Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zwei verbraucherfreundliche Urteile zu Kreditbearbeitungsgebühren bestätigt. Damit steht jetzt fest: Kreditnehmern steht Erstattung von insgesamt bis zu 13 Milliarden Euro zu. Noch ist unklar, welche Regeln für die Verjährung gelten. Darüber urteilen die Bundesrichter erst später. test.de berichtet direkt aus Karlsruhe und erklärt, wie sich Betroffene die Erstattung von Kreditbearbeitungsgebühren sichern und welche Forderungen sicher nicht verjährt sind.
BGH-Vorsitzender: „Tsunami an Revisionen“
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist Höhepunkt einer beispiellosen Klagewelle. Tausende Kreditnehmer waren vor Gericht gezogen, um die Erstattung von Kreditbearbeitungsgebühren zu fordern. Allein beim BGH liegen rund 100 Fälle. „Über uns ist ein Tsunami an Revisionen hereingebrochen“, sagte Ulrich Wiechers, Vorsitzender des BGH-Bankensenats zu Beginn der Verhandlung. „So etwas habe ich in meinen 20 Jahren am BGH noch nicht erlebt“, ergänzte er.
Tipp: In unserem FAQ-Artikel beantwortet Finanztest-Redakteur Christoph Herrmann die wichtigsten Fragen zum Thema Kreditbearbeitungsgebühren.
Nach Grundsatzentscheidung womöglich noch mehr Klagen
Möglicherweise bekommt die Klagewelle nach Verkündung der Grundsatzurteile des BGH jetzt noch mehr Schwung. Laut Bundesbank-Statistik für die Jahre 2005 bis 2013 gewährten die Sparkassen und Banken in Deutschland 64,4 Millionen Ratenkredite über insgesamt 1 261,4 Milliarden Euro. In diesem Zeitraum waren Kreditbearbeitungsgebühren in Höhe von 1 bis 3,5 Prozent der Kreditsumme weithin üblich. Wenn nur bei der Hälfte der Verträge durchschnittlich zwei Prozent Gebühr zu zahlen war, schulden die Banken und Sparkassen ihren Kunden fast 13 Milliarden Euro.
So funktionierte das Geschäft mit Gebühren
So funktionierte das Geschäft mit den Kreditbearbeitungsgebühren: Statt über die ganze Laufzeit verteilt Zinsen zu kassieren, teilte die Bank die Vergütung auf: 1 bis 3,5 Prozent der Kreditsumme waren sofort bei Auszahlung des Kredits als „Bearbeitungsgebühr“ fällig. Die Bank behielt das Geld gleich bei der Auszahlung ein. Dafür kassierte sie später weniger Zinsen. Beim Effektivzins mussten die Banken auch die Kreditbearbeitungsgebühr einrechnen. Er bewegte sich bei Krediten mit Bearbeitungsgebühr auf dem gleichen Niveau wie bei Krediten ohne Bearbeitungsgebühr. Nachteil für Kunden mit Kreditbearbeitungsgebühr: Wenn Sie den Kredit – so wie es bei Ratenkrediten jederzeit zulässig ist – vorzeitig zurückzahlen, sparen sie zwar die Zinsen für die restliche Laufzeit, die Bearbeitungsgebühr aber behält die Bank vollständig.
So gerieten die Banken unter Druck
Jahrelang störte sich niemand an der Bankenpraxis. Doch dann kam die Schutzgemeinschaft für Bankkunden und ihre Anwälte, allen voran Finanztest-Mutmacher Wolfgang Benedikt-Jansen. Der Verband hielt die Gebühren wegen Verbraucherbenachteiligung für unwirksam und mahnte eine ganze Reihe von Banken ab. Die meisten weigerten sich, auf die Kreditbearbeitungsgebühren zu verzichten. Die Schutzgemeinschaft zog in zahlreichen Fällen vor Gericht und erzielte einen Erfolg nach dem anderen. Bis zum Jahr 2011 gaben acht Oberlandesgerichte den Verbraucherschützern Recht und verurteilten Banken und Sparkassen zur Unterlassung.
Suche nach Anwälten
Mit den Unterlassungsurteilen im Rücken forderten immer mehr Bankkunden Erstattung der Kreditbearbeitungsgebühren. Trotzdem weigerten sich viele Banken. Vor allem Creditplus Bank, Deutsche Bank, Postbank, Santander und Targobank stellten sich stur. Mehr noch: Bis ins Jahr 2013 hinein kassierten sie weiter Kreditbearbeitungsgebühren. Verbraucherschützer und test.de ermunterten Betroffene, gegen ihre Bank vorzugehen. Problem für viele: Die meisten Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht übernehmen Kreditbearbeitungsgebührenfälle ungern. Die Streitwerte und damit die Honorare sind gering.
Leverkusener Anwalt machte den Anfang
Als erster ging Guido Lenné aus Leverkusen in die Offensive. Er bot an, Kreditbearbeitungsgebührenfälle unbürokratisch und schnell zu übernehmen. Insgesamt rund 1 500 Mandanten haben ihn beauftragt. Auch Wolfgang Benedikt-Jansen, der sonst in erster Linie die Schutzgemeinschaft für Bankkunden vertritt, stieg ein und forderte für gut 2 000 Betroffene Erstattung. Die Metaclaims Sammelklagen GmbH von Rechtsanwalt Sven Hezel aus Bremen bot Kunden von Creditplus Bank, Deutscher Bank, Postbank Santander Consumer Bank und Targobank an, die Erstattung von Kreditbearbeitungsgebühren gesammelt gelten zu machen – ohne jedes Risiko und Kosten. Insgesamt gut 800 Kreditnehmer haben ihre Forderung an das Unternehmen abgetreten. Das fordert jetzt die Erstattung der Gebühren und erhebt gesammelt Klage. Wenn Metaclaims die Verfahren gewinnt und die Banken zahlen, erhalten die Kunden zwei Drittel ihrer Kreditbearbeitungsgebühren zurück.
Warten auf die letzte Instanz
Unterdessen blieb der Bundesgerichtshof als höchstes deutsches Zivilgericht zunächst außen vor. Als dort im Jahr 2012 ein Kreditbearbeitungsgebührenfall zur Verhandlung anstand, nahm die betroffene Sparkasse ihre Revision gegen ein oberlandesgerichtliches Kreditbearbeitungsgebührenverbot zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung zurück und verhinderte so ein Grundsatzurteil. Unterdessen verurteilten Amts- und Landgerichte bundesweit eine Bank nach der anderen zur Rückzahlung von Kreditbearbeitungsgebühren. Aktuell umfasst die test.de-Liste verbraucherfreundlicher Urteile 275 Einträge.
Klare Ansage von den Bundesrichtern
Der Bundesgerichtshof bestätigte nun Urteile des Oberlandesgericht Hamm gegen die National-Bank AG und des Landgerichts Bonn gegen die Postbank AG. Klare Ansage des Bankensenatsvorsitzenden Ulrich Wiechers: Die Kreditbearbeitungsgebühren benachteiligen Verbraucher. Die Gebühren suggerieren, dass die Kunden für besondere Leistungen der Bank zahlen sollen. Doch die Bearbeitung des Kreditantrags ist Sache der Bank und erfolgt in ihrem eigenen Interesse. Die Vereinbarung einer solchen Gebühr ist deshalb als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam und die Bank muss das Geld zurückzahlen. Ärgerlich für Banken: Kunden stehen nach Erstattung der Gebühr besser, als sie bei Abschluss der Vertrags erwarten durften. Doch das ist notwendige Folge der Verwendung unzulässiger Gebührenklauseln. Eine Anpassung des Zinssatzes als „ergänzende Vertragsauslegung“, wie sie Bankenanwalt Siegmann in der Verhandlung gefordert hatte, sei nicht möglich; unwirksame Klauseln zu verwenden, hätte ja sonst kaum Folgen für betroffene Banken.
Das können Kunden jetzt verlangen
Wer Kreditbearbeitungsgebühren gezahlt hat, kann Erstattung verlangen. Zumindest bei ab Januar 2011 ausgezahlten Krediten ist die Forderung sicher nicht verjährt. Auch bei älteren Krediten sind nach Meinung mancher Gerichte Erstattungsforderungen noch durchsetzbar. Doch das ist umstritten. Der BGH wird über die Frage wohl im Laufe des Jahres entscheiden. test.de empfiehlt allen Betroffenen, Erstattungsforderungen vorsorglich sofort geltend zu machen. So gehts:
- Forderung. Suchen Sie die Unterlagen zu Ihrem Kredit heraus. Wenn Sie eine Gebühr gezahlt haben, fordern Sie Erstattung. Dabei hilft Ihnen der test.de-Musterbrief Erstattung von Kreditbearbeitungsgebühren. Rechtlicher Hintergrund: Wenn Sie ohne zuvor selbst Erstattung zu fordern einen Anwalt einschalten, müssen Sie sein Honorar für außergerichtliche Tätigkeit selbst zahlen.
- Durchsetzung. test.de vermutet: Auch nach dem Grundsatzurteil des BGH werden manche Banken die Erstattung verweigern oder nicht fristgerecht zahlen. Tatsächlich gelten die Urteile direkt nur für die am konkreten Verfahren Beteiligten. Gerichte beachten jedoch die Vorgaben des BGH für gleich gelagerte Fälle. Wenn Ihre Bank nicht zahlt, schalten Sie also einen Anwalt ein, der möglichst Erfahrungen mit Kreditbearbeitungsgebühren hat. Dazu müssen Sie nicht unbedingt persönlich in die Kanzlei. Kreditbearbeitungsgebührenfälle lassen sich oft problemlos per Telefon und Post abwickeln.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.05.2014
Aktenzeichen: XI 170/13
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.05.2014
Aktenzeichen: XI 405/12
Im DetailHintergrund, Einzelheiten, aktuelle Urteile und Ausreden der Banken