
Kunden von Lebensversicherern müssen seit 2008 an den Bewertungsreserven der Versicherungsgesellschaften beteiligt werden. Doch häufig wissen die Kunden nicht, wie groß ihr Anteil ist oder ob sie überhaupt etwas bekommen haben. Jetzt klagt ein Kunde gegen die Allianz.
Knapp 31 Milliarden Euro Reserven
Die deutschen Lebensversicherer verfügten im Jahr 2010 über stille Reserven in Höhe von insgesamt 30,6 Milliarden Euro. Sie heißen auch Bewertungsreserven. Diese Reserven entstehen, wenn der Marktwert einer Kapitalanlage des Versicherers über dem Anschaffungspreis liegt – wenn also zum Beispiel der Wert seiner Immobilien, Aktien oder Zinspapiere gestiegen ist. Hat das Unternehmen zu dem Zeitpunkt, an dem die Lebensversicherung ausgezahlt wird, stille Reserven, muss es seine Kunden daran beteiligen. Dieses Geld muss dann zusätzlich zu den Schlussüberschüssen am Vertragsende ausgezahlt werden. Viele Versicherer zahlen aber erst, wenn Kunden nachhaken.
Versicherer verrechnen Überschüsse mit Bewertungsreserven
Die Verbraucherzentrale Hamburg bemängelt, dass die Bewertungsreserven oft einfach in die Überschüsse eingerechnet und nicht zusätzlich ausgezahlt werden. Deshalb unterstützt sie die Klage des Allianz-Kunden Hans Berges. Er fordert von dem Versicherungsunternehmen einen Nachschlag von knapp 657 Euro. Der Versicher habe einen Teil seines Schlussüberschusses schlicht mit den Bewertungsreserven verrechnet und so insgesamt weniger ausgezahlt als ihm zusteht, sagt Berges. Dies sei ein Verstoß gegen das Versicherungsvertragsgesetz. Die von der Allianz „vorgenommenen Kürzungen des Schlussüberschusses sind mit dem Gedanken des Gesetzes nicht zu vereinbaren“, so der Hamburger Rechtsanwalt Stephen Rehmke. Er vertritt Berges vor Gericht.
Beschwerde beim Ombudsmann blieb erfolglos
Vor seiner Klage hatte Berges zunächst mit einer Beschwerde beim Versicherungsombudsmann versucht, eine Nachzahlung durchzusetzen – allerdings ohne Erfolg. Der Schlussüberschuss „ist vertraglich nicht garantiert und kann daher reduziert werden“, schrieb der Versicherungsombudsmann an Berges. Eine Kürzung sei abhängig von der „aktuellen Ertragslage des Versicherers“.
Versicherer soll Berechnung nachvollziehbar machen
Damit gibt sich Berges jedoch nicht zufrieden. „Diese Auffassung des Ombudsmannes ist für mich nicht nachvollziehbar“, sagt Berges, „da ein Versicherer zwar den Schlussüberschuss kürzen kann, aber eben nicht um die Bewertungsreserven.“ Denn sie seien zusätzlich fällig. Dabei beruft er sich auch auf die Allianz-Werbung zur Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven. Dort heißt es: „Mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes zum Jahr 2008 beteiligen wir Sie zusätzlich an den Bewertungsreserven, die bei Beendigung des Vertrages vorhanden sind.“ Berges möchte gerichtlich überprüfen lassen, ob die Allianz seinen Anteil an den Bewertungsreserven richtig bemessen hat. Er will durchsetzen, dass die Allianz ihre Kalkulations- und Berechnungsgrundlagen offen legt. Die Allianz hat jedoch erklärt, dass die „ausgezahlte Gesamtleistung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen und den internen Berechnungsgrundlagen richtig ermittelt wurde.“ Ihre internen Kalkulationsgrundlagen lege sie nur der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht offen.