Auf niedrige 0,9 Prozent fällt der Garantiezins bei Kapitallebens- und Rentenversicherungen im Januar 2017. So will es das Bundesfinanzministerium. Was bedeutet das für Neu- und Altkunden? Wir beantworten die sechs wichtigsten Fragen.

Um welche Versicherungsverträge geht es?
Gesenkt wird der Garantiezins bei klassischen Versicherungen, also Verträgen mit garantierter Verzinsung. Neben Kapitallebens- und privaten Rentenversicherungen können das Riester- und Rürup-Policen sein, bei der betrieblichen Altersversorgung Direktversicherungen und einige Pensionskassen-Verträge. Versicherer müssen hier die Kundengelder besonders sicher anlegen, überwiegend fließen sie in sichere Staatsanleihen.
Was bedeutet der niedrigere Garantiezins für Neukunden?
Neukunden, die erst ab 2017 solche klassischen Lebensversicherungsprodukte abschließen, kommen zum Laufzeitende auf weniger garantiertes Kapital. Auf wie viel weniger, haben wir anhand verschiedener Szenarien ausgerechnet (siehe Tabelle unten). Ein Sparer, der heute abschließt und jährlich 1 200 Euro in einen Vertrag mit 8 Prozent Gesamtkosten einzahlt, kommt später auf garantierte 40 385 Euro. Schließt er 2017 ab, also nach der Zinssenkung, hat er nach 30 Jahren 5,5 Prozent weniger: 38 169 Euro. Immer mehr Versicherer wie Ergo, Generali oder Zurich reduzieren ihr Geschäft mit klassischen Produkten.
Warum sinkt der Garantiezins schon wieder?
Damit Versicherer Kunden nicht mehr versprechen, als sie nachher erwirtschaften können, legt das Bundesfinanzministerium eine Grenze fest: den Höchstrechnungszins. Von ihm hängt ab, welche Verzinsung Versicherer ihren Kunden höchstens garantieren dürfen. In den meisten Verträgen entspricht der Garantiezins dem Höchstrechnungszins. Versicherern fällt es derzeit schwer, Kundengelder aus klassischen Verträgen profitabel anzulegen. Deshalb senkt das Ministerium die Grenze erneut ab. Berechnet wird der Höchstrechnungszins auf Basis durchschnittlicher Renditen gut bewerteter Staatsanleihen inklusive eines Sicherheitsabschlags. Ende Juni lagen zwei-, fünf- und sogar zehnjährige Bundesanleihen im Minus. Das Brexit-Referendum zog sie noch weiter nach unten. Vor allem liegen die Minusrenditen aber an der sogenannten Politik des billigen Geldes, mit der die Europäische Zentralbank Wirtschaftswachstum ankurbeln und die Inflationsrate erhöhen möchte.
Ist die tatsächliche Verzinsung nicht viel wichtiger als die garantierte Mindestverzinsung?
Ja. Wichtiger ist, was insgesamt am Ende herauskommt. Und das ist nicht nur die garantierte Verzinsung, sondern auch Überschüsse, an denen Versicherer Kunden beteiligen. Das Problem: Der Garantiezins ist der einzig berechenbare Teil der Rendite. Kunden können sich bei Abschluss anhand des Garantiezinses konkret durchrechnen lassen, mit welchem Kapital oder welcher Rentenzahlung sie nach Abzug von Kosten zum Ende der Laufzeit fest rechnen können. Wie hoch die Überschüsse nach 20 oder 30 Jahren wirklich ausfallen, kann dagegen kaum einer einschätzen – auch Versicherer nicht. Das haben uns Anfang des Jahres Einsendungen von Lesern nach einem Leseraufruf (Special Lebensversicherung, Finanztest 2/2016) deutlich vor Augen geführt. Fälle mit 23 Prozent, 44 Prozent oder fast 50 Prozent weniger als ursprünglich in Aussicht gestellt, waren dabei. Wie der Garantiezins sinken auch die Überschüsse seit Jahren. Lag die laufende Verzinsung klassischer Rentenpolicen inklusive Überschussbeteiligung laut Rating-Agentur Assekurata 2008 im Schnitt bei 4,39 Prozent, liegt sie heute bei 2,86 Prozent.
Sollten Kunden noch klassische Versicherungen abschließen?
Sie sollten sich den Schritt zumindest genau überlegen. Lebensversicherungs-Produkte sind in den letzten 15 Jahren immer unattraktiver geworden. Die Zinssenkung im Januar ist kein Grund für einen schnellen Abschluss. Kunden sollten sich vielmehr generell entscheiden, ob sie sich bei so niedrigen Zinsen vertraglich über Jahrzehnte binden wollen. Wie geeignet welche Verträge für den Einzelnen sind, hängt von Situation und Produkt ab. Eine grobe Einordnung:
- Kapitallebensversicherungen. Nicht abschließen. Sie sind unflexibel, intransparent und vermischen Todesfallschutz mit Sparprodukt. Auch zu besseren Zeiten haben wir schon von ihnen abgeraten.
- Private Rentenversicherungen. Sie sind für Personen erwägenswert, die sich eine Basisabsicherung fürs Alter aufbauen müssen. Das kann zum Beispiel bei Selbstständigen oder Hausfrauen der Fall sein. Renditemäßig können die privaten Rentenpolicen zwar oft nicht mit geförderten Produkten mithalten. Da sie aber im Alter nur gering besteuert werden, sind sie planbarer.
- Riester-Rentenversicherungen. Ein Abschluss kann trotz aller berechtigter Kritik für einzelne Kunden profitabel sein. In Zeiten niedriger Zinsen lohnt sich die Staatsrendite besonders. So peppen die Zulagen etwa bei einer Mutter mit zwei kleinen Kindern die eigene Sparleistung um 754 Euro im Jahr auf.
- Rürup-Verträge. Sie können aufgrund der hohen steuerlichen Förderung vor allem für gut verdienende Selbstständige immer noch attraktiv sein.
- Betriebsrenten. Die betriebliche Altersvorsorge ist vor allem dann interessant, wenn der Arbeitgeber etwas dazugibt. Denn die Belastung durch Sozialbeiträge für gesetzlich Rentenversicherte ist im Alter sehr hoch und schmälert die Rendite.
Was bedeutet der niedrigere Zins für bereits versicherte Kunden?
Die meisten Bestandskunden können weiterhin mit dem garantierten Zins rechnen, der ihnen bei Abschluss zugesagt wurde (siehe Tabelle). Viele Altverträge sind aus heutiger Sicht deswegen geradezu attraktiv. Das Sinken der nicht garantierten Überschussverzinsung schmälert aber auch ihre Rendite. Es gibt zudem Betriebsrenten, die nicht an die Vorgaben des Finanzministeriums gebunden sind. Sie können höhere garantierte Zusagen machen, aber auch Kürzungen bei Bestandskunden vorsehen. So kündigte etwa die Pensionskasse Neue Leben an, dass Kunden mit einer garantierten Verzinsung von 3,25 Prozent in ihren Verträgen künftig nur noch 1,25 Prozent erhalten. Altkunden von Versicherern, bei denen das Neugeschäft eingestellt wurde, müssen damit rechnen, an sogenannte Run-off-Gesellschaften ausgelagert zu werden. Sie verwalten stillgelegte Bestände. Den zugesagten Garantiezins zahlen sie weiter.
Tabelle: Lebens- und Rentenversicherungen
Wer vor vielen Jahren einen Vertrag mit garantierter Verzinsung abgeschlossen hat, fährt auch weiterhin ganz gut. Seit 2004 werden die Produkte aber zunehmend unattraktiver, wie unsere Rechnungen zeigen. Das setzt sich Anfang des nächsten Jahres fort, wenn der Garantiezins auf 0,9 Prozent fällt. Wir haben anhand von Modellkunden ausgerechnet, mit wie viel garantiertem Kapital sie mit unterschiedlichen Garantiezinsen rechnen können. Sie zahlen jährlich 1 200 Euro ein, die Gesamtkosten betragen 8 Prozent. Kunden, die erst 2017 abschließen, haben so je nach Laufzeit noch einmal zwischen 3,7 und 5,5 Prozent weniger.
Garantiezins (in Prozent) bei Abschluss ab | Garantiertes Kapital nach … | ||||||
30 Jahren (Euro) | 25 Jahren (Euro) | 20 Jahren (Euro) | |||||
Im Vergleich zum vorhergehenden Garantiezins | Im Vergleich zum vorhergehenden Garantiezins | Im Vergleich zum vorhergehenden Garantiezins | |||||
Garantiezins (in Prozent) bei Abschluss ab | Garantiertes Kapital nach … | ||||||
30 Jahren (Euro) | 25 Jahren (Euro) | 20 Jahren (Euro) | |||||
Im Vergleich zum vorhergehenden Garantiezins | Im Vergleich zum vorhergehenden Garantiezins | Im Vergleich zum vorhergehenden Garantiezins | |||||
Juli 1994 | 4,00 | 64 394 | 47 816 | 34 190 | |||
Juli 2000 | 3,25 | 56 481 | –12,3 % | 42 951 | –10,2 % | 31 420 | –8,1 % |
Januar 2004 | 2,75 | 51 834 | –8,2 % | 40 027 | –6,8 % | 29 717 | –5,4 % |
Januar 2007 | 2,25 | 47 632 | –8,1 % | 37 334 | –6,7 % | 28 121 | –5,4 % |
Januar 2012 | 1,75 | 43 829 | –8,0 % | 34 854 | –6,6 % | 26 624 | –5,3 % |
Januar 2015 | 1,25 | 40 385 | –7,9 % | 32 568 | –6,6 % | 25 221 | –5,3 % |
Januar 2017 | 0,90 | 38 169 | –5,5 % | 31 074 | –4,6 % | 24 290 | –3,7 % |