Soll ich kündigen? Das fragen viele seit der Reform der Lebensversicherung. Sie dürfen die Steuer nicht vergessen.

Bloß nicht zu früh ausmisten. Norbert Bröder hat lang genug in seine Lebensversicherung eingezahlt. Ob er kündigt oder die Police behält – das Finanzamt guckt ins Leere. Wer nicht aufpasst und zu früh kündigt, muss dagegen hohe Steuern in Kauf nehmen.
Sinkende Überschüsse und weniger Beteiligung an den Reserven der Versicherer – die Nachrichten zu Lebens- und Rentenversicherungen machen Kunden keine Freude. Sollten sie kündigen? Das fragen uns Leser wie Norbert Bröder aus Berlin nach der Reform im August.
Wie groß die Einschnitte sein werden, weiß zurzeit keiner, ebensowenig, wie viele betroffen sein werden. Unsicher ist auch, ob Versicherte durch eine Kündigung Geld retten können. Bisher haben sie dabei fast immer Verluste gemacht.
Kunden wie Norbert Bröder können nur ihren Versicherer fragen und hoffen, dass sie eine ehrliche Antwort erhalten. Wenn sie eine Kündigung ins Auge fassen, müssen sie außerdem an die Steuern denken: Oft greift das Finanzamt stärker zu als nach Ablauf der regulären Laufzeit.
Kapitallebensversicherung vor 2005
Besonders viel steht auf dem Spiel, wenn eine Kapitallebensversicherung schon vor dem Jahr 2005 abgeschlossen wurde – so wie das bei unserem Leser Bröder der Fall ist.
- Wollen Kunden das Geld auf einmal haben, ist die Auszahlung steuerfrei, wenn der Vertrag mindesten zwölf Jahre lief, fünf Jahre Beitrag gezahlt wurde und als Todesfallsumme mindestens 60 Prozent der Beiträge vereinbart sind. Bröder ist – Kündigung hin oder her – auf der sicheren Seite.
- Sind nicht alle Bedingungen erfüllt, verlangt das Finanzamt 25 Prozent Abgeltungsteuer für die Kapitalerträge in der Auszahlung, nachdem der Sparerpauschbetrag berücksichtigt ist.
Beispiel: Ein Mann kündigt seine Lebensversicherung nach elf Jahren und erhält 50 000 Euro. Der Versicherer bescheinigt ihm, dass die Auszahlung 10 000 Euro Zinsen enthält. Das Finanzamt bekommt rund 2 637 Euro Abgeltungsteuer und Solidaritätszuschlag, wenn der Sparerpauschbetrag für andere Kapitalerträge ausgeschöpft ist.
Alternativ dürfen Versicherte die Günstigerprüfung in der Steuererklärung beantragen und ihren eigenen Steuersatz zahlen, wenn dieser günstiger als die Abgeltungsteuer ist.
Kapitallebensversicherung seit 2005
Kunden, die ihre Police erst seit 2005 oder später haben, zahlen immer Steuern. Kündigen sie zu früh, erhält das Finanzamt besonders viel.
- Wollen sie das Geld auf einmal haben, sollte die Laufzeit mindestens zwölf Jahre betragen und die Auszahlung frühestens mit 60 Jahren erfolgen. Dann ist die Differenz zwischen Auszahlung und eingezahlten Beiträgen nur zur Hälfte als Kapitaleinnahme steuerpflichtig. Es zählt der eigene Steuersatz, nachdem der Sparerpauschbetrag berücksichtigt ist.
Beispiel: Eine Frau erhält im Jahr 2018 mit 60 Jahren 50 000 Euro aus einem Vertrag, der über zwölf Jahre lief. Sie hat 41 000 Euro Beiträge eingezahlt. Die Differenz zwischen Ein- und Auszahlung beträgt 9 000 Euro. Die Hälfte davon, 4 500 Euro, ist steuerpflichtig. Das Finanzamt erhält 1 350 Euro, wenn der Steuersatz der Frau mit Solidaritätszuschlag 30 Prozent beträgt und der Sparerpauschbetrag für andere Kapitaleinnahmen verbraucht ist.
- Kündigt ein Versicherter seine Lebensversicherung vor Ablauf von zwölf Jahren oder vor dem 60. Lebensjahr, muss er dagegen die volle Differenz zwischen Auszahlung und eingezahlten Beiträgen als Kapitalertrag versteuern. Das Finanzamt erhält 25 Prozent Abgeltungsteuer, nachdem der Sparerpauschbetrag berücksichtigt ist.
Beispiel: Ein Mann kündigt seine 2006 geschlossene Lebensversicherung vor Ablauf von zwölf Jahren. Die Beiträge summieren sich auf knapp 41 000 Euro, die Auszahlung auf 50 000 Euro. Der Mann muss die volle Differenz von 9 000 Euro versteuern. Sein Sparerpauschbetrag geht von anderen Kapitaleinnahmen ab. Die Abgeltungsteuer liegt deshalb mit Solidaritätszuschlag bei rund 2 374 Euro. Wäre der Vertrag zwölf Jahre gelaufen, hätte das Finanzamt nur 1 350 Euro erhalten, wenn der Steuersatz mit Solidaritätszuschlag 30 Prozent beträgt.
Müssen Versicherte die volle Differenz zwischen Ein- und Auszahlung versteuern, können sie in der Steuererklärung die Günstigerprüfung beantragen. Dann zahlen sie ihren persönlichen Steuersatz, wenn dieser günstiger als die Abgeltungsteuer ist.
Private Rentenversicherung
Steuernachteile kann es auch bei Kündigungen von privaten Rentenversicherungen mit und ohne Kapitalwahlrecht geben.
- Einmalzahlungen versteuern Kunden wie bei reinen Kapitallebensversicherungen – je nachdem, ob der Vertragsabschluss in die Zeit vor 2005 oder ab 2005 fällt.
- Geht es um Renten, ist das Jahr des Vertragsabschlusses egal. Entscheidend ist das Alter bei Rentenbeginn. Davon hängt ab, welcher Ertragsanteil steuerpflichtig ist.
Beispiel: Erhält eine Frau mit 58 Jahren die erste Rente, rechnet sie von 1 000 Euro 240 Euro (24 Prozent) beim Finanzamt ab, mit 63 Jahren sind es nur 200 Euro (20 Prozent).
Riester-Rentenversicherung
Viel Geld verlieren Riester-Sparer, die ihre Rentenversicherung kündigen. Sie müssen die staatlichen Zulagen und ihre Steuerersparnisse für die Beiträge zurückzahlen.
Außerdem interessiert sich das Finanzamt für die Kapitalerträge im Vertrag: Die Versicherungsleistung wird um die eigenen Beiträge und Zulagen gekürzt. Der Rest ist als sonstige Einkünfte mit dem eigenen Steuersatz steuerpflichtig, nachdem eine Werbungskostenpauschale von 102 Euro berücksichtigt ist.
Beispiel: Ein Mann kündigt nach elf Jahren und muss 6 400 Euro Steuerersparnis und Zulagen zurückzahlen. Die Leistung aus seiner Versicherung beträgt 23 000 Euro. Davon gehen 18 375 Euro eigene Beiträge und Zulagen ab. Die restlichen 4 625 Euro sind steuerpflichtig. Das Finanzamt erhält rund 1 387 Euro, wenn der Steuersatz des Mannes mit Solidaritätszuschlag 30 Prozent beträgt.
Läuft der Vertrag regulär aus, können Riester-Sparer 30 Prozent vom Guthaben auf einmal erhalten und den Rest als Rente. Alternativ können sie das ganze Guthaben als Rente erhalten. In jedem Fall zahlen sie für die Auszahlung Steuern mit ihrem persönlichem Steuersatz. Steuerersparnisse und Zulagen aus dem Berufsleben bleiben unangetastet.
Rürup-Rentenversicherung
Rentenversicherungen mit Rürup-Förderung sind unkündbar. Sparer dürfen sie aber beitragsfrei stellen oder den Anbieter wechseln, wenn die Bedingungen ihres Vertrags das erlauben. Die Rente ist später je nach Jahr des Beginns steuerpflichtig.
Beispiel: Erhält ein Mann dieses Jahr die erste Rürup-Rente, bleiben 32 Prozent steuerfrei. Von 10 000 Euro muss er 6 800 Euro (68 Prozent) beim Finanzamt abrechnen.
Risikolebensversicherung
Nicht kündigen sollten Versicherte Risikolebensversicherungen, wenn der Schutz wichtig ist. Das Geld, das ihr Partner erhält, falls sie sterben, ist steuerfrei.
-
- Kunden mit einer privaten Rentenversicherung oder eine Lebensversicherung mit Garantiezins legen Wert auf Sicherheit. Dies ist wichtig für die Planung ihrer...
-
- Große Freude lösen die Nachrichten der Lebensversicherer nicht mehr aus. Bei vielen privaten Kapitallebens- und Rentenversicherungen zeichnet sich ab, dass die in...
-
- Der Garantiezins für Lebensversicherungen wird 2021 voraussichtlich erneut sinken – von derzeit 0,9 auf dann 0,5 Prozent für Neuverträge. Dafür hat sich der...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Hier sollte man vor allem beim Anbieter aufpassen. Oft ist dies in der zweiten Enttäuschung gemündet.
Nicht nur aus steuerlichen Gründen sollte man daher stets vor der Kündigung den Verkauf der Police auf dem Zweitmarkt in Erwägung ziehen. Denn der Ankäufer zahlt einen Kaufpreis über Rückkaufswert und führt den Vertrag an Stelle des Versicherten bis zur Endfälligkeit fort. Außerdem bleibt dem Versicherten dadurch noch ein beitragsfreier Rest-Todesfallschutz erhalten.