
Chef zu sein, ist nicht leicht. Neuernannte und weibliche Führungskräfte stehen besonders unter Druck. Doch unser Test von zehn Seminaren zeigt: Das Führen kann man üben.
Eine ganz normale Weiterbildung hatte unsere Testerin erwartet, wenn auch an einem ungewöhnlichen Ort. „Gestern Kollege/in – Heute Vorgesetzte/r“ hieß das Seminar im Haus Benedikt des Stadtklosters Würzburg. An der Pforte hatte sie dann nicht nur ihr Handy abgeschaltet, sondern ist für drei Tage auch in eine für sie völlig fremde Welt eingetaucht. Denn von 6 Uhr morgens bis 21 Uhr abends orientierten sich auch die Kursteilnehmer an der Regel „Ora et labora“ (auf deutsch: Bete und arbeite) der benediktinischen Mönche.
Seminareinheiten und Meditation wechselten sich ab. Im Kurs lernten die vier Frauen und zwei Männer viel über Führungskonzepte, berichteten von ihrem Joballtag und übten in Rollenspielen knifflige Mitarbeitergespräche. Dazwischen immer wieder Zeiten der Stille. Auch gegessen wurde zum Teil schweigend.
„Die Tage waren intensiv und anstrengend. Doch wer wollte, hat sehr viel gelernt“, so das Fazit einer begeisterten Testerin. Das Zusammenspiel aus Konzeption und Konzentration, Struktur und Stille hat sich gelohnt: Der Kurs für 456 Euro war mit Abstand der beste beim Test von zehn Kursen für Mitarbeiterführung.
Schwieriger Job als Chef
Mitarbeiterführung ist auf dem Weiterbildungsmarkt ein Dauerbrenner. Das liegt auch daran, dass Team- und Abteilungsleiter es gerade in Zeiten von Standortverlagerung und Unternehmensfusionen nicht leicht haben. Oft müssen sie schlechte Nachrichten an ohnehin gestresste Mitarbeiter überbringen und den Druck weiter erhöhen – wohl wissend, dass der Chef von heute nicht nur die Verantwortung trägt, sondern seine Mitarbeiter auch noch motivieren soll (Interview). Studien zeigen immer wieder: Gerade die deutschen Führungskräfte loben nicht genug und geizen mit Anerkennung. Da ist es kein Wunder, dass zwei Drittel der Arbeitnehmer Dienst nach Vorschrift machen und jeder Fünfte sogar schon innerlich gekündigt hat.
Auch nicht einfach ist es für denjenigen, der quasi über Nacht zum Leiter seiner bisherigen Gruppe wird – und nun plötzlich Führungskompetenzen beweisen soll. Und das meist auch noch gegen den Widerstand einiger Gruppenmitglieder.
Kurse zwischen 145 und 1 420 Euro
Hilfe versprechen kurze Weiterbildungsseminare für Mitarbeiterführung. Die Stiftung Warentest wollte wissen, ob sich der Besuch lohnt, ob man erste Verhaltensweisen einüben und so die Basis für langfristige Änderungen legen kann. Deshalb haben wir bis zu dreitägige Kurse getestet, die zwischen Ende März und Mai 2009 für zwei spezielle Zielgruppen stattfanden: für Nachwuchsführungskräfte und für Frauen in Führungspositionen. Diese beiden Gruppen stehen besonders unter Druck.
Unsere Testpersonen haben insgesamt zehn Trainings von regionalen und überregionalen Anbietern je einmal besucht. Das Testfeld ist buntgemischt: Eine Volkshochschule ist ebenso darunter wie Privatanbieter, Industrie- und Handelskammern und das oben erwähnte Kloster. Auch die Preisspanne ist erheblich und reicht von 145 bis zu 1 420 Euro.
Womit Haus Benedikt überzeugte
Einzig im Haus Benedikt war die Qualität von Inhalt, Didaktik und Kursorganisation „sehr hoch“. Gerade im Prüfpunkt Inhalt war es nicht leicht, diese Bewertung zu erreichen. Schließlich geht es beim Thema nicht nur um die Eigenschaften und Kompetenzen einer Führungskraft selbst, sondern auch um Unternehmenskultur und Netzwerkbildung, um Kommunikationstechniken und Konfliktlösestrategien. Ein solch komplexes Thema lässt sich zwar nicht in jedem Detail in ganzer Tiefe in drei Tagen abhandeln, die Kursteilnehmer sollten zumindest aber die wichtigsten Aspekte (Checkliste) kennenlernen. Bei der inhaltlichen Bewertung floss auch ein, ob das Lehrmaterial gut war und das Kurskonzept sinnvoll ergänzte.
Das Konzept im Haus Benedikt überzeugte fast auf ganzer Linie. Einziger inhaltlicher Schwachpunkt: Das Thema Frauen in Führungspositionen kam etwas zu kurz, wie übrigens auch in den meisten anderen Kursen für Nachwuchs-Chefs. Vorbildlich war bei diesem Kurs auch die Didaktik. Die Dozentin, eine Personalreferentin, bezog die Teilnehmer von Anfang an ein. Die sechs Nachwuchsführungskräfte notierten zum Beispiel ihre Erwartungen an den Kurs am ersten Nachmittag auf Kärtchen. Diese blieben bis zum Schluss an der Pinnwand. Die Erwartungsliste reichte von „Umgang mit Fehlern“ bis zu „Ich bin zu sanft mit meinen Mitarbeitern“.
Am zweiten Tag ging es viel um Theorie, von Führungsstilen, die ja immer auch in der Unternehmenskultur verankert sind, bis hin zu Themen wie Macht, Kontrolle und Delegation. Anschließend stand die jeweilige Arbeitssituation der Teilnehmer im Vordergrund. In einer Übung stellte jeder mit Spielfiguren sein eigenes Team auf und konnte so seine Situation aus einer anderen Perspektive wahrnehmen.
Angst vor neuen Mitarbeitern
Auch andere Übungen überzeugten. So wusste zum Beispiel eine in eine andere Abteilung versetzte Mitarbeiterin eines Jugendamtes nicht, wie sie ihre Vorgängerin ablösen und sich mit dem neuen Team bekannt machen sollte. Sie selbst fühlte sich ihren bisherigen Mitarbeitern noch verbunden und fürchtete Widerstände aus der neuen Gruppe. Im Rollenspiel übte sie dann so lange das offizielle Ritual der Übergabe und die Ansprache, bis sie sich sicher fühlte. Die Auswertung des Seminars am dritten Tag – auch mithilfe der Erwartungskärtchen vom Anfang – zeigte: Alle fühlten sich für den Alltag besser gewappnet.
Der Wermutstropfen für das Würzburger Haus Benedikt ist die „mittlere“ Qualität der Kundeninformation. Hier hätten wir uns zum Beispiel mehr Einzelheiten über Lernziele und Kursinhalte, Methodik und Stundenzahl gewünscht.
Woran es beim Schlechtesten haperte
Dass das breite Wissen eines Trainers noch keinen guten Kurs ausmacht, zeigte das Training „Vom Kollegen zur Führungskraft“. Der Dozent des RKW Bayern brachte zwar als ehemaliger Personalvorstand viel Erfahrung mit, die 13 Teilnehmer warteten jedoch zwei Tage lang vergeblich auf theoretische Grundlagen. Das Seminar glich außerdem eher einem Monolog als einem Dialog mit den elf Männern und zwei Frauen, mehrheitlich Führungskräfte aus dem produzierenden Gewerbe. Dabei hatten auch hier fast alle Teilnehmer klare Problemfälle mitgebracht. Der für die Reparatur-Annahme eines Autohauses Zuständige bekam die Vertretungsregelung nicht in den Griff, ein anderer Leiter hatte Probleme mit einem alkoholkranken Mitarbeiter. Nur in den Pausen diskutierten die Teilnehmer lebhaft. „Handwerkszeug haben wir nicht mitbekommen“, resümierte unser Tester. Inhaltlich und didaktisch war dieses Seminar eindeutig am schlechtesten.
Vorbehalte gegen Chefinnen
Im Jahr 2006 waren in Deutschland nur 31 Prozent aller vier Millionen hochqualifizierten Fach-und Führungskräfte in der Privatwirtschaft weiblich. Die Gründe liegen auf der Hand: Frauen schultern nach wie vor größtenteils die Haus- und Familienarbeit. Außerdem hat immer noch mehr als jeder vierte aller männlichen Personalentscheider Vorbehalte gegenüber Frauen in Führungspositionen. Dazu kommt, dass ihnen Vorbilder und Netzwerke fehlen.
Frauen führen anders
Seit einigen Jahren wächst die Zahl der Kurse für Frauen. Drei haben wir getestet. Hier sollten vor allem die Schwierigkeiten und Herausforderungen für weibliche Führungskräfte auf dem Programm stehen – wie zum Beispiel Vorurteile, Führen in einer Männerwelt und der geschlechtsspezifische Umgang mit Problemen –, ohne die übrigen wichtigen inhaltlichen Aspekte (Checkliste) zu vernachlässigen. Inhaltlich am besten gelang das dem Kurs „Frauen führen anders“ der IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern. Schade, dass der Zweitageskurs nur drei Teilnehmerinnen hatte. Unsere Testerin lobte zwar die persönliche Atmosphäre, doch für sehr abwechslungsreiche Gruppenübungen und Rollenspiele war die Runde zu klein.
Führen in einer Männerdomäne
Didaktisch überzeugte in dieser Gruppe am meisten „Erfolgreich als weibliche Führungskraft“ der Haufe Akademie. Die acht Teilnehmerinnen zwischen Ende 20 und Ende 40 waren teils langjährige Führungsfrauen – unter ihnen Mitarbeiterinnen der Deutschen Telekom, eine Teamleiterin einer Versicherung, eine Personalchefin sowie eine Leiterin aus der IT-Branche. Die Analyse des männlichen und weiblichen Führungsstils und Verhaltens stand am ersten Tag im Vordergrund. Wie sind wir erzogen worden? Wie führen wir? Wie kommunizieren Männer und Frauen? „Männer brauchen kurze Sätze, Frauen lange“, so eine Erkenntnis. Der Schwerpunkt lag dabei eher auf „Führung“ als auf „Frau sein“ wie bei der IHK-Hanau. Gut ging die Dozentin, eine Pädagogin und Managementtrainerin, auf die Erwartungen der Frauen und ihre Alltagsprobleme ein. Wie zum Beispiel sollte die Chefin eines Männerteams reagieren, wenn zu Beginn der Sitzung immer zotige Witze gerissen werden? Die IT-Chefin hatte es bisher mit Ignoranz versucht. In der Gruppe entwickelte und übte sie jedoch eine neue Strategie: einfach zwei Minuten später in die Sitzung kommen. Sonst stets pünktlich, fiel ihr das zunächst nicht leicht.
Handfeste Tipps für Führungskräfte
Unser Fazit von zehn Kursen: Bis auf einen inhaltlich sehr schwachen Kurs haben sich alle gelohnt. Überall saßen Führungskräfte aus ganz unterschiedlichen Branchen mit immer denselben Problemen. Auch die Ratschläge ähnelten sich: Wie motiviere ich gelangweilte Mitarbeiter? Indem ich mich mehr für sie interessiere und sie mehr einbinde. Was mache ich bei Arbeitsverweigerung? Klare Anweisungen geben, deutlich und konsequent sein. Wie werde ich als Ex-Kollege von meinen Mitarbeitern akzeptiert? Indem ich mich mehr vors Team stelle und notfalls bisherige engere persönliche Bindungen auflöse.
Eine gute Führungskraft sollte vor allem eines beachten: Nur wer authentisch und ehrlich ist, kann seine Mitarbeiter motivieren (Interview). Am leichtesten ist das für einen Menschen, der konzentriert und offen ist und in sich ruht. Üben kann man das wohl am besten im Kloster.
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