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Liebend gern nisten sie sich auf Kinderköpfen ein. Läusemittel versprechen Abhilfe. Mit einigen gelingt das gut, aber nicht alle können wir nach unserer Untersuchung empfehlen.
Vor genau einem Jahr, nach den Sommerferien, begannen die Probleme in Klasse 7b. „Es gab einen Zwischenfall mit Läusen“, stand in der Mail, die der Klassenlehrer der Berliner Schule allen Eltern schickte. Und weiter: „Bitte überprüfen Sie Ihr Kind.“ Das sollte die Ausbreitung eindämmen. Bloß machten wohl nicht alle mit. Jedenfalls blieben die Zeiten lausig.
Eltern diskutierten im Klassen-Chat. „Haben bei Jaqueline 2 Läuse entdeckt“, steht dort. Oder: „Leider sind wir mit Lina nun auch betroffen.“ Schnell wimmelte der Chat vor Läusen. Sie verdrängten alle anderen Themen in Nischen. „Vielleicht können wir uns in Kammerjägergruppe umbenennen“, unkte ein Vater.
Immer wieder kommt es in Deutschlands Schulen und Kitas zu Ausbrüchen, oft direkt nach den Sommerferien. Läuse übertragen hierzulande keine Krankheiten und sind kein Hinweis auf schlechte Hygiene. Doch es schüttelt – und juckt – viele beim bloßen Gedanken an die Kopfkrabbler.
Sechs Läusekiller positiv bewertet
Wir haben zwölf vielverkaufte Mittel bewertet, die Abhilfe gegen Läuse versprechen. Unsere Experten sichteten Studien zur Wirksamkeit sowie Daten zu den Risiken. Aufgrund neuerer, aussagekräftiger Forschungsergebnisse haben sie in unserer Arzneimitteldatenbank mehrere Bewertungen gegenüber früheren geändert. Als Mittel der Wahl empfehlen sie nun drei Präparate mit dem Wirkstoff Dimeticon. Fast genauso gut eignen sich zwei Mittel mit altbekannten Insektengiften sowie eines mit Mineralöl (Testergebnisse: Läusemittel).
Für alle Läusekiller gilt: Damit sie sicher wirken, müssen Nutzer sie korrekt anwenden – also die Gebrauchsanleitung genau beachten. Unverzichtbar ist bei jeder Behandlung zusätzlich ein Läusekamm, um tote wie überlebende Plagegeister „auszukehren“. Mehr Informationen zum Erkennen und Behandeln erhalten Sie unter Kopfläuse erkennen und bekämpfen.
Öl ist der beste Wirkstoff
Grob lassen sich bei Läusemitteln zwei Wirkprinzipien unterscheiden. Das erste: Öl erstickt die Blutsauger. So funktionieren auch die drei Mittel, die im Test ganz vorn liegen: Dimet 20, EtoPril und Jacutin Pedicul Fluid. Sie enthalten das synthetische Öl Dimeticon. Wichtig bei öligen Präparaten ist, Kinder während der Behandlungs- und Einwirkzeit von Brandquellen wie offenem Feuer oder glimmenden Zigaretten fernzuhalten. Manche Mittel entflammen leicht. Es gab bereits schwere Unfälle.
Das zweite Wirkprinzip: Insektengift lähmt die Nerven der Läuse. So ist es bei Goldgeist forte und InfectoPedicul, die sich als fast genauso gut geeignet erwiesen wie die drei besten Öle. Aber Läuse werden zunehmend resistent, also widerstandsfähig gegen die Gifte. Das heißt: Die Parasiten können die Behandlung eher überleben.
Aus Mangel an Belegen
Mehrere Mittel bewerten wir als nur mit Einschränkung geeignet, zwei sogar als wenig geeignet. Die Wirksamkeit der beiden Schlusslichter, Jacutin Pedicul Spray und SOS Läuse-Shampoo, ist nicht ausreichend mit hochwertigen klinischen Studien an Menschen belegt. Beim Jacutin-Spray drohen zudem Nebenwirkungen.
Im Klassen-Chat der 7b schreiben einige Eltern über Hausmittel wie Essig oder Sauna. Wir können kein Hausmittel empfehlen, vor allem nicht zur alleinigen Behandlung. Auch für sie mangelt es an überzeugenden wissenschaftlichen Belegen.
Manche Mittel finanziert die Kasse
Die von uns empfohlenen Läusemittel kosten etwa 9 bis 26 Euro pro Flasche. Für volle Wirkung sind sie großzügig aufzutragen, da leert sich eine Flasche leicht in ein bis zwei Behandlungen. Fünf der sechs besten Präparate können Ärzte Kindern verordnen. Dann zahlt sie die Krankenkasse.
Manchmal kommen Eltern gar nicht um einen Arztbesuch herum: Mitunter verlangen Kitas und Schulen ein Attest, dass das Kind läusefrei ist. Für alle anderen ist der Weg zum Arzt spätestens dann ratsam, wenn die zweite Selbstbehandlung das Problem nicht beheben konnte.
Läusekiller in Aktion
Viktoria, 5, ertrug ihre erste Läusekur vor zwei Jahren mit Fassung. „Ich glaube, dass Kinder Läuse meistens gar nicht so besonders eklig finden“, sagt die Mutter. „Auch ich habe versucht, ruhig zu bleiben, und so haben wir das Ganze gut überstanden.“
Hanno ist gerade mittendrin. Für unser Magazin fotografiert werden möchte der Zehnjährige nicht, aber Publikum bei seiner Behandlung „geht klar“. Er sitzt in einer Berliner Altbauwohnung am Küchentisch, vor sich einen aufgeschlagenen Comic. Hinter ihm steht seine Mutter und zückt die Waffen. Großzügig verteilt sie Läusemittel auf Hannos Kopf, massiert es ein, bis alle Haare glänzen.
Nach 10 Minuten Einwirkzeit folgt für gut 15 Minuten Waffe zwei: ein Läusekamm mit langen, dichten Metallzinken. Damit nimmt sich die Mutter Strähne für Strähne vor, von der Kopfhaut bis zu den Spitzen. Zweimal ziept es, Hanno quiekt auf. Ansonsten konzentriert er sich auf seinen Comic. Nach insgesamt weniger als einer halben Stunde wird das Mittel ausgespült und trudelt in den Badewannenabfluss. In einigen Tagen folgt eine zweite Behandlung. Dann hat Hanno es erst einmal geschafft.
Läuse lieben Menschenköpfe
Solange Hanno Haare hat, ist er vor einer neuen Besiedlung nicht gefeit. „Außer Einsiedlern und Leuten mit Glatze kann jeder Läuse bekommen“, sagt Jan Krüger. Er sitzt der Deutschen Pediculosis Gesellschaft vor, die von Läusen genervte Eltern vor zwölf Jahren ins Leben riefen. Mit Sauberkeit hat ein Befall nichts zu tun. „Es muss sich keiner deswegen schämen, was Eltern und Kindern schon mal viel Stress nimmt.“
Läuse und Menschen blicken auf eine lange Geschichte zurück, quasi eine alte Liebe, wenn auch einseitig. Die Miniparasiten finden auf haarigen Häuptern alles, was sie brauchen. Erstens Nahrung, indem sie dort winzige Mengen Blut abzapfen. Zweitens lauschige Plätzchen für ihre Eier, genannt Nissen, die sie dicht an den Haarwurzeln festkleben. Und drittens Auslauf.
„Erwachsene Läuse klettern gern herum, daher werden sie so leicht übertragen“, sagt Jan Krüger. „Es reicht, wenn zwei Menschen die Köpfe zusammenstecken, sodass sich Haare berühren – und schwups geht die Laus ein Haus weiter.“ Das machen die Tierchen mit reiner Beinarbeit. Sie können weder fliegen noch springen.
Kinder bauen viele Läusebrücken
Oda ist schon 13 und hatte erst kürzlich wieder persönlich mit Läusen zu tun. Die Viecher erwischten sie wohl in der Schule. „Etwas nervig“ sei das gewesen, sagt das Mädchen, aber sonst nicht weiter wild.
Dass es Kinder und junge Teenager besonders oft trifft, liegt an ihrer sozialen Ader. Beim Spielen, Toben, Tuscheln, Kuscheln bauen sie den Läusen Brücken, auch wenn sie Kopf an Kopf Filme auf dem Smartphone schauen oder Selfies machen.
Mädchen trifft es öfter als Jungen, wohl da sie mehr die Köpfe zusammenstecken. Auch lange Haare erleichterten den Übertritt, sagt Krüger. „Da hilft ein Zopf oder eine Hochsteckfrisur. Findet ein Kind ganz kurze Haare cool, ist das praktisch. Ich würde aber nie wegen Läusen Zwang ausüben.“
Ein komplettes Läuse-Schuljahr
Knapp neun Monate lang hielten Läuse die Klasse 7b in Atem. „Vielleicht sollte langsam ein Attest vorgelegt werden“, schrieb eine Mutter im Chat. Andere Eltern machten Vorschläge wie „Selfie-Verbot“, „Zopfpflicht“ und vor allem: „Schaut alle nach!“ Ein Vater brachte es auf den Punkt: „Es ist sinnlos, wenn nur einige und nicht alle Kinder kontrolliert werden.“ Sonst könnten die Unbehandelten den übrigen laufend Läuse weitergeben – „ein Teufelskreis!“
Wie wahr. Trotzdem lief die Welle weiter. Zu guter Letzt schlug der Klassenlehrer strenge Töne an: Alle Kinder, auch die Jungs, seien von den Eltern zu überprüfen, als konzertierte Aktion. Vielleicht zog das. Jedenfalls gab es keine neuen Fälle. Das war kurz vor den Sommerferien. Ende eines Läuse-Schuljahrs.
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@gaevernitz: Wir bedauern, elektrische Läusekämme haben wir bisher nicht untersucht, so dass wir leider keine Aussage über deren Wirksamkeit machen können. (bp)
Sehr geehrte Damen und Herren,
mich würde Ihre Meinung zu elektrischen Läusekämmen interessieren.
Vielen Dank im Voraus.
Kommentar vom Autor gelöscht.
@mikrona: Unsere Untersuchung der Läusemittel folgt im Vorgehen den Arzneimittelbewertungen der Stiftung Warentest.
Dabei handelt es sich keineswegs nur um die Widergabe einer schlichte Expertenempfehlung.
Vielmehr sichten unabhängige Gutachter die aktuelle Studienlage zu den einbezogenen Mitteln und bewerten sie nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin:
Geprüft wird, ob der Nutzen die Risiken übersteigt und durch aussagekräftige Studien belegt ist.
Unter anderem sollten die Studien über eine – mit Standard- oder Scheinpräparat (Placebo) behandelte – Vergleichsgruppe und eine ausreichend hohe Teilnehmerzahl verfügen.
In der vorliegenden Untersuchung kamen unsere Experten zu dem Ergebnis, dass die Studienlage zu verschiedenen, positiv bewerteten Dimeticon-Präparaten alles andere als dürftig ist.
Vertiefte Informationen zur Methodik finden sich unter https://www.test.de/medikamente/methodik/
(Sa/PF)
Ein Hinweis im Artikel fehlt: Die meisten Ärzte verordnen das Produkt NYDA (Wirkstoff Dimeticon), das über 8 Stunden einwirken muss. In den Apotheken werden meistens Präparate empfohlen, die nur 10-20 Minuten Einwirkzeit brauchen. Die meisten von diesen Mitteln sind leider nicht rezeptfähig. Es gibt aber zwei Dimeticon- Produkte, die durch den Zusatz von Alkohol schneller wirken sollen und ebenfalls nur 15 bzw . 20 Minuten einwirken müssen. Allerdings dürfte durch den Alkohol auch die Hautverträglichkeit schlechter sein. Hausärzte oder Kinderärzte dürfen diese beiden Präparate kostenfrei (bis zum Alter von 12 Jahren) zu Lasten der Krankenkasse auf ein Rezept schreiben. Das eine landete beim "Test" (der nur eine Empfehlung ist) auf Platz 1: Dimet 20 (Wirkstoff: Dimeticon zugesetzt mit dem Alkohol Dodecanol) mit einer Einwirkzeit von 20 Minuten das andere ist Hedrin Once Liquid GEL (Wirkstoff: ebenfalls Dimeticon mit dem Alkohol Nerolidol) mit einer Einwirkzeit von 15 Minuten.