
Ein Telefon mit großen Tasten, Blumen und etwas Süßes helfen Ursel Pillat, sich im Pflegeheim wohlzufühlen. © Stefan Korte
Pflege ist anstrengend, zerrt stark an den Kräften. Was also tun, wenn der Pflegende selbst einmal nicht mehr kann und eine Auszeit braucht? Oder wenn die Pflege im häuslichen Umfeld einige Wochen lang nicht möglich ist? Der Gesetzgeber hat dafür zwei Modelle eingeführt: die Kurzzeitpflege und die Verhinderungspflege, auch Ersatzpflege genannt. Wie beide funktionieren, illustrieren wir an den Beispielen von zwei Frauen.
Zwei Frauen, zwei Probleme
Die eine Frau, die heute 90-jährige Ursel Pillat aus dem Dorf Waschow in Mecklenburg-Vorpommern, kommt nach einem Sturz zu Hause ins Krankenhaus und nutzt nach ihrer Entlassung eine Kurzzeitpflege in einem Pflegeheim. Die andere Frau, Hannelore Fuchs* aus Zeuthen im Süden Berlins, betreut ihren Ehemann Joachim, muss aber selbst für fünf Wochen in eine Klinik. Für den Ehemann kommt eine Verhinderungspflege im häuslichen Umfeld oder in einer Pflegeeinrichtung infrage.
Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege
Die Kurzzeitpflege ist bis zu acht Wochen im Jahr möglich, die Verhinderungspflege bis zu sechs Wochen lang. Ab dem Pflegegrad 2 zahlt die Pflegekasse in beiden Varianten bis zu 1 612 Euro im Jahr. Wird in einem Jahr nur eines von beiden genutzt, ist ein höherer Zuschuss möglich (Auszeit für pflegende Angehörige). Für beide Frauen und ihre Familien war es aber aus verschiedenen Gründen nicht so leicht, eine Lösung zu finden.
Unser Rat
- Entlastung.
- Wenn Sie jemanden zu Hause pflegen, brauchen Sie Auszeiten. Ab Pflegegrad 2 haben Sie pro Jahr Anspruch auf bis zu sechs Wochen Ersatzpflege und stundenweise Hilfe. Außerdem unterstützen Pflegekassen bis zu acht Wochen Kurzzeitpflege in einem Pflegeheim.
- Antrag.
- Kurzzeit- und Verhinderungspflege beantragen Sie bei der Pflegekasse. Antragsformulare gibt es meist auf den Internetseiten der Kassen. Bei Fragen dazu hilft etwa die Unabhängige Patientenberatung.
Auch die aktivste Seniorin denkt um ...

Uwe Pillat hat seiner Mutter Ursel nach einem Krankenhausaufenthalt zur Kurzzeitpflege geraten. Danach entschied sie sich, dauerhaft ins Pflegeheim zu ziehen. © Stefan Korte
Für Ursel Pillat ist es lange undenkbar, in ein Pflegeheim zu ziehen. Mit ihrem gleichaltrigen Mann Josef kümmert sie sich um den 1 300 Quadratmeter großen Garten hinter ihrem Wohnhaus in Waschow. Obwohl sie seit Jahrzehnten hochgradig sehbehindert ist, steht sie unermüdlich früh auf, füttert die Hühner, pflegt ihre Obst- und Gemüsebeete, bereitet drei Mahlzeiten am Tag zu, hält die Wohnung sauber. Die Kinder kommen regelmäßig, die Enkel helfen im Sommer beim Pflücken. Weil es ihnen Freude macht und so viel Gemüse übrig ist, fahren die Eheleute sogar jahrelang auf Campingplätze an der Ostsee, um es an Urlauber zu verteilen.
... wenn alles zu viel wird
Doch dann stürzt Ursel Pillat und bricht sich den Oberschenkelhals, später das Handgelenk. Ihre vier Kinder reden auf sie ein: „Holt euch eine Pflegekraft für zu Hause. Wenigstens Essen auf Rädern.“ Doch die Pillats haben immer alles alleine geschafft, sie wollen keine Hilfe. Nach dem dritten Sturz im Sommer 2016, kurz vor der diamantenen Hochzeit, wird Ursel Pillat klar, dass es so nicht weitergeht wie bisher: Alles wird ihr zu viel, die Knochen tun immer mehr weh.
Kurzzeitpflege im Pflegeheim
Im Krankenhaus sieht Ursel Pillat ein, dass sie zu Hause nicht mehr zurechtkommt. Ihr Mann kann sie nicht pflegen. Das erste Mal denkt sie über ein Pflegeheim nach. Doch die Entscheidung, ihren Mann und ihren Haushalt alleinzulassen, fällt ihr schwer. Ihre Familie hat eine Idee: Ursel Pillat soll sich nach der Entlassung stabilisieren und das Leben im Pflegeheim kennenlernen. Das geht am besten in der Kurzzeitpflege, bei der eine Pflegeeinrichtung Pflegebedürftige für einen begrenzten Zeitraum voll versorgt.
Wartezeit überbrücken
Sie eignet sich vor allem, wenn Familienangehörige oder ambulante Pflegekräfte die Pflege nicht kurzfristig übernehmen können. Das ist etwa der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Pflegebedürftigen vorübergehend verschlechtert oder das häusliche Umfeld noch pflegegerecht umgestaltet werden muss. Oft dient die Kurzzeitpflege auch dazu, die Wartezeit auf einen dauerhaften Heimplatz zu überbrücken.
Ab Pflegegrad 2 Geld von der Kasse
Viele Pflegeheime bieten Plätze für Kurzzeitpflege an. Für diese Form von Rund-um-die-Uhr-Betreuung haben sie einen besonderen Vertrag mit den Pflegekassen. Diese zahlen neben den maximal 1 612 Euro pro Jahr für bis zu acht Wochen ab Pflegegrad 2 das Pflegegeld während der Kurzzeitpflege zur Hälfte weiter. Die Pflegekasse übernimmt nur die reinen Pflegekosten und die soziale Betreuung. Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten der Einrichtung muss der Pflegebedürftige selbst tragen.
Entlastungsbetrag nutzen
Personen mit Pflegegrad 1 bleiben außen vor. Sie können aber für die vorübergehende Pflege im Heim den Entlastungsbetrag von 125 Euro im Monat von der Pflegekasse nutzen, den auch alle in den Pflegegraden 2 bis 5 erhalten.
So helfen Pflegekassen Pflegenden bei Auszeiten
Pflegebedürftigen stehen Beträge für die Kurzzeit- und Verhinderungspflege (Ersatzpflege) zu, wenn die Versorgung zu Hause mal nicht gewährleistet ist.
Art der Pflege |
Jährlicher Betrag (Euro) bei Pflegegrad |
||||
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
|
Ersatzpflege durch ambulanten Pflegedienst (maximal sechs Wochen im Jahr) |
0,00 |
1 612,00 |
1 612,00 |
1 612,00 |
1 612,00 |
Kurzzeitpflege (maximal acht Wochen im Jahr) |
1 |
1 612,00 |
1 612,00 |
1 612,00 |
1 612,00 |
Ersatzpflege durch Angehörige (maximal sechs Wochen im Jahr) |
0,00 |
474,00 |
817,50 |
1 092,00 |
1 351,50 |
- 1
- 125 Euro Entlastungsbetrag pro Monat können genutzt werden.
Sozialdienst kümmert sich
Als Ursel Pillat im Sommer 2016 im Krankenhaus liegt, hat sie noch keine Pflegestufe – so hieß der Pflegegrad vor der Pflegereform Anfang 2017. In solchen Fällen übernimmt meist der Sozialdienst der Klinik eine Lotsenfunktion. Er beantragt bei der Pflegekasse die Einstufung in einen Pflegegrad. Oft stellt er auch den Kontakt zu einer Pflegeeinrichtung her, um einen Platz zu organisieren.
Gutachter kommt ins Haus ...
Die Pflegekasse braucht bei gesetzlich Pflegeversicherten ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), um über einen solchen Antrag zu entscheiden. Für privat Pflegeversicherte ist die Firma Medicproof zuständig. In der Regel kommt ein Gutachter zu einem Begutachtungstermin nach Hause – oder in akuten Fällen ins Krankenhaus.
... oder entscheidet nach Aktenlage
Manchmal entscheidet der Medizinische Dienst der Krankenversicherung ohne Begutachtungstermin nach Aktenlage. Das ist dann der Fall, wenn medizinische Akten und pflegerische Dokumentation eindeutig ergeben, dass jemand pflegebedürftig ist und einen Pflegegrad benötigt, wie bei Ursel Pillat: Sie bekommt die Pflegestufe 1, die heute dem Pflegegrad 2 entspricht. Die AOK Nordost bezuschusst die Kurzzeitpflege.
Die Gewöhnung ans Pflegeheim ...
Die ehemalige Verkäuferin wechselt direkt vom Krankenhaus in ein Altenpflegeheim, 33 Kilometer von Waschow entfernt. Die ersten Tage sind schwer. „Ich habe mir viele Sorgen gemacht. Sorgen, ob zu Hause auch alles gut läuft“, sagt die 90-Jährige: „Aber ich konnte ja nicht einfach weg.“ Seit dem letzten Sturz sitzt sie fast nur noch im Rollstuhl, außerdem kann sie kaum noch etwas sehen. „Einfach ausbüxen ging nicht“, lacht sie. Aber ihre Kinder beruhigen sie immer wieder. Der Vater kommt auch allein gut klar.
... braucht Zeit
So langsam gewöhnt sich Ursel Pillat an ihr Umfeld, an die anderen Patienten, die Pflegekräfte. Es beginnt ihr zu gefallen und so entschließt sie sich ganz für das Leben im Heim. Noch einmal zieht sie um. Sie hat einen dauerhaften Pflegeplatz im Caritas-Altenpflegeheim St. Hedwig in Wittenburg bekommen. Hier lebt sie seit fast zwei Jahren: „Ich fühle mich wohl und bin auch nicht mehr so weit weg von meinem Ehemann.“ Der steht gerade fünf Kilometer entfernt in seinem großen Gewächshaus voller Tomaten.
Verhinderungspflege für Ehemann
Eine Gemeinsamkeit hat Hannelore Fuchs* mit Ursel Pillat. Auch sie kümmert sich erst um einen Pflegegrad für ihren Ehemann Joachim, als es gar nicht anders geht. Beide leben noch in ihrer Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus. Joachim Fuchs ist schwer an Demenz erkrankt, seine Ehefrau Hannelore betreut ihn zu Hause rund um die Uhr. Bleibt Joachim Fuchs mal allein, ist er desorientiert, läuft panisch durch die Wohnung. Ohne seine Frau ist er vollkommen hilflos.
Wenn sich niemand kümmern kann
„Normalerweise kriege ich den Alltag mit ihm gut hin und es belastet mich nicht“, sagt die 73-Jährige. Schwierig wird es, wenn einmal etwas außerplanmäßig läuft. So wie jetzt: Sie braucht selbst medizinische Hilfe. Sie hat große Probleme beim Laufen. Im Sommer muss sie zu einer Hüftoperation ins Krankenhaus, im Anschluss in die Reha. Fünf Wochen wird sie nicht zu Hause sein. Das bereitet ihr große Sorge: „Ich kann meinen Mann nicht dort mit hin nehmen, ihn aber auch nicht alleine zu Hause lassen.“ Niemand aus der Familie kann sich in ihrer Abwesenheit um ihn kümmern.
Entlastung für pflegende Angehörige
Um einen Klinikaufenthalt wie den von Hannelore Fuchs zu überbrücken, lässt sich eine Ersatzpflege in den eigenen vier Wänden organisieren. Ist keiner dazu in der Lage, kommt eine vorübergehende stationäre Pflege infrage. Der Anspruch auf Verhinderungspflege besteht für bis zu sechs Wochen im Jahr.
Pflegeberaterin hilft
Als Hannelore Fuchs erfährt, dass sie ins Krankenhaus muss, hat ihr Mann noch keinen Pflegegrad: „Erst dadurch habe ich mich überhaupt mit der Pflegekasse auseinandergesetzt.“ Eine Pflegeberaterin hilft ihr dabei, die Einstufung für ihren Mann zu bekommen. Er erhält auf Anhieb Pflegegrad 3. Danach beantragt Hannelore Fuchs für fünf Wochen Verhinderungspflege. Die Pflegekasse genehmigt sie. Nun ist Hannelore Fuchs beruhigt: „Mein Mann geht so lange in ein Pflegeheim.“ Krankenhaus, Rehaeinrichtung und Pflegeheim liegen nahe beieinander. „Falls dort etwas mit ihm passiert, kann ich schnell vor Ort sein.“
*Name der Redaktion bekannt
-
- Eine Pflegetagegeldversicherung hilft bei den Pflegekosten. Versicherte sollten aber steigende Beiträge bewältigen können. Stiftung Warentest hat die Tarife Anfang...
-
- Werden Menschen pflegebedürftig, brauchen sie Hilfe – von Familienmitgliedern oder Pflegefachkräften. Finanzielle Unterstützung bietet die gesetzliche Pflegeversicherung.
-
- Eltern von Kindern mit Behinderung haben Anspruch auf viele Hilfen: Pflege, Reha, Förderung von Umbaumaßnahmen. Wir sagen, wer hilft und wie hoch die Unterstützung...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Spam