Lebens­versicherung Proxalto zahlt verspätet

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Lebens­versicherung - Proxalto zahlt verspätet

Langes Warten. Proxalto-Kunden werden auf die Gedulds­probe gestellt. © Getty Images / Brian A. Jackson

Seit einem Jahr gibt es bei der Run-off-Firma Proxalto Probleme mit der Auszahlung früherer Generali-Verträge. Was betroffene Kunden tun können.

Der Lebens­versicherer Proxalto spricht von „einzelnen Kunden­gruppen“ , die Verbraucherzentrale Hamburg nennt die Kunden­beschwerden die „Spitze des Eisbergs“. Gewiss ist: Seit einem Jahr reißen die Klagen von Proxalto-Kunden über Probleme bei der Auszahlung von Leistungen nicht ab – auch nicht bei Finanztest. Unser Leser Leo Gieding spricht von „Chaos bei Proxalto“. Eine Beschwerde beim Versicherungs­ombuds­mann oder der Finanz­aufsicht Bafin hilft.

Proxalto führt Generali-Verträge bis zum Ende fort

Der Lebens­versicherer Proxalto ist Teil der Viridium-Gruppe. Sie hat 2019 rund 3,8 Millionen Renten- und Lebens­versicherungs­verträge der Generali über­nommen und führt sie bis zum Ablauf fort. Diese Abwick­lungs­unternehmen werden daher auch mit dem eng­lischen Wort Run-off bezeichnet. Neukunden nehmen sie nicht mehr an. Was die Ausglie­derung in solche Gesell­schaften für Kundinnen und Kunden bedeutet, lesen Sie in unserem Special über den Verkauf von Lebensversicherungsverträgen an Abwickler.

Erst ein Anwalt brachte Versicherer zum Zahlen

Zu den über­nommenen Generali-Verträgen gehört der von Constanze Weiß, Ehefrau von Leo Gieding. Im Oktober 2022 sollte ihre private Rente beginnen. Doch die Auszahlung hatte zwei Monate später immer noch nicht ange­fangen. Erst als das Paar einen Anwalt einschaltete, floss die Rente.

Lebens­versicherung - Proxalto zahlt verspätet

Ehepaar Constanze Weiß und Leo Gieding. Erst ihr Anwalt brachte Proxalto zum Zahlen. © Anna Logue

Auch Beschwerden anderer Lese­rinnen und Leser erreichten uns, wie die von Doris von Borstel, Markus Schuhmann, Thomas Reintges, Dirk Jödemann, Birgit Starke. Sie alle beklagten sich bei uns über fehlende Zahlungen.

Die Krux mit der IT

Grund für das Tohuwabohu war laut Proxalto die „IT-Modernisierung“. Diese sei „jetzt praktisch abge­schlossen“, antwortete uns das Run-off-Unternehmen im Januar 2023. Allerdings hatte uns der Versicherer bereits im August 2022 erklärt, die Umstellung sei „erfolg­reich abge­schlossen“. Im Februar 2022, als wir Proxalto erst­mals mit den Auszahlungs­problemen konfrontierten, beschied man uns, es habe sich um ein „vorüber­gehendes tech­nisches Problem“ gehandelt, das „schnellst­möglich behoben“ worden sei.

Von wegen! Proxalto-Kundin Friederike Buch­holz schreibt uns: „Ich habe mich zu lange vertrösten lassen. Telefo­nische Auskünfte bringen wohl nichts. Eher schneller und schriftlich auf Proxalto zugehen, Fristen setzten und den Versicherungs­ombuds­mann schneller ins Spiel bringen.“ In ihrem Fall zahlte sich das aus: „Nachdem der Ombuds­mann Proxalto ange­schrieben hatte, kam von dort sehr schnell eine Reaktion. Mitt­lerweile ist die Summe über­wiesen“, so Buch­holz.

Ombuds­mann macht Versicherer Beine

Auch andere Kunden haben diese Erfahrung gemacht: „Wir haben den Ombuds­mann einge­schaltet“, schreibt uns Nadine Leyen­decker. „Nur deshalb ist unserer Meinung nach etwas passiert.“ Thomas Hierschbiel berichtet uns: „In der Tat hat Proxalto in der Zwischen­zeit gezahlt (...) Ich hatte sowohl den Ombuds­mann für Versicherungen als auch die Bafin ins Boot geholt.“

Ähnliche Erfahrungen hat Patrick Lengler gemacht: Nachdem er Ombuds­mann und Bafin informiert hatte, über­wies Proxalto das Geld. Auch Proxalto-Kunde Bernd Scha­ckier freut sich: „Ein Schreiben des Versicherungs­ombuds­manns hat offen­bar Wirkung gezeigt!“

Unser Rat

Beschwerde einlegen. Zahlt Proxalto nicht pünkt­lich, beschweren Sie sich beim Versicherungsombudsmann und bei der Bundesanstalt für ‧Finanzdienstleistungsaufsicht.

Verzugs­zinsen fordern. Landen Rente oder Kapital­auszahlung verspätet auf Ihrem Konto, sind Verzugs­zinsen fällig. Sie liegen 5 Prozent­punkte über dem ­Basiszins­satz. Dieser beträgt derzeit 1,62 Prozent

Proxalto verspricht Kostengewinne

Proxalto verspricht sich von der IT-Modernisierung Kostengewinne. Davon bekommen auch Kundinnen und Kunden einen Anteil. Ihre Über­schuss­beteiligung steigt also. Proxalto trage die „Modernisierungs­kosten in Höhe von rund 250 Millionen ... allein“, schreibt das Unternehmen in einer Presse­mitteilung. „Die Kunden werden an diesen Kosten nicht beteiligt, was für die Branche unüblich ist. Üblich ist in der deutschen Lebens­versicherung, die Kunden zur Hälfte an den Kosten zu beteiligen,“ so der Versicherer weiter.

Wir haben die Bafin danach gefragt. Aufwendungen für IT-Modernisierungen mindern demnach zunächst das Kost­ener­gebnis, an dem der Versicherungs­nehmer im Fall eines Gewinns zu 50 Prozent beteiligt werden muss. „Mittel­fristig können die Modernisierungs­maßnahmen aber zu Kosten­vorteilen führen“, so ein Sprecher.

Es gebe jedoch eine Alternative: „Unternehmen können IT-Leistungen aber auch an gruppen­interne oder externe Dienst­leister auslagern. In diesem Fall tragen die Versicherungs­nehmer keine Modernisierungs­kosten. Im Gegen­zug profitieren sie aber auch nicht voll­ständig von den Effizienz­steigerungen, da die Versicherungs­unternehmen die Leistungen von dem Dienst­leister einkaufen müssen. Der Dienst­leister berechnet in der Regel eine Gewinn­marge, trägt aber auch das Risiko von ungeplanten Kosten­steigerungen“, erläutert der Bafin-Sprecher. Ob Proxalto-Kunden spür­bar und nach­haltig von Kosten­vorteilen profitieren, wird die Zukunft zeigen.

Proxalto muss „zu dem vereinbarten Termin“ zahlen

Ohne namentlich auf Proxalto einzugehen, hat die Bafin im Januar 2023 auf ihrer Internetseite einen Text mit der Über­schrift „Wenn Versicherer nicht recht­zeitig zahlen“ veröffent­licht. Dort heißt es klipp und klar: „Bei ablaufenden oder gekündigten Lebens- oder Renten­versicherungen ist grund­sätzlich keine umfang­reiche Leistungs­prüfung erforderlich. Der Versicherer muss die Zahlung zu dem vereinbarten Termin vornehmen.“

Finanz­aufsicht gibt sich entschlossen

Im Sommer 2022 kündigte Viridium an, 720 000 Verträge des Lebens­versicherers Zurich über­nehmen zu wollen. Die Finanz­aufsicht Bafin hat das noch nicht genehmigt. Zu den Problemen bei Proxalto möchte sie sich wegen ihrer „Verschwiegen­heits­pflicht“ nicht äußern. Man werde „sehr gewissenhaft“ prüfen, ob Viridium in der Lage sei, „den über­nommenen Bestand angemessen zu verwalten“, sagt ein Sprecher. „Etwaige Leistungs­verzögerungen toleriert die Bafin nicht.“

Kunden wurden nicht gefragt

Die Generali-Kunden waren vor dem Verkauf des Versicherten­bestandes an die Abwick­lungs­firma nicht gefragt worden, ob sie damit einverstanden sind. Dies hält der Gesetz­geber hier­zulande nicht für notwendig. Allerdings musste die Bundes­anstalt für Finanz­dienst­leistungs­aufsicht ihre Zustimmung geben. Sie hat zuvor geprüft, ob die „Belange der Versicherten gewahrt“ bleiben.

Das Beispiel Nieder­lande zeigt, dass es auch anders geht. Hier hat der Versicherer Monuta angekündigt, seinen Lebens­versicherungs­bestand in Deutsch­land an den Versicherer Dela zu verkaufen. Die Kunden konnten jedoch inner­halb von 30 Tagen nach der Ankündigung Einspruch erheben. Wenn dies mindestens ein Viertel der Versicherungs­nehmer tun, „findet die Über­tragung nicht statt“, erläuterte Monuta.

Probleme mit Run-off-Firmen? Schreiben Sie uns

Wird Ihr Vertrag von einem Abwick­lungs­unternehmen weitergeführt? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Schreiben Sie uns eine E-Mail an: runoff@stiftung-warentest.de

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halsbandschnaepper am 14.02.2023 um 10:55 Uhr
Schadenersatz

Schadenersatz müssten in solchen Fällen gesetzlich klar geregelt sein.
Zum Beispiel: 100 Euro / Tag bei verschuldeter verspäteter Auszahlung. Dann würde die Versicherungen ganz schnell auszahlen....

Falken-FSD am 09.12.2022 um 15:01 Uhr
Schadenersatz bei verspäteter Auszahlung

Im Zusammenhang mit der verspäteten Auszahlung von Lebens- und Rentenversicherungen wäre der Hinweis noch sinnvoll, dass die Kunden Schadenersatz in Form von Zinsen beanspruchen können. Je nach Höhe der Auszahlungssummen und Verspätung kommen auch schon mal 100 EUR und mehr dabei raus.