin danach gefragt. Aufwendungen für IT-Modernisierungen mindern demnach zunächst das Kostenergebnis, an dem der Versicherungsnehmer im Fall eines Gewinns zu 50 Prozent beteiligt werden muss. „Mittelfristig können die Modernisierungsmaßnahmen aber zu Kostenvorteilen führen“, so ein Sprecher.
Es gebe jedoch eine Alternative: „Unternehmen können IT-Leistungen aber auch an gruppeninterne oder externe Dienstleister auslagern. In diesem Fall tragen die Versicherungsnehmer keine Modernisierungskosten. Im Gegenzug profitieren sie aber auch nicht vollständig von den Effizienzsteigerungen, da die Versicherungsunternehmen die Leistungen von dem Dienstleister einkaufen müssen. Der Dienstleister berechnet in der Regel eine Gewinnmarge, trägt aber auch das Risiko von ungeplanten Kostensteigerungen“, erläutert der Bafin-Sprecher. Ob Proxalto-Kunden spürbar und nachhaltig von Kostenvorteilen profitieren, wird die Zukunft zeigen.
Proxalto muss „zu dem vereinbarten Termin“ zahlen
Ohne namentlich auf Proxalto einzugehen, hat die Bafin im Januar 2023 auf ihrer Internetseite einen Text mit der Überschrift „Wenn Versicherer nicht rechtzeitig zahlen“ veröffentlicht. Dort heißt es klipp und klar: „Bei ablaufenden oder gekündigten Lebens- oder Rentenversicherungen ist grundsätzlich keine umfangreiche Leistungsprüfung erforderlich. Der Versicherer muss die Zahlung zu dem vereinbarten Termin vornehmen.“
Finanzaufsicht gibt sich entschlossen
Im Sommer 2022 kündigte Viridium an, 720 000 Verträge des Lebensversicherers Zurich übernehmen zu wollen. Die Finanzaufsicht Bafin hat das noch nicht genehmigt. Zu den Problemen bei Proxalto möchte sie sich wegen ihrer „Verschwiegenheitspflicht“ nicht äußern. Man werde „sehr gewissenhaft“ prüfen, ob Viridium in der Lage sei, „den übernommenen Bestand angemessen zu verwalten“, sagt ein Sprecher. „Etwaige Leistungsverzögerungen toleriert die Bafin nicht.“
Kunden wurden nicht gefragt
Die Generali-Kunden waren vor dem Verkauf des Versichertenbestandes an die Abwicklungsfirma nicht gefragt worden, ob sie damit einverstanden sind. Dies hält der Gesetzgeber hierzulande nicht für notwendig. Allerdings musste die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ihre Zustimmung geben. Sie hat zuvor geprüft, ob die „Belange der Versicherten gewahrt“ bleiben.
Das Beispiel Niederlande zeigt, dass es auch anders geht. Hier hat der Versicherer Monuta angekündigt, seinen Lebensversicherungsbestand in Deutschland an den Versicherer Dela zu verkaufen. Die Kunden konnten jedoch innerhalb von 30 Tagen nach der Ankündigung Einspruch erheben. Wenn dies mindestens ein Viertel der Versicherungsnehmer tun, „findet die Übertragung nicht statt“, erläuterte Monuta.
Probleme mit Run-off-Firmen? Schreiben Sie uns
Wird Ihr Vertrag von einem Abwicklungsunternehmen weitergeführt? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Schreiben Sie uns eine E-Mail an: runoff@stiftung-warentest.de
*Korrigiert am 23.8.2023
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@sahnekanne: Sie können sich beschweren und zwar beim Versicherungsombudsmann www.versicherungsombudsmann.de
und bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht www.bafin.de/DE/Verbraucher/BeschwerdenStreitschlichtung/BeiBaFinbeschweren/BeiBaFinbeschweren_node.html
Im Jahr 2022 wurden unsere Eigenbeiträge falsch aufaddiert und eine zu geringe Summe ausgewiesen (Summe der Altersvorsorgebeiträge 2021 plus im Jahr 2022 geleistete Zahlungen, bei mir über 180,- EUR zu wenig!) Nachrechnen lohnt sich! Leider ist der gleiche angeblich korrigierte Fehler jetzt bei der Wertermittlung wieder aufgetreten. Die korrigierte Bescheinigung nach § 92 EStG und die Wertermittlung stimmen nicht überein. In der Wertermittlung wurde die falsche Summe übernommen. Das "interne Problem" scheint noch nicht gelöst zu sein... Die Erstellung der Wertermittlung hat jetzt ewig gedauert und ist dann leider auch noch falsch.
@clausem2707: Vielen Dank für den Hinweis! Es muss 2022 heißen. Das haben wir korrigiert.
"Seit 2002 gibt es bei der Run-off-Firma Proxalto Probleme mit der Auszahlung früherer Generali-Verträge."
Wirklich seit 2002, kaum zu glauben.
Schadenersatz müssten in solchen Fällen gesetzlich klar geregelt sein.
Zum Beispiel: 100 Euro / Tag bei verschuldeter verspäteter Auszahlung. Dann würde die Versicherungen ganz schnell auszahlen....