
Dauerbelastung am Arbeitsplatz kann krank machen. Stressmanagement-Kurse wollen helfen, die Ursachen für Stress zu erkennen und ihn zu bewältigen. Fünf waren im Test.
Die Warnung kam am Ende des Kurstages. „Wechseln Sie den Beruf“, hatte die Dozentin geraten. „Sonst kippen Sie irgendwann um.“ Der Zusammenbruch ließ nicht lange auf sich warten. Getroffen hat es eine unserer Testpersonen, wenige Wochen, nachdem sie für uns verdeckt an einem der Stressmanagement-Kurse im Test teilgenommen hatte. „Es ging nichts mehr“, sagt unser Tester rückblickend. „Ich fühlte mich völlig ausgebrannt.“
Die Arbeitsbelastung in der Bank hatte in den Monaten vor dem Kollaps immer mehr zugenommen. Die vom Arbeitgeber auf die Sekunde kalkulierten Zeitvorgaben für die einzelnen zu bearbeitenden Vorgänge waren kaum noch zu schaffen. Die Folge des chronischen Stresses waren ein Burnout mit Klinikaufenthalt und mehrwöchigem Arbeitsausfall.
Zweithäufigstes Gesundheitsproblem
Fast jeder vierte Berufstätige ist von Stress am Arbeitsplatz betroffen. Die Arbeitswelt stellt Arbeitnehmer vor immer höhere Anforderungen. Weil Unternehmen zunehmend verschlankt, Abteilungen ausgelagert werden, steigen Zeit-, Leistungs- und Konkurrenzdruck für Angestellte. Aber auch für Freiberufler und Selbstständige sind die Zeiten schwierig. Immer knapper kalkulierte Aufträge angesichts leerer privater und öffentlicher Kassen verschärfen das Arbeitstempo. Arbeiten an der Grenze zur Selbstausbeutung, lautet das Motto.
Stress stellt nach Rückenschmerzen das zweithäufigste Gesundheitsproblem dar und führt zu hohen Krankheitsausfällen. Wer den Stress in den Griff kriegen will, bevor er krank macht, kann zum Beispiel Entspannungstechniken wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson lernen. Die Kursangebote gehen in die Hunderte und werden von den Krankenkassen gefördert. Bei speziellen Problemen können auch Zeit- oder Konfliktmanagementkurse hilfreich sein.
Außerdem gibt es ein kleines Angebot spezieller Seminare zum Thema Stressmanagement. Sie wollen vermitteln, was Stress ist, wie er entsteht und wie der Einzelne selbst an seiner Entstehung beteiligt ist und er konkret Stress abbauen kann. Die Stiftung Warentest wollte wissen, ob die Kurse ihre Versprechen halten und hat fünf Angebote zwischen 31 und 1 130 Euro geprüft. Unser Fazit ist positiv: Fast überall lernten die Teilnehmer viel über das Phänomen Stress und bekamen erste praktische Strategien zum Stressabbau an die Hand.
Inhaltlich überzeugten vier der fünf Kurse im Test mit hoher Qualität. Hier lernten die Teilnehmer die Wirkungsmechanismen von Stress kennen, entwickelten ein Bewusstsein für ihre persönlichen Stressoren, also das, was sie belastet, und erfuhren, mit welchen Mitteln sie den Stress reduzieren können.
Probleme der Teilnehmer im Fokus
Auch didaktisch gab es viermal gute bzw. sehr gute Ergebnisse. Die Kurse orientierten sich an den Problemen der Teilnehmer. Strategien zur Stressbewältigung wurden dicht an deren Arbeits- und Stresssituationen erarbeitet. Die Dozenten regten zum Nachdenken über das eigene Verhalten an. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bot zweifellos die Volkshochschule Dortmund. Dieser überzeugende Kurs wurde von einem Arzt geleitet und kostete nur 31 Euro.
Stress ist eine natürliche Reaktion auf Druck, Spannung oder Veränderung – ein uralter Mechanismus, der tief im Körper des Menschen steckt. In angespannten Situationen versetzt er in Alarmbereitschaft, macht wach und stark, ursprünglich um Gefahren zu erkennen und abzuwehren. Bei unseren Vorfahren fuhr das Stressprogramm herunter, sobald die Gefahr vorüber und beispielsweise der Bär erlegt war. Dem Menschen von heute gelingt das häufig nicht, weil ihn die Stressoren auf Dauer belasten. Körper und Geist erholen sich nicht mehr. Schlafstörungen, Herzprobleme und Depressionen können Folgen sein.
Zu Kursbeginn eine Stressdiagnose
Die Kurse begannen häufig mit einer Art Stressdiagnose. Bei der VHS Dortmund füllten die Teilnehmer zum Beispiel für eine erste Bestandsaufnahme einen Fragebogen zur Stressbewältigung aus. Stress ist kein „äußeres Übel“, dem man hilflos ausgeliefert ist. Welche Gefühle jemand in einer bestimmten Situation empfindet, hängt wesentlich von ihm selbst ab. Die persönliche Bewertung entscheidet darüber, was man als Stress wahrnimmt. „Ich kann mich aufregen oder es lassen“, erkannte unsere Testperson bei der Deutschen Telekom Training. Dort sollten die Kursbesucher in Gruppen ihre stresserzeugenden Einstellungen ermitteln, wie Perfektionismus oder übertriebener Ehrgeiz.
Strategien gegen den Stress standen überall auf dem Lehrplan. Wie schafft man einen Ausgleich zur täglichen Belastung? Welche Entspannungstechniken gibt es? Wie geht man effektiver mit Zeit um? Bei AGW Ausbildungsgemeinschaft der Wirtschaft Minden-Lübbecke formulierte am Ende jeder Teilnehmer seine neugewonnenen Vorsätze: Prioritäten setzen, Zeitpuffer einplanen oder Sport treiben. Positiv fiel uns die überall hohe Teilnehmerorientierung auf, führend dabei das Seminar bei Rhetorica. Für jeden einzelnen Teilnehmer wurden dort konkrete Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Die Konzentration darauf hatte aber ein Manko: Wichtige theoretische Grundlagen fehlten.
Zuschüsse von der Krankenkasse
Unsere Tester trafen auf gestresste Sozialarbeiter und Sekretärinnen, auf Sachbearbeiter und Führungskräfte aus Wirtschaft und Verwaltung, auf alleinerziehende berufstätige Mütter und sogar Mobbingopfer. Der anonyme Rahmen machte es vielen leichter, über Belastungen zu sprechen.
In den günstigeren Kursen saßen durchaus auch Selbstzahler, für die es Förderungen gibt. So bieten die gesetzlichen Krankenkassen Zuschüsse zu sogenannten Gesundheitskursen in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Entspannung an, darunter oft auch Stressbewältigungskurse. Außerdem dürfen Firmen ihren Mitarbeitern steuerfrei 500 Euro jährlich zusätzlich zum Gehalt für Gesundheitskurse zahlen, legt das Jahressteuergesetz 2009 fest.
Doch auch der beste Kurs kann die Probleme am Arbeitsplatz nicht lösen. Denn wichtig sind auch die dortigen Strukturen. Wo Aufgaben unklar verteilt oder Verantwortlichkeiten nicht geregelt sind, kommt es zwangsläufig zu Konflikten, Zeitdruck und damit auch Stress. In der Pflicht sind also auch die Arbeitgeber (siehe Interview).
Für unseren Tester mit dem Burnout kam der Kurs zu spät. Inzwischen geht es ihm besser, und er plant einen Jobwechsel. Heute ist ihm klar, dass ihn neben der Arbeitsbelastung auch sein eigener hoher Anspruch gestresst hat. „Ich habe es allen recht machen wollen und mich selbst unter Druck gesetzt“, sagt er. Daran will er nun arbeiten. Denn sicher ist: Seine Gesundheit wird er kein zweites Mal aufs Spiel setzen.
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