Interview: „Teure Handelsmarken erobern Regale“

Professor Peter Kenning leitet den Lehrstuhl für „Betriebswirtschaftslehre insbesondere Marketing“ an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und ist Sprecher des Koordinierungsgremiums im Netzwerk Verbraucherforschung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.
Kunden entscheiden sich zunehmend für Handelsmarken. Professor Peter Kenning erläutert, wie Händler Qualität und Preise bestimmen und mit Bio- und Gourmet-Handelsmarken etablierte Marken verdrängen.
Ansprüche an Handelsmarken wachsen
Die Beliebtheit von Handelsmarken steigt. Was macht sie so attraktiv?
Der Kunde kauft sie wegen der niedrigeren Preise, weil er gute Erfahrungen gemacht hat und der Qualität vertraut. Die meisten Verbraucher halten die Qualität für so gut wie die von Marken. Allerdings wachsen die Ansprüche an Handelsmarken. Kunden achten immer mehr auch auf Design und Bioqualität.
Warum brauchen Handelsmarken meist keine Werbung?
Der Händler bestimmt, wie er die Handelsmarken vor Ort präsentiert. Wenn er zum Beispiel seine Gourmet-Handelsmarken auffällig in Szene setzt, kann das Spontankäufe auslösen. Durch die Präsentation vor Ort kann er etwa auf teure TV-Werbung verzichten. Der Käufer von Handelsmarken vertraut allgemein dem Händler, dessen Name oft eng mit der Handelsmarke verbunden ist. Das erleichtert die Kaufentscheidung.
Premium- und Bio-Handelsmarken werden immer wichtiger
Welche Rolle spielen teure Handelsmarken für Gourmets und Biokäufer?
Die Bedeutung von Premium-Handelsmarken wie Edeka Selection oder auch Bio-Handelsmarken wächst etwa seit der Jahrtausendwende. Sie erobern langsam die Regale. Mit teureren Hausmarken können sich Händler voneinander abheben. Die Premium-Handelsmarken konkurrieren im oberen Preissegment mit Herstellermarken, die dort früher das Sagen hatten. Den Wettbewerb überstehen nur die stärksten Marken.
Wer stellt die Handelsmarken überhaupt her?
Das ist unterschiedlich. Oft produzieren Markenhersteller für Handelsunternehmen. So lassen sich Kapazitäten ausnutzen, Überschüsse absetzen. Es gibt auch Firmen, die nur Handelsmarken herstellen. Zudem betreibt der Handel selbst einige Produktionsstätten: Lidl eine Schokoladenfabrik, Edeka Fleischwerke.
Wie wirkt sich der Erfolg der Handelsmarken auf die Markenhersteller aus?
Viele Hersteller müssen einen Spagat hinbekommen. Wenn sie neben einer eigenen Marke auch Handelsmarken produzieren, sind sie auf ein gutes Verhältnis zum Händler angewiesen. Wenn dieser die Verträge unerwartet kündigt, kann der Hersteller die frei werdenden Kapazitäten oft nicht anders nutzen. Viele Händler setzen zwar auf langfristige Bindung und Partnerschaft zu Lieferanten, verlangen aber auch vorteilhafte Konditionen für sich.
Attraktive Markenprodukte setzen sich durch
Wie rechtfertigen Hersteller klassischer Markenprodukte höhere Preise?
Viele verstehen sich als Innovatoren. Sie haben eine Idee für ein Produkt, treiben Marktforschung, bewerben und vermarkten es. Das macht Markenprodukte teuer, zumal Innovationen nicht selten floppen. Wenn das Produkt aber attraktiv ist, setzt es sich im Markt durch. Und Händler können sich durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis profilieren. Auch daher listet Aldi wieder Marken ein.
Milch, Butter, Nudeln – Handelsmarken kosten oft gleich viel. Warum? Aldi Nord und Süd geben bei Produkten des täglichen Bedarfs oft noch den Preis vor. Die Konkurrenz zieht sofort nach.
Wie wirken die Tests der Stiftung Warentest?
Gute Testergebnisse sind sehr wirksame Werbung für Händler. Schlechte Ergebnisse üben Druck auf Handelsmarkenhersteller aus. Beim ersten schlechten Testurteil bekommen viele die gelbe Karte. Erfolgt keine Verbesserung, kann eine weitere schlechte Note dazu führen, dass der Händler die Verträge kündigt.