
Anleger, die ihre Lebens- oder Rentenversicherung gekündigt haben, bekommen Geld zurück. Fünf große Versicherer sind zu Nachzahlungen verurteilt.
Millionen Kunden bekommen Geld zurück, wenn sie eine Kapitallebens- oder Rentenversicherung vor Ablauf gekündigt haben. Dafür müssen sie das Unternehmen anschreiben und den Nachschlag einfordern. Kunden der großen Lebensversicherer Allianz, Deutscher Ring, Ergo, Generali und Signal Iduna, die von Ende Juli 1994 bis Ende Dezember 2007 einen Vertrag abgeschlossen und ihn vorzeitig gekündigt oder beitragsfrei gestellt haben, können sich ihr Geld zurückholen. Bedingung ist, dass die Ansprüche nicht verjährt sind (siehe Checkliste).
Allein Branchenprimus Allianz muss rund einer halben Million Kunden Geld nachzahlen. Für den Nachschlag hat der Versicherer bereits 117 Millionen Euro zurückgestellt. Das Geld steht Kunden zu, die eine Lebens- oder Rentenpolice zwischen 2001 und Ende 2007 abgeschlossen und vorzeitig beendet haben.
Allianz sträubte sich hartnäckig
Bis zuletzt hatte sich die Allianz geweigert, das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2011 anzuerkennen (Az. 2 U 138/10). Schon damals erklärten die Richter Allianz-Klauseln in den Verträgen für unzulässig, wonach der Versicherer sämtliche Kosten einschließlich Vermittlerprovision von den ersten Beiträgen abzieht. Der Kunde kann durch diese Praxis in den ersten Jahren kein Vermögen mit seinen eingezahlten Beiträgen aufbauen.
Bis jetzt galt: Je früher der Versicherte seinen Vertrag kündigte, desto weniger Geld bekam er zurückgezahlt. Auch Stornogebühren stellten die Unternehmen ihren Kunden bei Vertragsunterbrechung in Rechnung. Diese beiden kundenunfreundlichen Regelungen standen bis Ende 2007 bei der gesamten Branche in den Verträgen. Seit Sommer 2012 hat der Bundesgerichtshof sie gekippt – angefangen bei Deutscher Ring (Az. IV 201/10), Ergo (Az. IV ZR 198/10), Generali (Az. IV 202/10), im Dezember bei Signal Iduna (Az. IV ZR 200/10).
Allianz gibt klein bei
Auch die Verträge der Allianz prüften die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) bereits. Ihre Entscheidung wollten sie Anfang dieses Jahres verkünden. Da zog das Unternehmen im Dezember 2012 seine Beschwerde vor dem BGH gegen die Entscheidung der Stuttgarter Richter in aller Stille zurück. Damit ist das Urteil des Oberlandesgerichts nun rechtskräftig.
Rund eine halbe Million Allianz-Kunden erhalten Geld zurück. Die wenigsten von ihnen haben ihren Vertrag gekündigt. Mehr als 90 Prozent haben ihn beitragsfrei gestellt, sagt das Unternehmen. Anders als die Kündiger müssen sie keine Forderung stellen. Ihnen berechnet die Allianz von selbst den höheren Rückkaufswert. Betroffene sollten das aber in der Standmitteilung kontrollieren, die der Versicherer jährlich verschickt.
In allen Fällen hat die Verbraucherzentrale Hamburg geklagt und auf ganzer Linie gewonnen. „Damit haben höchste Gerichte rund 50 Prozent der Branche die nachteiligen Klauseln untersagt“, sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Mit diesen Urteilen im Rücken haben die Verbraucherschützer zwölf weitere Lebensversicherer aufgefordert, ihre kundenunfreundlichen Regeln zurückzunehmen und Unterlassungserklärungen abzugeben. Das betrifft im Einzelnen die Aachen+Münchener, Axa, BHW, DBV, HDI/Gerling (Aspecta), Nürnberger, R+V, Skandia, Stuttgarter Leben, VGH Provinzial, Victoria und Zurich.
Tipp: Auch diese Firmen werden Geld zurückzahlen. Haben Sie Ihre Kapitallebens- oder Rentenversicherung vor 2008 bei einem nicht aufgeführten Unternehmen abgeschlossen und vorzeitig gekündigt, sollten Sie ebenfalls Geld fordern. Für jeden ist es Gold wert, seine Gesellschaft schriftlich zu einem Nachschlag aufzufordern. Nach Schätzung der Verbraucherzentrale Hamburg stehen jedem im Schnitt 500 Euro Nachschlag zu, oft gar mehr als 1 000 Euro.
Etwa jeder Zweite gibt seine Lebensversicherung vorzeitig auf. Je länger die Laufzeit eines Vertrags, desto weniger halten bis zum Ende durch. Bei sehr lang laufenden Policen von 30 Jahren – das ist die Mehrheit der Verträge – liegt die Quote der Abbrecher bei 76 Prozent. Stiegen Kunden in den ersten Jahren der Vertragslaufzeit aus, verloren sie viel Geld. Der Grund: Die Assekuranz zog von den gezahlten Beiträgen die vollen Abschluss- und Verwaltungsgebühren und die Maklerprovision ab.
Für den Einzahler blieb kaum etwas übrig. Im Schnitt bekamen Kündiger laut Berechnungen des Bamberger Finanzwissenschaftlers Andreas Oehler, Vorsitzender des Verwaltungsrats der Stiftung Warentest, bisher nur 27 Prozent ihrer Beiträge zurückgezahlt. Mit der neuen Rechtsprechung ist das vorbei. Insgesamt erhält jeder Kunde jetzt mindestens die Hälfte seiner eingezahlten Beiträge zurück.
Viele Lebensversicherer haben Kunden außerdem keine präzisen Informationen darüber gegeben, wie sich der Rückzahlungsbetrag zusammensetzt. Auch diese Praxis müssen die Unternehmen ändern, wie die Landgerichte München I (Az. 31 S 8182/06) und Hamburg (Az. 302 O 147/06) entschieden haben.