
Es ist serviert. 1969 gab es für die Tester Ochsenschwanzsuppe in Dosen – Speicheldrüsen inklusive.
Arzneimittel in Honig, Acetaldehyd in Mineralwasser, Weichmacher in Olivenöl: Seit fast 50 Jahren finden die Tester Unerwünschtes in Lebensmitteln. Manche Funde trugen dazu bei, dass die EU in Verordnungen Grenzwerte festlegte oder Kriterien für die korrekte Benennung von Produkten entwickelt wurden. Und in vielen Fällen führten die Tests dazu, dass die Lebensmittel anschließend besser wurden.
Ist da was drin, was da nicht rein soll?
Ochsenschwanzsuppe gilt vielen als etwas Besonderes. In einer der Dosen mit solcher Suppe stießen die Tester 1969 jedoch auf etwas, das dort nicht hineingehörte: auf Spuren von Speicheldrüsen. „Das bedeutet, dass zumindest teilweise Kopffleisch verwendet wurde – was nicht handelsüblich ist und beanstandet werden muss“, schrieb der Autor. Damals wie heute gehört zu jedem Lebensmitteltest die Frage: Ist da etwas drin, was nicht drin sein soll? Ein halbes Jahrhundert – und 371 Lebensmitteltests später – ist klar: Die Antwort lautet nicht selten „Ja“.
Tests führen zu besseren Lebensmitteln
Die Funde haben Folgen: Die Veröffentlichung bewahrt Kunden vor dem Kauf dieser Lebensmittel. Die Analyse führt auch dazu, dass sich die Qualität verbessert. Oder, wie Birgit Rehlender, seit 26 Jahren bei der Stiftung Warentest für Lebensmitteluntersuchungen verantwortlich, es beschreibt: „Kriminalistisch arbeiten zahlt sich aus.“
Sherlock Holmes im Labor
Ausdauer, Neugierde und Unerschrockenheit eines Detektivs können Testern bei der Stiftung Warentest auf keinen Fall schaden: Von Weichmachern in Pesto über Fadenwürmer in Wildlachs und Schimmelpilzgiften in Nudeln bis zu Mineralöl in Schokolade oder Zuckerzusatz in Orangensaft reicht die Palette an unerwünschten Stoffen, die sie gefunden haben. Grob zusammengefasst handelt es sich um Rückstände und Kontaminanten aus Umwelt oder Herstellung, krankmachende Keime, Fremdkörper, Verfälschungen. Sie gelangen auf vielen Wegen hinein: Die Weichmacher, die wir 2005 in Babybrei und Pesto fanden, stammten aus PVC-haltigen Dichtungsringen im Deckel, die im Käse aus der Packungsfolie. Für Fachleute war das keine Überraschung.
Das Rätsel ums Olivenöl
Anders sah es bei der Substanz aus, die die Tester im selben Jahr in Olivenöl entdeckten. „Wie kommen Weichmacher da rein? Wir waren überrascht“, erinnert sich Lebensmittelchemikerin Rehlender. Des Rätsels Lösung: Der kritische Stoff namens DEHP, der die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen kann, stammte aus PVC-Schläuchen bei Produktion und Abfüllung. Die Hersteller hatten wohl nicht bedacht, dass Öl, das länger im Schlauch steht, den Stoff leicht aus PVC löst. Experten bekannt, doch für Laien erstaunlich sind auch die vielfältigen Ursachen für Mineralöle, die die Tester 2012 in Schokostückchen aus Adventskalendern fanden: Als Quellen kommen Druckfarben der Kartonkalender oder Umverpackungen infrage, aber auch Maschinenöle aus der Produktionskette.
Braunes Klümpchen im Schinken
Den Eintragsweg ausfindig zu machen, ist Aufgabe der Anbieter. Wie zum Beispiel ein himbeergroßes braunes organisches Klümpchen in 2011 untersuchten Schwarzwälder Schinken gelangte, kann nur der Hersteller rekonstruieren – und „seine Kontrollen verbessern“, sagt Lebensmitteltester Jochen Wettach. Andere organische Funde mit Ekelfaktor kann auch ein noch so sorgfältiger Hersteller nicht völlig verhindern, wie etwa Nematoden im tiefgekühlten Wildlachs, gefunden ein Jahr später. „Solche Fadenwürmer kommen in Wildlachs häufiger vor“, erklärt Wettach. Die analysierte Menge lag noch im Toleranzbereich der Lebensmittelkontrolle. Fazit: unappetitlich, aber nicht gefährlich, da die Parasiten beim Tieffrieren oder Erhitzen absterben.
Vergammelt bis krebserregend
Wie stark sich solche Funde aufs test-Urteil auswirken, hängt von der Menge ab, den üblicherweise verzehrten Portionen, vor allem aber vom Gefährdungspotenzial: Wie gravierend sind Folgen für die Gesundheit? Gibt es wissenschaftliche Belege oder nur Hinweise? Sind Höchstwerte überschritten? Bisweilen ist ein Stoff ungefährlich, wirkt sich aber negativ auf den Geschmack aus wie Acetaldehyd in Mineralwasser aus PET-Flaschen im Jahr 2008. Manchmal ist die Zahl der Verderbniskeime so hoch, dass ein Produkt verdorben und schon „pelzig auf der Zunge“ ist, wie teurer Räucherlachs aus einem Nobelkaufhaus (2010). Potenziell krebserregendes Anthrachinon in Pesto, entdeckt 2013, führte zu mangelhaft im Qualitätsurteil, ebenso der hohe Gehalt am Weichmacher DEHP in nativem Olivenöl extra 2005. Auch für Arzneimittelrückstände in Honig gab es mangelhaft. Besteht ein Gesundheitsrisiko, informiert die Stiftung Warentest Hersteller und Behörden vorab.
Ein bedeutsamer Fund
Um solchen Missständen auf die Spur zu kommen, sind effektive Methoden bei der Laboranalyse unabdingbar. Das gilt besonders, wenn es um Tricksereien geht. „Fälscher sind uns meist einen Schritt voraus“, erklärt Birgit Rehlender. Dann erzählt sie von ihrem „ersten bedeutsamen Fund“, dem unerlaubten Zuckerzusatz in Orangensaft. Um den nachzuweisen, nutzte sie 1994 erstmalig die Isotopen-Analyse, bis dahin nur für Wein üblich. Der Einsatz wurde belohnt: Rehlender fand nicht nur in 3 von 26 Säften Zucker. Die Methode ist heute offizielles Prüfkriterium bei Fruchtsaft, angewandt auch von der Industrie im Rahmen der freiwilligen Selbstkontrolle.
Wirkung auf Hersteller und Gesetze
Auch Prüfungen auf Weichmacher bei Olivenöltests gehören heute zur guten Laborpraxis. Unsere kritischen Funde 2005 führten dazu, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung sie toxikologisch beurteilte. Seitdem liegt eine offizielle Einschätzung ihrer Gefährlichkeit vor. Die Früchte der Testarbeit zeigten sich bald. Bei Nachfolgetests fand das Labor nur noch selten Weichmacher in Speiseölen. Andere Funde trugen dazu bei, dass die EU in Verordnungen Grenzwerte festlegte oder wie bei Honig die Leitsätze im Lebensmittelbuch neu gefasst wurden. Seit es dort Kriterien zur korrekten Auslobung von Produkten gibt, sind Marketingwörter wie „wabenecht“ auf Honig selten geworden. Die 1997 von Rehlender im Mineralwassertest entdeckten riskanten Keime für Personen mit geschwächtem Immunsystem führten unter anderem dazu, dass die Abfüllanlagen seither besser gereinigt werden. Darüber freut sie sich, doch zufrieden ist sie noch nicht. „Die Mineral- und Tafelwasserverordnung ist immer noch nicht strikt genug.“
Basmatireis ohne Basmati
Manchmal müssen die Tester auch nach dem suchen, was im Produkt sein sollte, finden es aber nicht. So vermissten sie Vanille im „Vanilleeis“ und stießen auf „Basmatireis“, der kein einziges Korn Basmatireis enthielt. Da ist es auch im Jubiläumsjahr der Stiftung Warentest ein schwacher Trost, dass solche Fälle ebenfalls historische Vorgänger haben. So gab es schon unter den Ochsenschwanzsuppen 1969 eine, in der „vom Schwanze des Ochsen absolut nichts mehr zu finden war“.