Lebens­mittel-Informations­ver­ordnung Was sie wirk­lich bringt

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Lebens­mittel-Informations­ver­ordnung - Was sie wirk­lich bringt

Die goldene Tüte glänzt fest­lich, blendet aber gleich­zeitig beim Lesen. Verbraucher können etwa die Zutaten schwer entziffern.

Am 13. Dezember 2014 tritt EU-weit die Lebens­mittel-Informations-Verordnung (LMIV) in Kraft. Sie regelt die Kenn­zeichnung von Lebens­mitteln neu. Ziel der Verordnung ist es, Verbraucher besser über die Zutaten von Lebens­mitteln zu informieren. Was ist von den Neuerungen zu halten? Welche nutzen dem Verbraucher wirk­lich? Die Lebens­mittel-Experten der Stiftung Warentest, die bei ihren Lebens­mittel­unter­suchungen auch stets die Deklaration bewerten, beant­worten elf wichtige Fragen.

1. Was sind die wesentlichen Neuerungen?

Mit Inkraft­treten der neuen Verordnung ändert sich die Kenn­zeichnung für Stoffe, die Allergien und Unver­träglich­keiten auslösen können. Das betrifft lose und verpackte Ware, aber auch Angebote der Gemein­schafts­verpflegung aus Kantinen- oder Restaurantküchen. Darüber hinaus soll die Lesbarkeit der Pflicht­angaben auf verpackten Waren verbessert werden. Nach dem Vorbild Rind­fleisch muss ab April 2015 die Herkunft von Schweine-, Lamm-, Ziegen- und Geflügel­fleisch angegeben werden. Erst in zwei Jahren werden Nähr­wert­angaben Pflicht. Hinzu kommen schon jetzt weitere Vorgaben wie Warnhin­weise auf koffeinhaltigen Getränken oder die Angabe der bota­nischen Herkunft bei Pflanzen­ölen (siehe Meldung Verbraucher müssen künftig besser informiert werden).

2. Was bringt die Verordnung für Allergiker?

All­ergene Stoffe müssen ab sofort im Zutaten­verzeichnis besonders hervorgehoben werden. Das kann geschehen, indem das entsprechende Wort fett oder in einer anderen Schrift oder Farbe gedruckt wird. Auf die 14 Inhalts­stoffe, die häufig Allergien auslösen, musste auch bisher schon hingewiesen werden. Die LMIV regelt nun, wie dies zu geschehen hat. Zu den betroffenen All­ergenen gehören etwa Nüsse, Milch, Weizen, Ei, Soja oder Senf. Neuerdings müssen auch „versteckte“ All­ergene besser kennt­lich gemacht werden. Wenn beispiels­weise ein Produkt Lecithin enthält, das aus Soja oder Ei gewonnen wurde, muss das jetzt im Zutaten­verzeichnis konkret benannt werden: Lecithin (Soja) beziehungs­weise Lecithin (Ei).

Tipp: Die Broschüre Kennzeichnung von Lebensmitteln – Die neuen Regelungen können Sie von der Webseite des Bundes­ministeriums für Ernährung und Land­wirt­schaft herunter­laden.

3. Wie informieren sich Allergiker über lose Ware?

Auch bei loser Ware profitiert der Allergiker: Im Back-Shop ebenso wie an der Wurst- oder Käse­theke hat er nun ein Recht, über All­ergene informiert zu werden. Diese Information kann der Verkäufer mündlich geben, aber sie muss im Laden auch schriftlich verfügbar sein. Wo der Kunde diese Informationen finden kann, muss er im Laden leicht erkennen können. So hat es der Gesetz­geber kurz vor Inkraft­treten der EU-Verordnung für Deutschland geregelt.

4. Erfahre ich in der Kantine, ob All­ergene im Essen sind?

Ja, auch hier müssen All­ergene gekenn­zeichnet werden. Allerdings stößt die neue All­ergen­kenn­zeichnung in der Gemein­schafts­verpflegung – etwa in der Mensa, der Kantine oder im Restaurant – an ihre Grenzen. Aus Vorsicht dürfte sich mancher Betreiber mit einem generellen Warnhin­weis behelfen. Auf den Speisekarten könnte dann etwa stehen: „Alle unsere Gerichte können folgende All­ergene enthalten: …“. Mit diesem Warnhin­weis ist dem Allergiker nicht geholfen. Konnte er bislang um Speisen mit für ihn kritischen Zutaten einen Bogen machen, kann er diese aufgrund des allgemeinen Hinweises nun nicht mehr identifizieren – und faktisch keine der angebotenen Speisen guten Gewissens verzehren. Denn unfreiwil­lige Spuren von All­ergenen sind in der Küche nicht zu vermeiden.

5. Was bringt die neuerdings vorgeschriebene Schrift­größe?

Die nun geltende Mindest­schrift­größe, nach der das kleine „x“ mindestens 1,2 Milli­meter groß sein muss, garan­tiert allein noch keine bessere Lesbarkeit von Zutaten, All­ergen­hinweisen oder Nähr­wert­angaben. Wichtig sind auch Farb­kontrast, Schrift­art und Unter­grund. Ob Verbraucher die wichtigen Angaben gut lesen können, prüft die Stiftung Warentest regel­mäßig bei ihren Lebens­mittel­unter­suchungen. Beispiels­weise bei glänzendem Unter­grund nützt die beste Schrift nichts, wie das Bild aus dem aktuellen Test von Pralinen zeigt.

6. Erfährt der Verbraucher jetzt mehr über die Herkunft der Produkte?

In einigen Fällen schon. Was der Verbraucher bei Rind­fleisch bereits in den letzten Jahren zu schätzen gelernt hat, darf er nun auch bei Schweine-, Lamm-, Ziegen- und Geflügel­fleisch erwarten: Geburts-, Aufzucht- und Schlacht­land müssen jetzt auf der Verpackung stehen. Das gilt aber leider nur für frisches, gekühltes oder gefrorenes Fleisch. Bei verarbeitetem Fleisch, beispiels­weise in Fertigge­richten, erfährt der Käufer nicht in allen Fällen, wo es herkommt. Da ist die Herkunfts­angabe freiwil­lig, wie auch bei anderen Lebens­mitteln – mit einer grund­sätzlichen Ausnahme: Die Herkunft muss genannt werden, wenn etwa Flaggen, Fotos oder Siegel auf dem Produkt eine bestimmte Herkunft suggerieren, das Produkt tatsäch­lich aber woanders herkommt. Wenn auf einer Packung zum Beispiel „Deutscher Gouda“ steht, die Milch dazu aber aus Frank­reich kommt, muss das auf der Verpackung kennt­lich gemacht werden. Sonst würde der Verbraucher irregeführt werden.

7. Ist jetzt auch klar, was regionale Herkunft ist?

Nein. Die Angabe „regionale Herkunft“ ist weiterhin nicht definiert, die LMIV erwähnt sie nicht einmal. Dabei werben immer mehr Anbieter mit Angaben wie „aus der Region“. Im Moment muss man sich in Deutsch­land noch mit dem Regionalfenster des Bundes­ministeriums für Ernährung und Land­wirt­schaft (BMEL) zufrieden geben. Die Stiftung hat in ihrem Test von regionalen Lebensmitteln berichtet, wie der Stand hierzu ist. Wünschens­wert für die Verbraucher wäre eine einheitliche europäische Regelung. Denn viele importierte Lebens­mittel kommen aus bestimmten Regionen der jeweiligen Länder, ohne dass sie eine anerkannte Spezialität mit einer von der EU geschützten Herkunfts­angabe sind.

8. Sind die Nähr­wert­angaben jetzt verbraucherfreundlicher?

Ja. Bisher waren Nähr­wert­angaben über­wiegend freiwil­lig, uneinheitlich und nur unter bestimmten Voraus­setzungen Pflicht. Für den Verbraucher erschloss sich auch nicht, warum der eine Anbieter auf seinem Lebens­mittel nur den Brenn­wert, den Eiweiß-, Kohlenhydrat- und Fett­gehalt („BIG 4“) angibt, der andere hingegen auch noch die Ballast­stoffe, die gesättigten Fett­säuren, den Zucker- und den Natrium­gehalt („BIG 8“). Nun wird es einheitlich – auf allen Produkten werden künftig „BIG 7“ stehen: Sowohl der Brenn­wert als auch die Mengen an Fett, gesättigten Fett­säuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz werden zu finden sein. Alle weiteren Angaben sind mehr oder weniger freiwil­lig. Schade: Diese verpflichtende Nähr­wert­kenn­zeichnung kommt erst zwei Jahre nach Inkraft­treten der LMIV.

9. Welche Vorteile bringt die neue Salz­angabe?

Für Verbraucher, die sich für den Kochsalz­gehalt interes­sieren, wird es künftig leichter. Sie finden den Salz­gehalt auf dem Etikett und müssen nicht mehr von der bisher vorgeschriebenen Natrium­angabe auf Kochsalz (Natrium­chlorid) umrechnen. Das über­nimmt jetzt der Hersteller. Der Verbraucher kann sich aber nicht bei allen Produkten ganz auf die angegebene Salzmenge verlassen: Wenn Salz gar nicht zugesetzt ist, sondern das Natrium aus natürlichen Zutaten wie Fisch und Gemüse oder aus Zusatz­stoffen wie Konservierungs­mitteln stammt, ergibt sich nämlich ein zu hoher Salz­gehalt. Es sei denn, auf dem Etikett steht, woher das Natrium noch kommt. Der zweite Salz­bestand­teil, das Chlorid, wird bei diesen Berechnungen nicht berück­sichtigt. Nur wer auch den Chlorid­gehalt kennt, kann die tatsäch­liche Kochsalzmenge berechnen. Wie viel Kochsalz in verarbeiteten Produkten steckt, hat die Stiftung Warentest im Test von Salz in Lebensmitteln im Labor ermittelt.

10. Ist jetzt mit verstecktem Zucker Schluss?

Ja. Der gesamte Zucker­gehalt eines Lebens­mittels – egal woher er kommt – ist jetzt genauso wie der Salz­gehalt eine Pflicht­angabe. Er steht also in der Nähr­wert­tabelle. Der Verbraucher muss nicht mehr im Zutaten­verzeichnis nach versteckten Zuckern suchen, etwa aus zuckerhaltigen Zutaten wie Sirup, Honig oder Früchten.

11. Gelten alle Neuerungen ab sofort?

Nein. Bis alle Rege­lungen in Kraft getreten und die Über­gangs­fristen ausgelaufen sind, muss der Verbraucher noch uneinheitlich gekenn­zeichnete verpackte Lebens­mittel hinnehmen. Allein der Abver­kauf der Lebens­mittel, die vor dem 13. Dezember 2014 hergestellt wurden, wird noch eine Weile dauern.

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Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

Gelöschter Nutzer am 15.12.2014 um 17:58 Uhr
Lachnummer

Eine einzige Lachnummer! War ja aber auch nicht anders zu erwarten, kommt ja von der EU. Statt sich wenigstens darauf zu beschränken, Mindestangaben festzulegen, sind die Angaben nun also abschließend. Das ist nun wirklich ein Brüller. Hersteller, die ihre Kunden also nun umfassender informieren wollen, dürfen dies in der Nährwerttabelle nicht mehr tun. Man kann also mittlerweile eine jede EU-Verordnung ungelesen in die Tonne treten. Man liegt damit immer richtig.

Profilbild Stiftung_Warentest am 15.12.2014 um 14:55 Uhr
Transfettsäuren

@kaksonen: Da die EU-Kommission die gesetzlichen Vorgaben als abschließend betrachtet, dürfen künftig weder Cholesterin noch Transfettsäuren in der Nährwerttabelle angegeben werden. Zu Transfettsäuren ist geplant, die Verbraucher auf anderem Weg zu informieren, wenn die wissenschaftlichen Arbeiten hierzu abgeschlossen sind. Wie dies im Einzelnen geschehen soll ist noch nicht bekannt.
Auch Omega-3-Fettsäuren als Bestandteil der ungesättigten Fettsäuren werden nicht mehr in der Tabelle stehen. Man wird lediglich dann einen Hinweis auf Omega-3-Fettsäuren (im selben Sichtfeld mit der Nährwertkennzeichnung) finden, wenn das Lebensmittel als Quelle für Omega-3-Fettsäuren oder ein hoher Gehalt im Lebensmittel ausgelobt ist. (BP)

Profilbild test_de-Schlussredakteur am 15.12.2014 um 09:42 Uhr
Broschüre des BMEL

@gargpi
Vielen Dank für Ihre Anregung! Wir haben den Link zur Broschüre des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft noch ergänzt. (aci)

kaksonen am 13.12.2014 um 17:31 Uhr
Transfette

In Ihrem Bericht werden Transfette nicht erwähnt. Heißt das, dass die Verordnung nicht vorschreibt, den Anteil der Transfett-Säuren anzugeben?

Dörthe2304 am 13.12.2014 um 16:11 Uhr
Fleischherkunft

Unter Punkt 6: es müsste dringend auch bei Fertigprodukten die Angabe des verarbeitenden Fleisches deklariert werden. Was ist drin und woher kommt es. Denn in Deutschland gelten oft strengere Auflagen in der Landwirtschaft bei Viehzucht als in den anderen EU-Laendern. Es kann nicht sein, dass die Lebensmittelproduzenten, trotz der hohen Subvestionen, manschen und panschen können wie sie wollen. Gerade beim Fleisch, welches immer billiger wird, weil die Konkurrenzkämpfe der Hersteller weiter ausgedehnt werden, bleiben die Tiere auf der Strecke. Wer möchte denn das vergiftete, verseuchte und mit Medikamenten behandeltes Fleisch essen? Ist kein Wunder, dass die Menschen immer mehr Allergien bekommen! Und das Leid der Tiere wird auch noch zunehmen.