
Made in China. Fabrikarbeiter in Shen-zhen fertigen Laufschuhe der Marke Brooks. Redakteur Thomas Müller besuchte die Fabrik (rechts). © Stiftung Warentest
Wenig Lohn, viele Überstunden – das sind die größten Probleme in den Fabriken in Asien. Zum Teil sind die Zustände aber besser als in Deutschland.
Könnte ich hier keine Überstunden machen, würde ich mir eine andere Fabrik suchen“, sagt Zhang Wei*. Der 30-Jährige steht an einer Maschine und presst bunte Kunststoffteile eines Sportschuhs der Marke Brooks. Teils elf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche.
Kein Einzelfall in der Fabrik. Der amerikanische Auftraggeber weiß das. In manchen Monaten kommt Zhang Wei auf 100 Überstunden – fast dreimal mehr als das chinesische Gesetz erlaubt. Die Behörden, so erzählt der Fabrikchef freimütig, halten still, weil sich niemand beschwert.
Gekommen, um Geld zu verdienen
Wir sind in Shenzhen, Boomtown in Südchina. Viele der etwa 15 Millionen Einwohner sind Wanderarbeiter aus ländlichen Regionen Chinas. Sie schrauben, nähen und kleben vor allem Elektronikprodukte und Textilien zusammen, oft unter widrigen Umständen. „Wenig Geld, viele Überstunden, Sicherheitsmängel – in vielen asiatischen Fabriken gibt es Probleme, nicht nur in China“, sagt Berndt Hinzmann vom Inkota-Netzwerk der Kampagne für Saubere Kleidung, die sich weltweit für bessere Arbeitsbedingungen einsetzt.
Vier Unternehmen haben gemauert
Wir wollten uns ein eigenes Bild machen und haben die zehn Anbieter aus dem Laufschuhtest gebeten, uns die Tore ihrer Produktionsstätten zu öffnen und Unterlagen zu Löhnen, Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen und Umweltschutzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Nur fünf haben es getan: Adidas, Brooks, Reebok und Salomon, die ihre Schuhe in Asien produzieren lassen, sowie Lunge, der als einziger in Deutschland fertigt. Asics hat immerhin drei unserer vier Fragebögen beantwortet, die Fabriktore aber blieben verschlossen. Die Firmen Mizuno, New Balance, Nike und Saucony haben einen Blick hinter die Kulissen komplett verweigert.
Die Fabriken, die wir in Asien besuchen durften, haben uns positiv überrascht. Die Hallen sind gut belüftet, die Arbeiter haben ordentliche Verträge, sind versichert und erhalten ihre Löhne pünktlich. Beim Umweltschutz sind die Verhältnisse besser als das, was wir in Deutschland bei dem Unternehmen Lunge gesehen haben. Vor allem die Arbeitsbedingungen in Vietnam und Indien, wo Reebok und Salomon produzieren, haben die Prüfer beeindruckt (Testergebnisse Laufschuhe CSR 8/2015).
Bessere Bedingungen als bei T-Shirts
Das Ergebnis deckt sich mit den Erfahrungen anderer. „Die Arbeitsbedingungen bei der Produktion von Laufschuhen sind etwas besser als etwa bei T-Shirts“, sagt Li Qiang von der Non-Profit-Organisation China Labor Watch (Interview).

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An einigen Stellen drückt der Schuh aber noch: So haben die geprüften Laufschuhanbieter meist nur die Sohlenhersteller und die Konfektionäre, die den Schuh zusammensetzen, im Blick. Wie es weiter unten in der Lieferkette aussieht, bei Herstellern von Komponenten, wissen sie oft nicht. Nur Brooks machte dazu Angaben. Zudem zahlen alle besuchten Fabriken als Grundgehalt nur den gesetzlichen Mindestlohn oder etwas mehr. Das reiche kaum zum Leben, sagen viele Arbeiter. Sie machen massiv Überstunden, vor allem in China.
„Vor fünf Jahren“, erzählt Zhang Wei, „bin ich mit meiner Ehefrau aus der Provinz Hunan nach Shenzhen gezogen, eine Tagesreise entfernt.“ Die kleine Tochter wachse bei den Großeltern auf. „Mit den Überstunden komme ich auf rund 4 000 Yuan im Monat“, sagt er – umgerechnet knapp 590 Euro. „Zusammen verdienen wir genug, um auch etwas nachhause zu schicken.“ Die Tochter soll eine gute Ausbildung bekommen. Und Zhang Wei träumt von einem Häuschen in der Heimat.
Einige tausend Kilometer westlich ticken die Uhren anders. Überstunden sind bei der Firma Lunge in Mecklenburg die Ausnahme. Von den 25 Mitarbeitern verdienen manche ebenfalls nur das gesetzliche Minimum oder etwas mehr. Sie zeigen sich aber zufrieden. Die Manufaktur bietet überwiegend gute Arbeitsplätze: helle, luftige Räume, idyllisch gelegen in einem umgebauten Bauerngehöft, ruhige Atmosphäre.
Der Eindruck trübte sich allerdings, als wir beim Besuch an einer Klebestation ankamen. Es roch stark nach Lösemitteln. Ob die Absauganlage wirksam ist, hat das Unternehmen nie von Dritten prüfen lassen. Ein Mitarbeiter erzählte, dass sich Kollegen wegen gesundheitlicher Probleme für andere Arbeiten haben einteilen lassen.
Lunge verlässt sich auf Zusagen
Eine Strategie, wie Lunge Verantwortung für Mitarbeiter und Umweltschutz entlang der Lieferkette übernimmt, ist nicht zu erkennen. Vieles laufe informell, teilte das Unternehmen mit, etwa durch „tägliche Mitarbeitergespräche mit dem Geschäftsführer“. Um soziale Belange zu regeln, mag das in einer so kleinen Firma funktionieren. Ein informelles Umweltmanagement, wie es Lunge praktiziert, ist aber nachlässig. Systematische Kontrollen fehlen, ebenso schriftliche Vorgaben für Zulieferer in Bezug auf Schadstoffe. Komponenten bezieht Lunge auch über Agenturen, deren Quellen die Firma oft nicht kennt. Eigene Schadstoffprüfungen finden kaum statt, man verlässt sich auf Erklärungen der Lieferanten. Da waren die asiatischen Werke deutlich besser aufgestellt.
Probleme bei Nike und Saucony
Um auch etwas über Fabriken der Verweigerer zu erfahren, haben wir in China mit Arbeitern gesprochen. Arbeiter eines Saucony-Zulieferers berichteten von massiven Überstunden, „teilweise bis die Sonne aufgeht“. Einen Monatslohn behalte die Fabrik als Pfand, um zu verhindern, dass Arbeiter ohne Ankündigung wegbleiben.
Unter einem Vorwand kann sich einer unserer Mitarbeiter in einer Fabrik umsehen. Die Hallen sind sauber, das Arbeitsklima scheint entspannt zu sein. Einige Arbeiter schlafen mit dem Kopf auf der Tragkonstruktion des Fließbands. Auffällig ist ein starker Klebergeruch, trotz Absauganlagen. Atemschutzmasken sind nicht zu sehen. Die gebe es, sagen Angestellte, würden aber als unangenehm empfunden. Wir fragen nach Kranken- und Unfallversicherungen. Kopfschütteln. Arbeitsverträge? „Wir haben etwas unterschrieben, aber keine Kopie bekommen“, sagt einer. Wir haben Saucony um Stellungnahme gebeten. Eine inhaltliche Antwort bekamen wir nicht.
Was uns Arbeiter einer Fabrik erzählen, die Nike auf seiner Website als Zulieferer nennt, ist weniger drastisch. Auch sie klagen über geringen Lohn und starken Klebergeruch. Absauganlagen seien in Betrieb, Atemschutzmasken würden aber „nur bei Kontrollen getragen“. Als willkürlich wird ein Strafsystem für Fehlverhalten empfunden. Jeder Arbeiter habe ein Konto mit 18 Punkten, von dem bei Vergehen wie Zuspätkommen Punkte abgezogen würden. „Sind alle Punkte weg, wird fristlos gekündigt“, erzählt ein Arbeiter.
Li Qiang von China Labor Watch kennt schlimmere Zustände: „Es gibt auch Nike-Zulieferer, bei denen Arbeiter nicht versichert sind und Löhne nicht pünktlich gezahlt werden.“ Wir hätten gern gesehen, wie es in dem Werk zugeht, das den von uns geprüften Schuh produziert hat. Nike hat es nicht ermöglicht. Mit den Vorwürfen konfrontiert, verwies Nike auf seinen Verhaltenskodex für Vertragsfabriken, der solche Vorkommnisse ausschließen solle.

© Stiftung Warentest
Jede vierte Fabrik, die Nike-Produkte fertigt, steht im Reich der Mitte. Andere fertigen überwiegend in Vietnam. „Fabriken wandern seit Jahren nach Südostasien ab, weil die Arbeitskosten in China steigen“, sagt Li Qiang. In den Schuhfabriken seien die Lohnzuwächse aber eher gering – bei wachsenden Lebenshaltungskosten. Jüngere heuerten lieber in der Elektronikbranche an, wo die Gehälter höher sind. „Die Arbeiter werden wählerischer“, sagt Li Qiang. „Sie geben sich nicht mehr mit allem zufrieden.“
* Name geändert.
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@Fufa111222: Leider sind die Testergebnisse aus dem Jahr 2015 zwischenzeitlich veraltet. Ihren Kommentar nehmen wir gerne als Testanregung auf und leiten sie an das zuständige Untersuchungsteam weiter. (Se)
Obwohl die Bewertungen für Asics Damen relativ gut bis sehr gut ausfallen, wundert mich dennoch das Preis-Leistungsverhältnis.
Ich habe nun das dritte Paar Laufschuh gekauft (ca140€), wo das Innenfutter innerhalb kurzer Zeit kaputt gegangen ist. So beginnt der Fuß an zu bluten. Da macht das laufen keinen Spaß mehr und man verzweifelt!!!!!!!
Ich werde nicht mehr auf die Testergebnisse achten.
Hallo liebe Testredaktion,
der Test ist ja schon einige Zeit her und es wäre an der Zeit, dass dort mal intensiver getestet wird. Viel wichtiger als Dämpfung ist die Passform. Ein Laufschuh, der nicht passt ist sinnfrei. Ein Schuh, in dem man hin- und herrutscht und die Zehen gequetscht sind während Mittel- und Vorderfuß aus dem Schuh rutschen, ist absolut nichts wert. Seit gut einem Jahrzehnt tendiert die Schuhindustrie immer volumigere Modelle zu fertigen, die kaum noch Halt- und Laufstabilität für schlanke Sportlerfüße bieten.
Vielmehr sollte streng geprüft werden, auf welchen Leisten die Schuhe entwickelt wurden und wie diese sich auf die Laufstabilität und das Kontaktverhalten zum Laufuntergrund auswirken.
Außerdem wäre es wichtig, dass beim Test beurteilt wird, welche Passformen ein Hersteller für seine Modelle anbietet. Ein Modell für alle Passformen anzubieten, sollte grundsätzlich zur Abwertung führen.
Es sind nur 0,75 Euro, aber eine Packung Kaugummis wären sinnvoller gewesen. Mehr Transparenz in den Angeboten, bitte!
Wenn ich bei anderen Produkten Discounter- mit Markenware vergleiche komme ich in der Regel zu dem Ergebnis, daß die Qualitätsunterschiede den Preisunterschied nicht rechtfertigt. Das Preis- Leistungsverhältnis ist nach meinem Dafürhalten bei den Discountern meißt das bessere. Ich bin mit meinem Aldi-Schuh für unter 30 € höchst zufrieden.
Der Test wäre mit einem exemplarischen Schuh vom Discounter erheblich informativer gewesen.
Vielleicht können Sie meine Anregung beim nächten Mal und auch bei anderen Produkten berücksichtigen.