Kurse Energieberater Meist über­laden

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Kurse Energieberater - Meist über­laden

Wer Haus­besitzer zu Energiefragen beraten möchte, braucht meist eine Fortbildung. Unser Test von sechs Kursen zeigt: Über­all ging es um zu viel Stoff in zu kurzer Zeit. Eine Alternative kann da ein Fernkurs sein.

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Staatlich geförderte Beratung durch­führen

Welches Heiz­system ist zukunfts­tauglich? Wann rechnet sich eine Fassadendämmung? Haus­besitzer, die Energie sparen wollen, haben viele Fragen. Antworten können Fachleute geben, die ins Haus kommen und dort eine Vor-Ort-Beratung durch­führen. Diese vom Staat geförderte Beratung (siehe Glossar) können Architekten oder Ingenieure leisten, sowie Techniker oder Hand­werker wie Heizungs­bauer. Voraus­gesetzt, sie bringen eine ganz bestimmte Aus- oder Weiterbildung mit.

Kurse zwischen 120 und 200 Stunden

Architekten und Ingenieure absol­vieren die Fort­bildung zum Vor-Ort-Energieberater in mindestens 120 Unterrichts­stunden. Hand­werker und Techniker sowie Ingenieure aus fremden Fach­gebieten brauchen dafür mindestens 200 Stunden.

Die Stiftung Warentest hat sechs Lehr­gänge untersucht, die zwischen 1 650 und 2 580 Euro kosten. Wir haben geprüft, ob der begrenzte Stunden­umfang ausreicht, um das komplexe Thema Energieberatung zu lernen und in der Praxis auch anwenden zu können. Schließ­lich verlässt sich ein Haus­besitzer auf die Berechnungen und Empfehlungen eines Energieberaters. Hintergrund: Seit Jahren bean­standen Experten die mangelnde Qualität vieler Berichte.

Geschulte Tester in die Lehr­gänge

Für den Test haben wir geeignete Architekten, Ingenieure und Hand­werker ausgesucht und – nicht erkenn­bar als Tester der Stiftung Warentest – in Fort­bildungen geschickt. Die Kurse mussten zwischen Januar und Juli 2011 statt­finden (siehe „So haben wir getestet“). Viele der ursprüng­lich angekündigten Lehr­gänge fielen aus, vor allem die der Handwerk­skammern.

Wer diese Fort­bildung braucht, beruflich aber viel unterwegs ist, kann auch einen Fernkurs belegen. Das eignet sich aber nur für sehr Disziplinierte. In diesem Fall sind die Lehr­materialien das Herz­stück des Kurses. Darum haben wir in einem zweiten Test die Unterlagen von Fern- und Selbst­lern­kursen geprüft (siehe „So haben wir getestet“).

Nicht auf die Praxis vorbereitet

Das Ergebnis des Präsenz­kurs­tests ist ernüchternd. Zwar behandeln die Seminare weit­gehend die geforderten Inhalte (siehe Checkliste). Doch keiner unserer Tester fühlte sich nach Abschluss des Lehr­gangs tatsäch­lich in der Lage, selbst­ständig einen Beratungs­bericht zu verfassen. Obwohl sie nach Kurs­teil­nahme und Prüfung grund­sätzlich dazu berechtigt sind.

Auch den anderen Teilnehmern ging es nicht anders, erzählten unsere Tester. Allerdings: Für viele ist die Vor-Ort-Beratung auch nicht Lernziel Nummer Eins. Die meisten Architekten, Ingenieure und Handwerker profitieren von dem Wissen in ihrem sons­tigen beruflichen Alltag oder setzen gerne den Zusatz „anerkannter Energieberater“ auf die Visitenkarte.

Tipp: Ein guter Energieberater braucht viel praktische Erfahrung. Steigen Sie deshalb möglichst erst einmal an der Seite eines erfahrenen Kollegen in die Praxis ein.

Frontal­unter­richt mit viel zu viel Stoff

Das größte Manko bei den besuchten Präsenz­kursen war die viel zu hohe Stoff­dichte. Der Grund: Das Bundes­amt für Wirt­schaft und Ausfuhr­kontrolle (Bafa) (siehe Glossar) schreibt vor, was diese Fort­bildung mindestens vermitteln soll. Die Kurs­anbieter versuchten, den Stoff möglichst in der angekündigten Stundenzahl abzu­arbeiten. Mit so viel Frontal­unter­richt erinnerten die Kurse aber eher an eine Vorlesungs­reihe als an ein Seminar. Gruppen­arbeit und Übungen, die helfen, Gelerntes zu verstehen und zu vertiefen, waren Mangelware. Die Vermitt­lung war deshalb bestenfalls mittel­mäßig (siehe Tabelle).

Tipp: Initiieren Sie eine Lern­gruppe. Die Arbeit in der Gruppe hilft, den geballten Stoff zu verinnerlichen.

Bis zu zwölf Dozenten im Kurs

Wie wirken Baustoffe und Gebäude­technik zusammen? Welche Rolle spielt die Ausrichtung der Fenster bei der Dimensionierung der Heizung? Ob Schorn­steinfeger oder Ingenieur – jeder ist Experte auf einem Gebiet. Deshalb ist Vernetzung wichtig. Doch genau diese vermissten die Tester. Oft fehlte der rote Faden.

Kein Wunder. Schließ­lich unter­richteten über­all mehrere Dozenten. Ein Moderator, der die Zusammenhänge herstellt, fehlte meist. In den Lehr­gängen hielten bis zu zwölf Dozenten zwar gute Vorträge. Doch die Vernetzung blieb auf der Strecke. „Uns wurde gesagt: ‚Warten Sie ab, es kommt der Tag, an dem sich alles zusammenfügt.‘ Aber der Tag kam nicht“, berichtete einer unser Tester.

Wie es metho­disch besser gehen kann, zeigte der Kurs der Handwerks­kammer (HWK) München. Hier arbeiteten die Dozenten mit einem durch­gängigen Modell­beispiel. Die Kurs­teilnehmer, unter ihnen beispiels­weise einige Elektriker, konnten so die Zusammenhänge gut verstehen.

Eigener Bericht auf dem Stundenplan

Einen eigenen Beratungs­bericht zu erstellen, gehörte über­all dazu. Oft war dies Teil der Abschluss­prüfung. Fast alle Tester aber fühlten sich mit dem Bericht allein gelassen. O-Ton einer Test­person: „Bei der Eingabe der Daten wusste man bis zum Schluss nicht, was am Ende raus­kommt.“ Ein Dozent der Architektenkammer Berlin gab zu: „Man muss viele Berechnungen machen, ehe man die Stell­schrauben richtig kennt.“

Tipp: Planen Sie genug Zeit für die Weiterbildung ein. Zur angegebenen Stundenzahl für den Lehr­gang kommen noch Vor- und Nachbereitungs­zeiten und Zeit für das Erstellen des Beratungs­berichtes.

Alternative Fern­unter­richt

Angesichts von soviel Stoff bietet sich Fernunter­richt als Alternative an. Da kann jeder in seinem Tempo und auch im Zug oder Hotel lernen. Weil die Lehr­materialien das Herzstück eines Fern­kurses sind, haben wir die Unterlagen von sechs Fern­lehr­gängen und einem Selbst­lernkurs geprüft. Nur das Lehr­material der EW Medien und Kongresse war qualitativ hoch (siehe Tabelle). Von der Anlagen­technik bis zur Wirtschaftlich­keits­berechnung – auf etwa 1 400 Seiten wurden alle relevanten Themen behandelt. Die Texte waren praxis­nah und interes­sant und dank vieler Fotos und Bilder anschaulich. Es gab Tests und Einsende­aufgaben, die den Lerner stärker fordern als reines Auswendig­lernen.

ILS mit veralteten Verfahren

Auch das Material des Öko-Zentrums NRW vermittelte viele Grund­lagen. Einige Berechnungs­verfahren fehlten jedoch.

Nicht akzeptabel waren die Lehr­materialien des ILS und die anderen gleichen Materialien. Hier lernten die künftigen Energieberater ein veraltetes Berechnungsverfahren kennen, das seit Einführung der neuen Energie­einspar­ver­ordnung im Jahr 2009 (siehe Glossar) nicht mehr angewendet wird.

Doch auch wenn das Lehr­material eines Fern­kurses noch so gut ist – diese Lernform kommt nur für denjenigen in Frage, der selbst­ständig und diszipliniert viele Studien­briefe durch­arbeiten kann. Und: Unser Test sagt nur etwas über die Qualität der jeweiligen Unterlagen aus. Wie gut die Präsenz­phasen und die Lern­begleitung sind, haben wir nicht geprüft.

Zukünftig noch mehr Stoff

Schon heute sind die Präsenz­lehr­gänge inhalt­lich viel zu über­laden. Das hat unser Kurs­test gezeigt. Im Jahr 2012 soll noch mehr Stoff dazu­kommen (siehe "Berufsbild Energieberater"). Experten sind skeptisch. So sagt Martin Frenz vom Projekt Esyspro – Energieberatung systematisch professionalisieren an der RWTH Aachen: „Das künftige Anforderungs­profil ist inhalt­lich sehr differenziert. In dem nach wie vor eher geringen Mindeststundenumfang kann es jedoch kein Kursanbieter vermitteln.“

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