
Chaos im Kalender? Zeitmanagement-Kurse helfen beim Planen und machen Schluss mit zeitraubenden Gewohnheiten. Unser Test zeigt: Gute Kurse gibts für jeden Geldbeutel.
Geldscheine wirbeln im Zeitmanagement-Kurs einer Berliner Volkshochschule durch die Luft. Mehrere Fünf-Euro-Noten und ein einziger Zwanziger landen weit verteilt auf dem Boden des Kursraums. „Wie erzielen Sie mit dem geringsten Aufwand den größtmöglichen Erfolg?“, fragt die Dozentin. Die neun Teilnehmer blicken irritiert in die Runde – unter ihnen eine Sekretärin, ein Betriebswirt, ein Projektleiter, eine Existenzgründerin und ein Student. Sie alle haben ein zweitägiges Training für rund 50 Euro gebucht, weil sie ihre Zeitprobleme in den Griff bekommen wollen. Der Betriebswirt wagt einen Versuch. Er hebt nur den Zwanzig-Euro-Schein auf. Die Fünf-Euro-Scheine lässt er liegen. Die Dozentin nickt. Und auch die übrigen Teilnehmer verstehen nun, was „effektives Arbeiten“ heißt: Nämlich sich bei wenig Zeit auf die Aufgaben zu konzentrieren, die ein überdurchschnittliches Ergebnis bringen.
Viele Kurse auf dem Markt
Wer ein Zeitmanagement-Seminar bucht, hat meist ein konkretes Problem – von hohen Arbeitspensen und endlosen Meetings über die täglich zu bewältigende E-Mail-Flut bis zur fehlenden Selbstdisziplin. Die Stiftung Warentest wollte wissen, was kurze Trainings zum Zeitmanagement leisten können. Anbieter sind vor allem private Bildungsinstitute, Industrie- und Handelskammern und Volkshochschulen (VHS).
Das Angebot an Kursen zu diesem Thema geht in die Hunderte, und die Nachfrage ist offenbar groß. Seit unserem Test haben alle privaten Anbieter bis auf einen die Preise deutlich erhöht. Kein Wunder – schließlich nimmt in der Wirtschaftskrise der Druck auf die Mitarbeiter zu.
Untersucht haben wir 17 ein- bis zweitägige Trainings für Berufstätige, die zwischen 45 und 1 420 Euro kosteten. Im Test waren einerseits bundesweite und überregionale private Anbieter, die im Untersuchungszeitraum mindestens drei Kurse angeboten haben. In diesen Fällen haben wir ein Qualitätsurteil vergeben.
Außerdem haben wir Industrie- und Handelskammern und Volkshochschulen jeweils in fünf Großstädten besucht. Da die Trainings dort nur etwa ein- bis zweimal pro Jahr angeboten werden, war uns nur eine Kursteilnahme möglich. Deshalb haben wir diese Zeitmanagement-Kurse bewertend beschrieben.
Unser Fazit ist erfreulich: Richtig schlechte Kurse haben wir nicht gefunden. In jeder Anbietergruppe gab es empfehlenswerte Trainings, für jeden Geldbeutel ist also etwas dabei. Die Haufe Akademie machte das Rennen bei den privaten Anbietern. Der zweitägige Kurs „Zeit- und Selbstmanagement für Führungskräfte“ war der einzige „gute“ Kurs in diesem Segment, mit 1 420 Euro aber auch der teuerste.
Dieses Training überzeugte vor allem inhaltlich. Der Schwerpunkt lag auf Prinzipien der Selbstorganisation. Die Teilnehmer lernten, dass Zeitmanagement eigentlich Selbstmanagement ist. Denn die Zeit lässt sich nicht managen. Sie vergeht, egal, was man tut. Managen kann der Einzelne nur sich selbst.
Bei den Kammern schnitt die IHK-Akademie München-Westerham mit dem Zwei-Tageskurs „Erfolgreiches Zeitmanagement“ für 640 Euro besonders gut ab. Ausführlich wurden dort verschiedene Methoden des Zeitmanagements behandelt und außerdem intensiv geübt.
Durchaus passabel, weil vor allem didaktisch von hoher Qualität, war auch der Volkshochschulkurs „Arbeitsorganisation, Zeit- und Selbstmanagement“ an der Berliner VHS City West für 54 Euro.
Volkshochschulen bunt gemischt
Bei den preisgünstigen Volkshochschulen trafen unsere inkognito teilnehmenden Testpersonen überwiegend auf Selbstzahler aus unterschiedlichen Berufen, darunter Ärzte, Sekretärinnen, Naturwissenschaftler und Lehrer.
An den teuren Trainings dagegen nahmen vor allem Angestellte teil, die sich auf Firmenkosten weiterbildeten, darunter viele Führungskräfte. Im Kurs bei Deutsche Telekom Training gehörten vor allem Mitarbeiter der Telekom zum Teilnehmerkreis.
In den meisten Kursen waren Schwierigkeiten im Umgang mit der Zeit und die Gründe dafür ein wichtiges inhaltliches Thema. Wer seine Zeitprobleme in den Griff bekommen will, muss zunächst verstehen, was eigentlich schiefläuft. Der Chaot muss erkennen, dass Ordnung Zeit spart, und der Perfektionist, dass 90 Prozent Leistung auch mal gut genug sein können. Zeitraubende Gewohnheiten abzustellen und sein Verhalten zu ändern – das ist das große Ziel.
Im Kurs bei der IHK-Akademie München-Westerham sammelten die Teilnehmer zum Beispiel am ersten Seminartag ihre „Zeitdiebe“ auf Karteikarten – vom Chaos auf dem Schreibtisch bis zum „gesprächsintensiven“ Kollegen. Anschließend sollten die Kursbesucher überlegen, welchen Einfluss sie selbst auf diese Faktoren haben. „Das war aufschlussreich“, sagte unser Tester dort. „Denn die meisten Dinge kann man wirklich selbst beeinflussen.“ Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. In einem zweiten Schritt müssen die Teilnehmer „Rezepte“ an die Hand bekommen. Definitionen allein bringen kaum weiter.
In einem dritten Schritt sollten die Kursbesucher erfahren, wie sie verschiedene Methoden des Zeitmanagements anwenden und umsetzen können, am besten mithilfe von Übungen. Kurz: Ein guter Kurs sollte Theorie und Praxis sinnvoll miteinander verknüpfen und individuell auf die Probleme der Teilnehmer eingehen. Deshalb haben wir die didaktische Qualität auch höher bewertet als die inhaltliche.
Ziele formulieren, Prioritäten setzen
Ein Schwerpunkt der meisten Kurse war das Setzen von Zielen im Berufsalltag. Denn die beste Zeitplanung nützt nichts, wenn man nicht weiß, was man erreichen will. „Was sind die Ziele Ihrer Arbeit?“, lautete zum Beispiel eine schriftliche Übung im Kurs bei der VHS City West in Berlin. Gar nicht so einfach, stellten die Teilnehmer fest. Dort half die SMART-Formel auf die Sprünge und machte deutlich: Ziele müssen klar definiert und terminiert sein. Erst dann lassen sich Abweichungen feststellen und korrigieren (Glossar).
In allen Kursen wurden Konzepte behandelt, die dabei helfen, die vorhandene Zeit effektiv einzuteilen. Bei der Haufe Akademie schlüpften die Teilnehmer in die Rolle des Geschäftsführers eines fiktiven Unternehmens und lernten, vorgegebene Aufgaben mithilfe der ABC-Analyse zu priorisieren (Glossar). Auch das Eisenhower- und das Pareto-Prinzip – wichtige Hilfsmittel beim Prioritätensetzen – fehlten in kaum einem Kurs (Glossar).
Schriftliche Zeitpläne entlasten den Kopf und helfen, den Überblick zu behalten. Das Planen auf dem Papier wurde in vielen Kursen geübt. Häufig kam dabei die sogenannte ALPEN-Methode zur Sprache, eine Vorgehensweise zur effektiven Tagesplanung (Glossar).
Positiv fiel uns auf, dass abstrakte Zeitplanungen eher selten blieben. Meist erstellten die Teilnehmer Tagespläne für ihren nächsten Arbeitstag, die sie dann auch gleich im Job nutzen konnten. Das war zum Beispiel im Kurs bei der IHK-Akademie München-Westerham der Fall. „Im Laufe des Kurses wurden die Tagespläne immer weiter optimiert“, erzählte unsere Testperson dort. Pufferzeiten wurden eingebaut und komplexe Aufgaben mit der „Salami-Taktik“ zerlegt (Glossar). Unsere Testperson erkannte, dass sie ihre Tätigkeiten bislang zu wenig in Einzelaufgaben heruntergebrochen hatte. Deshalb hatte sie sich früher oft verzettelt.
Die meisten Kurse orientierten sich sehr an den Bedürfnissen der Teilnehmer und griffen Situationen aus deren Berufsalltag auf. Besonders gut gelang das im Kurs des IHK Bildungshauses IHK Region Stuttgart, dem wir deshalb als einzigem Anbieter eine sehr hohe didaktische Qualität bescheinigten. Konkrete Lösungen für die Zeitprobleme jedes einzelnen Teilnehmers finden – das war das Anliegen der Dozentin. So verstand eine Kursbesucherin endlich, warum sie am Montagmorgen häufig unzufrieden ins Büro kam. Immer wieder hatte sie sich einen ganzen Batzen voller Arbeit mit ins Wochenende genommen, der schlicht nicht zu bewältigen war. Der Tipp der Dozentin: Wenn schon „Heimarbeit“ notwendig sei, solle sie sich vorher genau überlegen, was sie realistisch schaffen könne und danach gezielt auswählen.
Änderungsvertrag mit sich selbst
Viel zu selten aber bekamen die Teilnehmer in den Kursen Hilfestellung dabei, wie sie das Gelernte nicht gleich wieder vergessen. Das kann die Anregung eines Netzwerks sein, in dem sich die Teilnehmer nach dem Kurs weiter austauschen, oder ein Hinweis auf Zeitmanagement-Ratgeber. Bücher sind zur Nachbereitung eines Kurses sehr zu empfehlen, weil man dort den Lernstoff noch einmal nachschlagen und vertiefen kann. Auch Audio-CDs eignen sich ergänzend zum Kurs.
Gute Hilfestellungen gegen das Vergessen gab es nur beim IHK Bildungshaus IHK Region Stuttgart. Dort schlossen die Teilnehmer zum Beispiel einen „Änderungsvertrag“ mit sich selbst ab. Dessen Einhaltung sollte ein anderer Teilnehmer nach drei Monaten überprüfen. „Das war ein gutes Druckmittel“, sagte unser Tester. „Man will dem anderen ja nicht sagen müssen, dass man nichts umgesetzt hat.“
Verträge benachteiligen Kunden
Negativ fiel uns auf, dass die Vertragsbedingungen vieler Anbieter „deutliche“ oder sogar „sehr deutliche“ Mängel enthielten. Bei Integrata werteten wir das Qualitätsurteil deshalb um eine halbe Note ab, bei Kompakttraining.de sogar um eine ganze Note. Beide Anbieter verdarben sich damit ein – wenn auch knappes – „gutes“ Qualitätsurteil. Auch bei den Kammern und Volkshochschulen stellten wir bei fünf von zehn Anbietern „deutliche“ oder „sehr deutliche Mängel“ in den Vertragsbedingungen fest. Rechtswidrige Klauseln in den Verträgen sind zwar unwirksam, doch müssen Verbraucher ihr Recht erst einklagen.
Viel Disziplin auch nach dem Kurs
Insgesamt ist unser Fazit aber positiv: Ein Kurztraining macht zwar aus einem Chaoten keinen Ordnungsfanatiker, kann aber geeignete „Rezepte“ an die Hand geben. Stärker als Bücher oder Selbstlernmedien können Trainings durch gezielte Übungen die Basis für Verhaltensänderungen setzen. Wer die Wahl hat, sollte möglichst einen Zweitageskurs buchen, da bei den eintägigen Seminaren in unserem Test die so wichtigen Übungen häufig zu kurz kamen.
Unsere Tester versuchen heute, Teile des Gelernten umzusetzen, auch wenn das nicht immer leicht ist. „Gewohnheiten im Umgang mit der Zeit sind tückisch, weil sie sich über viele Jahre eingeschliffen haben“, sagte ein Tester. „Auch nach einem Kurs muss man weiter an sich arbeiten und sich immer wieder selbst überlisten.“ Der Dozent seines Kurses hatte ein nicht ganz ernst gemeintes Beispiel: Abends schon die Trainingshose anziehen, damit man morgens wirklich joggen geht.
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