Hohe Hürde für Selbstständige: Abschied von der hauptberuflichen Tätigkeit

Doppelleben: tagsüber Sachbearbeiter, abends nebenbei als freier IT-Berater selbstständig. Wenn sie eine Anstellung finden, können privat versicherte Selbstständige versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenkasse werden.
Privat versicherte Selbstständige können nicht in die gesetzliche Krankenkasse zurück, solange sie hauptberuflich selbstständig sind. Die Firma aufzugeben, ist die sauberste Lösung. Wenn das nicht infrage kommt, muss die Selbstständigkeit zum Nebenberuf werden. Doch wie geht das?
Eine selbstständige Erwerbstätigkeit gilt dann als hauptberuflich, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt. Dafür gibt es keine verbindlichen Grenzwerte. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung hat zwar Grundsätze zur Orientierung aufgestellt. Doch es kommt auf das Gesamtbild jedes Einzelfalls an.
Maßgeblich für das Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit ist der nach dem Einkommensteuerrecht ermittelte Gewinn. Ausschlaggebend ist dafür nicht nur der letzte Steuerbescheid, sondern die tatsächlichen aktuellen und künftig zu erwartenden Verhältnisse. Als Nachweise müssen die Kassen auch Erklärungen von Steuerberatern und betriebswirtschaftliche Auswertungen akzeptieren, unter Umständen sogar eine Schätzung des Betroffenen selbst.
Ein bisschen selbstständig
Beispiel: Ein freiberuflicher IT-Berater will über eine Festanstellung versicherungspflichtig werden, seine Selbstständigkeit aber nicht ganz aufgeben. Die Krankenkasse prüft, welchen zeitlichen und finanziellen Anteil die Arbeitnehmer- und die selbstständige Tätigkeit haben. Bei Arbeitnehmern mit Vollzeit-Vertrag gehen die Kassen davon aus, dass für eine hauptberufliche Selbstständigkeit daneben keine Zeit bleibt.
Findet unser IT-Fachmann eine Teilzeitstelle für mehr als 20 Stunden wöchentlich und verdient damit mehr als derzeit 1 645 Euro brutto (Stand: 2021), kann er versicherungspflichtig werden. Dieser Betrag ergibt sich aus den Rechengrößen der Sozialversicherung, die die Bundesregierung jährlich neu festlegt. In diesem Fall würde eine Kasse davon ausgehen, dass das sein Hauptjob ist. Bei weniger Stunden und geringerem Lohn würde sie dagegen vermuten, dass die Selbstständigkeit überwiegt. Generell sehen die Kassen eine selbstständige Tätigkeit als überwiegend an, wenn sie sowohl zeitlich als auch finanziell um 20 Prozent über der Beschäftigung als Arbeitnehmer liegt.
Arbeitgeber und Gesellschafter
Eine weitere Hürde müssen diejenigen überwinden, die Angestellte haben. Wer auch nur eine Person oberhalb der Minijobgrenze beschäftigt, bei dem vermuten die Kassen zunächst, dass er hauptberuflich selbstständig ist. Nicht zuletzt deswegen, weil Selbstständige dann auch Zeit mit Führungsaufgaben verbringen. Sie haben aber ein Recht darauf, dass die Kassen die Gesamtumstände ihres Falls prüfen.
Wer Gesellschafter zum Beispiel einer GmbH ist, muss den Gesellschaftsvertrag ändern, damit er die hauptberufliche Selbstständigkeit loswird. Solange er wesentlich die Geschicke des Unternehmens lenkt und unternehmerisches Risiko trägt, ist es unglaubwürdig, dass er in der eigenen Firma als Arbeitnehmer weisungsgebunden arbeitet.
Wieder nur noch selbstständig
Hat es jemand in die gesetzliche Kasse geschafft, darf er auch bleiben, wenn der Arbeitsvertrag und die Versicherungspflicht enden. Versicherte bleiben als freiwillige Mitglieder in der Kasse, wenn sie nicht binnen zwei Wochen ihren Austritt erklären. Ihr Beitrag verändert sich: Während sie als Arbeitnehmer nur von ihrem Lohn Beiträge abführen mussten, berechnet die Kasse den Beitrag bei hauptberuflich Selbstständigen von allen Arten von Einkünften, die jemand erzielt.
Wirft die Selbstständigkeit nur wenige Hundert Euro im Monat ab, wird der Mindestbeitrag auf der Basis von monatlich 1096,67 Euro festgesetzt (Stand: 2021).