Erstmals können sich Anleger in Deutschland an einem Initial Coin Offering (ICO) beteiligen. Dabei bieten Unternehmen über das Internet oder soziale Medien Coins oder Tokens an. Das sind digitale Einheiten auf Basis bestehender oder neu geschaffener Kryptowährungen. Damit sollen die Anleger einkaufen und handeln können. Reguliert ist das kaum, die Angebote sind oft unausgereift, die Informationen dünn. Das hat eine ungewöhnliche Allianz der Warner auf den Plan gerufen.
Initial Coin Offering für Cannabis
Kryptowährungen und Coins wirken bald im wahrsten Sinne des Wortes berauschend: Die Deutsche Cannabis AG hat vor, sich bei Anlegern 5 bis 10 Millionen Euro über ein Initial Coin Offering (ICO) zu beschaffen. Mit dem Geld will sie sich an Unternehmen beteiligen, die in Kalifornien Cannabis anbauen oder Produkte mit der Droge vertreiben.
ICOs profitieren vom Boom bei Kryptowährungen

„ICOs sind der größte Schwindel aller Zeiten.“ Jordan Belfort, verurteilter Finanzbetrüger, dessen Geschichte in „Wolf of Wall Street“ verfilmt wurde.
Bei einem Initial Coin Offering, manchmal auch Initial Token Offering oder Token Sale genannt, bietet ein Unternehmen über das Internet oder soziale Medien einem Schwarm von Anlegern (Crowd) Coins oder Tokens an, also digitale Einheiten auf Basis bestehender oder neu geschaffener Kryptowährungen. Zahlungen akzeptieren sie in etablierten Kryptowährungen oder in gesetzlichen Zahlungsmitteln wie Euro oder US-Dollar. Die Coins oder Tokens dienen verschiedenen Zwecken. Zum Teil können Anleger damit Produkte oder Dienstleistungen kaufen. Manche Coins oder Tokens gewähren Stimmrechte oder Anteile an künftigen Einnahmen. Die ICOs profitieren vom Boom bei Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum.
Unser Rat
Der Kauf von Tokens und anderen „Gutscheinen“, mit deren Verkauf Firmen Kapital aufzunehmen, ist viel zu betrugsanfällig und riskant. Lassen Sie besser die Finger davon. Wenn Sie mehr über seriösere Kryptowährungen wissen wollen, lesen Sie unser Special Bitcoin: So funktioniert das Geld aus dem Internet.
Weitgehend wildes Terrain

Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
Die Deutsche Cannabis AG etwa verbindet die Geschäftsmodelle Cannabis und Kryptowährungen, um „Investorenkreise zu erschließen, die über herkömmliche Finanzierungsinstrumente für die Deutsche Cannabis AG nicht oder nicht in dem angestrebten Umfang erreichbar sind“. Die neuartige Art der Kapitalbeschaffung ist attraktiv für Unternehmen. Wenn sie Wertpapiere wie Aktien ausgeben, müssen sie nach strengen Vorschriften Verkaufsprospekte mit oft mehr als 100 Seiten erstellen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) vorlegen. Die ICOs sind dagegen weitgehend wildes Terrain. „ICO-Strukturen bergen ein großes Potenzial für Missbrauch und Betrug“, sagt Bafin-Präsident Felix Hufeld.
Risiken bei Initial Coin Offerings
Verlustrisiko. Die Risiken sind hoch, ein Totalverlust ist möglich.
Fehlende Regulierung. Viele ICOs finden sich in unreguliertem Terrain.
Fehlender Schutz. Verbraucher-, Anleger- und Datenschutz sind nicht gewährleistet.
Unzureichende Information. Anlegerinformation in sogenannten Whitepapers ist oft unzureichend, unverständlich oder irreführend.
Komplexität. Technisches Verständnis ist für umfassende Beurteilung von ICO-Projekten nötig.
Frühphase. Entwicklungsstand und Geschäftsmodelle sind oft unerprobt, Projekte in einem sehr frühen, experimentellen Stadium.
Preisschwankungen. Hohe Preisausschläge sind möglich. Häufig gibt es keinen Zweitmarkt. Tokens können unverkäuflich sein.
Betrugsrisiko. Potenzial für Missbrauch und Betrug ist groß. Dritte können mögliche Fehler im Programmcode ausnutzen.
Quelle: Bafin
Informationen nach Gutdünken
Die Pionierin in Deutschland, die Wysker UG aus Berlin, erläuterte im Herbst 2017 in einem „Whitepaper“ auf gerade mal 18 Seiten in schwer verständlichem Krypto-Sprech, warum ihr „Wys-Token“ auf Basis der Technologie der Kryptowährung Ethereum tolle Aussichten haben soll. Sie will eine Shopping-App und eine Onlineshopping-Plattform auf den Markt bringen (siehe Grafik). Das ist typisch. Die Unternehmen sind oft sehr jung, ihre Vorhaben sind noch wenig ausgereift. Für Anleger ist es daher höchst riskant, sich an ICOs zu beteiligen. Sie setzen in der Regel nicht nur auf Geschäftsmodelle, die sich noch nicht am Markt bewährt haben, sondern wagen sich in einen Bereich, in dem es kaum Regeln zu ihrem Schutz gibt.
Deutschland-Premiere: Das Initial Coin Offering von Wysker

Das Berliner Start-up Wysker entwickelt eine Shopping-App und beschafft sich seit Herbst 2017 Kapital. So soll das Geschäft künftig funktionieren.
Ungewöhnliche Allianz der Warner
Das hat sogar Warner auf den Plan gerufen, die ganz und gar nicht als notorische Bedenkenträger gelten. „Das ist viel schlimmer als alles, was ich jemals getan habe“, sagt etwa der verurteilte Finanzbetrüger Jordan Belfort. Er zockte Anleger mit Aktien ab und lieferte damit die Vorlage für den Film „The Wolf of Wall Street“. Belfort hält ICOs für den „größten Schwindel aller Zeiten“. Ungewöhnlich schnell haben auch Finanzaufsichtsbehörden der Europäischen Union und verschiedener Länder öffentlich gegen die ICOs Stellung bezogen. Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht warnt: „Wie bei den meisten Trends zieht das hohe öffentliche Interesse an ICOs auch Betrüger an.“ Sie stellt eine „systembedingte Anfälligkeit von ICOs für Betrug, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“ fest.
Gefahr bei Scheinkryptowährungen
Als „Scheinkryptowährungen“ bezeichnet die Schweizer Finanzmarktbehörde Finma eine gefährliche Spielart digitaler Währungen. Damit meint sie Angebote von Firmen, die auf der Welle der Kryptobegeisterung reiten. Bei ihnen gibt eine zentrale Instanz, also ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe, die Coins oder Tokens aus. Bei üblichen Kryptowährungen ist gerade das nicht der Fall.
Bei einigen Anbietern bestehe der Verdacht, dass sie unerlaubte Geschäfte betrieben, warnt die Finma. Sie setzte daher unter anderem die Animax United LP aus Edinburgh als Betreiberin von „V-Coins“ auf ihre Warnliste. Das hat sie auch bei der Euro Solution GmbH getan, die die digitale Währung SwissCoin vermarktete. Sie steht auch auf der Warnliste Geldanlage der Stiftung Warentest, ebenso wie die Vermarkter von OneCoin. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat den OneCoin-Vertrieb in Deutschland untersagt. Diese Art virtueller Währungen ist hochspekulativ. Finanztest warnt davor, sich auf solche Geschäfte einzulassen.
Angreifbar und manipulierbar
Anleger könnten nur schwer überprüfen, ob die Tokens und Co so funktionieren wie behauptet, denn sie können den zugrunde liegenden Programmiercode (Smart Contract) schwer überprüfen, erklärt die Bafin: „Der Code kann sich zudem als angreifbar und damit manipulierbar erweisen.“ Die Informationen für Anleger seien „oft objektiv unzureichend, unverständlich oder irreführend“. Die Crowd kann sich nicht sicher sein, dass sie Abnehmer für ihre Coins oder Tokens findet. Die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA mahnt bei den Handelsplattformen zur Vorsicht: Viele seien „nicht reguliert und anfällig für Marktmanipulation und Betrugshandlungen“.
Keine gesetzlichen Vorgaben
Da es keine gesetzlichen Vorgaben oder Transparenzvorschriften gibt, müssen Anleger auf eigene Faust das Coin- oder Tokenangebot einschätzen und die Seriosität und Bonität des Anbieters beurteilen. Das können sie kaum leisten. Sie sollten den Markt den Zockern überlassen, damit sich ihr Geld nicht genauso in Rauch auflöst wie ein Joint.