Banken und Sparkassen müssen Sondertilgungsrechte zu Gunsten der Kreditkunden berücksichtigen, wenn sie berechnen, wie hoch die Entschädigung sein soll, die ihnen der Kunde für einen vorzeitigen Ausstieg zahlen muss. Einige Kreditinstitute haben das in ihren Darlehensverträgen ausgeschlossen. Diese Klausel zur Vorfälligkeitsentschädigung hat der Bundesgerichtshof aber nun für unwirksam erklärt.
Sondertilgungsrechte mindern Schaden
Wenn Bankkunden vor der vereinbarten Frist aus ihrem Immobiliendarlehen aussteigen wollen, müssen sie ihren Kreditgebern den Schaden ersetzen. Die Baufinanzierer wiederum müssen Sondertilgungsrechte ihrer Kunden berücksichtigen, wenn sie die Höhe dieser sogenannten Vorfälligkeitsentschädigung berechnen. Hat ein Kunde zum Beispiel das Recht, 5 000 Euro im Jahr zusätzlich zur monatlichen Rate zu tilgen, muss die Bank bei der Berechnung der Entschädigung 5 000 Euro als Sondertilgung berücksichtigen. Der vorzeitig zurückgezahlte Kreditbetrag sinkt dadurch und auch die Entschädigung fällt geringer aus. Ohne dieses Sondertilgungsrecht müsste der Kunde eine höhere Entschädigung zahlen. Die Bank muss das Recht auch dann einbeziehen, wenn es der Kunde zuvor nie genutzt hat. Das kann viel ausmachen.
Ein Rechenbeispiel: Zahlt der Kunde bei einem Darlehen mit 5 Prozent Zins und 1 000 Euro Monatsrate fünf Jahre vor Ende der Zinsbindung auf einen Schlag 150 000 Euro zurück und hat ein Sondertilgungsrecht von 20 000 Euro im Jahr, darf die Bank nur rund 22 000 statt 29 000 Euro Entschädigung verlangen.
Verbraucherschützer verklagten Sparkasse Aurich-Norden
Einige Baufinanzierer hatten bislang Klauseln in ihren Darlehensverträgen, die es ausschlossen, Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Entschädigung zu berücksichtigen. Dazu zählte auch die Sparkasse Aurich-Norden. Die Verbraucherzentrale Hamburg verklagte sie deshalb auf Unterlassung und fand beim XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs Gehör. Er urteilte am 19. Januar 2016, dass solche Klauseln unwirksam sind (Az. XI ZR 388/14) und bestätigte damit eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg. In den „Besonderen Vereinbarungen“ des Darlehensvertrags hieß es: „Zukünftige Sondertilgungsrechte werden im Rahmen vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt.“
Richter kippten die nachteilige Regelung
Die Richter wiesen darauf hin, dass die Baufinanzierer nur ihren Zinsschaden – also die Zinsen, die ihnen durch die vorzeitige Auflösung entgehen – und ihren Verwaltungsaufwand als Entschädigung verlangen dürfen. Wenn ein Kreditinstitut seinen Kunden das Recht zu Sondertilgungen einräume, müsse es damit rechnen, dass sie dieses Recht auch nutzen und dementsprechend weniger Zinsen zahlen. Eine Klausel, die Sondertilgungsrechte generell ausschließe, benachteilige die Kunden „entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen“. Sie führe zu einer „Überkompensation“ des Kreditinstituts, die auch nicht anderweit ausgeglichen oder auch nur abgeschwächt werde.
Mehrere Baufinanzierer betroffen
Gegen solche Klauseln waren die Hamburger Verbraucherschützer schon in anderen Fällen mit Erfolg vorgegangen. Vor dem Landgericht Stuttgart setzten sie sich gegen die Allianz Lebensversicherungs-AG (Az. 11 O 161/12 vom 20. Dezember 2012) und vor dem Landgericht Karlsruhe gegen die Sparkasse Pforzheim Calw (Az. 10 O 31/14 vom 11. Juli 2014) durch. Beide wurden verurteilt, die Klausel nicht mehr zu verwenden. Weitere Kreditinstitute haben sich gegenüber der Verbraucherzentrale verpflichtet, solche Klauseln nicht mehr zu verwenden. Die Verbraucherschützer listen auf:
· die Sparkasse Südholstein,
· die Continentale Lebensversicherungs AG,
· die Sparkasse Vest Recklinghausen,
· die DBV-Winterthur Lebensversicherung AG,
· die AXA Krankenversicherung AG,
· die Volksbank Remscheid-Solingen eG,
· die Ergo Versicherungsgruppe AG und
· die Kreissparkasse Verden.
Kreditnehmer können Differenz zurückverlangen
Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist für alle Darlehensnehmer mit Sondertilgungsrechten interessant, die ab 2013 ihren Immobilienkredit vorzeitig abgelöst haben und dafür Vorfälligkeitsentschädigung zahlen mussten. Wenn ihre Bank das Recht nicht berücksichtigt hat, war die Entschädigung zu hoch. Sie können die Differenz zurückverlangen. Die Berechnung der zu Unrecht kassierten Ablösesumme ist allerdings schwierig. test.de liefert im Special Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobilienkrediten wichtige Hintergrundinformationen und erklärt, wie Betroffene die Forderung einer Bank überprüfen können. Darlehensnehmer, die fehlerhaft über ihr Widerrufsrecht für den Kredit belehrt wurden – das ist die ganz große Mehrheit –, brauchen gar keine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen. Umfangreiche Informationen dazu finden Sie in unserem Special zum Thema Widerruf bei Immobilienkrediten.
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