
Die Verbraucherzentrale Hamburg hat im Rechtsstreit mit der Axa einen wichtigen Etappensieg errungen. Der Versicherer muss bei vorzeitiger Kündigung von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen zumindest knapp die Hälfte der Versicherungsbeiträge erstatten und darf keine Stornoabzüge verrechnen. Bitter: Seit sieben Jahren zieht sich das Verfahren hin. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. test.de erklärt, warum es der Verbraucherschutz so schwer hat.
Urteil mit dramatischen Folgen
Eigentlich ist alles klar, seit der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2005 grundsätzlich entschied: Die Klauseln der Versicherer über die Ermittlung des Rückkaufswert bei vorzeitig gekündigten Vorsorgeverträgen sind unwirksam. Die Folgen sind dramatisch: Es geht um Milliarden von Euro. Zusammengefasst und stark vereinfacht: Bis dahin hatten die Versicherer bei Kündigung in den ersten Jahren nach Vertragsschluss nur einen Bruchteil der Beiträge zurückgezahlt – wenn überhaupt. Laut Bundesgerichtshof müssen die Versicherer mit unwirksamen Klauseln nun bei Vertragskündigung von Anfang an zumindest die Hälfte des Deckungskapitals erstatten. Stornoabzüge sind gar nicht zulässig. Nur Verwaltungskosten und auf die Deckung von Todes- oder Berufsunfähigkeitsrisiko etwa entfallende Beträge dürfen Versicherer von den Beiträgen ihrer Kunden abziehen. Im Ergebnis heißt das in aller Regel: Kunden steht bei vorzeitiger Kündigung stets die Rückzahlung zumindest knapp der Hälfte ihrer Beiträge zu.
Axa verweigert Nachschlag
Doch die Branche mauerte weiter. Nur wenige Unternehmen gehen auf ihre Kunden zu und bieten nachträglich höhere Rückkaufswerte an. Auch die Axa weigert sich. Mehr noch: Auch bei nach dem BGH-Urteil abgewickelten Vertragskündigungen zahlt sie aus Sicht von Verbraucherschützern zu wenig. Im Sommer 2006 hatte die Verbraucherzentrale Hamburg deshalb beschlossen, gegen den Versicherer aus Köln vor Gericht zu ziehen. Ein Dutzend Kunden traten ihre Forderungen gegen die Versicherung an die Verbraucherschützer ab. In drei Fällen stellte sich später heraus: Die Forderung waren verjährt. In den übrigen neun Fällen entspann sich ein erbitterter und langwieriger Rechtsstreit.
Verfahren zieht sich hin
Das Landgericht Köln wies die Klage der Verbraucherschützer im Jahr 2008 ab. Die Richter befanden: Die Verbraucherschützer durften sich die Forderungen der Axa-Kunden gar nicht abtreten lassen. Das Oberlandesgericht hielt die Abtretung zunächst ebenfalls für unwirksam. Doch dann änderte sich die Gesetzeslage und die Verbraucher traten ihre Forderungen erneut an die Verbraucherzentrale Hamburg ab. Das Oberlandesgericht verurteilte den Versicherer nunmehr dazu, den Verbraucherschützern detaillierte Auskünfte zum Deckungskapital zu erteilen. Das war im Februar 2010. Jetzt hat der BGH dieses Zwischenurteil noch etwas verschärft, nachdem sowohl die Axa als auch die Verbraucherschützer Revision eingelegt hatten. Die Axa muss nun noch etwas genauer als vom Oberlandesgericht vorgesehen Auskunft erteilen.
Angebot der Axa reicht Verbraucherschützern nicht
Doch die jetzt endgültig erfolgreiche Klage auf Auskunft ist nur der erste Schritt. Anhand der Auskünfte wollen die Verbraucheranwälte nun ausrechnen, wie viel Geld den Versicherten noch zusteht. Die Axa hat ihren Ex-Kunden im Revisionsverfahren insgesamt 2 547 Euro nachgezahlt. Die Verbraucherzentrale Hamburg glaubt jedoch: Je Vertrag fehlen durchschnittlich 500 Euro und damit insgesamt rund 5 000 Euro.
Einwände ohne Ende
Im Rechtsstreit um die Lebens- und Rentenversicherungsverträge der Axa stehen sich David und Goliath gegenüber. Während die Verbraucherschützer mit einem Einzelanwalt in die juristische Auseinandersetzung gehen, kann der Versicherer auf eine Vielzahl spezialisierter Juristen einer Großkanzlei zurückgreifen. Die ungleichen Voraussetzungen haben Folgen: Die Axa-Anwälte seien „bis an die Grenze der Sittenwidrigkeit kreativ“, wenn es darum gehe, Argumente gegen die Forderungen der Versicherten zu finden, sagt Verbraucherschutzanwalt Joachim Bluhm. Selbst an sich klare Vorgaben des BGH zögen sie in Zweifel und traktierten Gerichte und Gegner mit langen und zeitraubenden Schriftsätzen.
Noch ein weiter Weg
Einzelne Versicherungskunden haben keine realistische Chance, derartige Forderungen gegen Versicherer durchzusetzen, kommentiert Kerstin Becker-Eiselen das Verfahren bitter. Sie ist Leiterin des Bereichs Versicherungen bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Sie und ihre Kollegen wollen deshalb unbedingt dran bleiben. Aber ihr ist klar: „Das ist noch ein weiter Weg“.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.06.2013
Aktenzeichen: IV ZR 39/10
[Update 22.07.2013] Die Axa hat, nachdem test.de ihr dazu bereits am Freitagnachmittag Gelegenheit gegeben hatte, inzwischen Stellung genommen. Der Versicherer will die 31 Seiten lange Urteilsbegründung zunächst genau prüfen, bevor er über das weitere Vorgehen entscheidet, erklärte Axa-Sprecherin Ursula Roeben. Das Unternehmen müssen vor allem auch die Interessen der Kunden im Auge behalten, die der Axa treu bleiben und ihre Verträge nicht vorzeitig kündigen. Was den Vorwurf übertriebener Kreativität bei der Verteidigung gegen die Klage angeht, erklärt sie wörtlich: „Der Vorwurf entbehrt jeder Grundlage und wir weisen ihn zurück. Vielmehr haben wir unsere Pflichten und Verantwortung für die Versichertengemeinschaft wahrgenommen, was diese auch von uns erwartet.“
[Update 25.07.2013] Gerade erstattet die Axa Kunden, die ihre Verträge lange nach dem BGH-Grundsatzurteil gekündigt haben, zu Unrecht erhobene Stornoabzüge. Die hatte die Axa entgegen der klaren Vorgaben der Bundesrichter vom Rückkaufswert abgezogen, wenn der Rückkaufswert ab je nach Vertrag fünf bis zehn Jahren Laufzeit insgesamt den vom BGH vorgegebenen Mindestwert erreichte. Allerdings: Soweit bekannt zahlt der Versicherer nur an Betroffene, die das – etwa mit Musterbrief der Verbraucherzentrale Hamburg – vor Ablauf der Verjährungsfrist drei Jahre nach Ende des Jahres mit der Kündigung gefordert haben. Nach Schätzungen der Verbraucherschützer stehen noch Tausenden von Axa-Kunden Nachzahlungen zu; in zahllosen weiteren Fällen sind die Forderungen inzwischen verjährt. test.de rät: Fordern Sie Erstattung etwaiger Stornoabzüge, wenn Sie Ihren Kapitallebens- oder Rentenversicherungsvertrag bei der Axa im Jahr 2010 oder später gekündigt haben und sie mehr als rund 45 Prozent ihrer Beiträge zurückbekommen haben. Verwenden Sie die Mustertexte der Verbraucherzentrale Hamburg.
[Update 05.08.2013] Die Axa hat der Verbraucherzentrale Hamburg die aus ihrer Sicht nach der Verurteilung durch den BGH fälligen Auskünfte bereits erteilt. Verbraucherschutzanwalt Joachim Bluhm zeigte sich überrascht: Bei keinem Vertrag sei eine Überschussbeteiligung in das Deckungskapital oder den Rückkaufswert eingegangen, berichtet er; überall stehen nur Nullwerte . Allerdings behauptet die Axa: Einige Kunden hätten dennoch eine Überschussbeteiligung erhalten. Außerdem aus Bluhms Sicht erstaunlich: Bei einigen dieser Verträge passen die behauptete Überschussbeteiligung und die hierauf abgeführten Steuern nicht zusammen. So will die Axa einem Vertrag Überschüsse in Höhe von 59,65 Euro zugewiesen und gleichzeitig 49,90 Euro Kapitalertragsteuer und 2,74 Euro Solidaritätszuschlag an die Finanzverwaltung abgeführt haben. Das entspricht einer Steuerlast von 84 Prozent. „Weiterhin gilt: Viel Dunkel, wenig Licht“, kommentiert der Jurist die Axa-Auskünfte.
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Die Firma Proconcept AG – auch bekannt als „LV Doktor“ – kauft Lebensversicherungen auf und verspricht dafür hohe Rückkaufswerte. Doch nicht immer hält die Firma, was sie in der Werbung verspricht. Die vollständige Meldung finden Sie unter: https://www.test.de/Lebensversicherung-Langes-Warten-auf-Geld-von-Proconcept-4489432-0/ (KL)
In solchen Fällen empfehle ich meinen Kunden die professionelle Rückabwicklung über LV-Doktor. (http://www.lv-doktor.com)
Bisher durchweg gute Erfahrungen damit gemacht und die Kunden waren immer positiv überrascht, was sie zusätzlich zum Rückkaufswert noch zurückerhielten.
Freundliche Grüße
Kevin König
Ich gebe das Geld einer Versicherung, damit sie es gefälligst auch wieder auszahlt und sich nicht dicke Häuser, Parties und Provisionen davon bezahlt oder Unsummen an Honorar für Juristen hinlegt.
meiner Meinung. Finger weg von allen Verträgen mit der Axa und ähnlichen Versicherungen welche Gelder ihrer Exkunden für sich behalten wollen.