
Raus aus der teuren Privatkrankenversicherung – Finanztest zeigt, wer das kann und wie es geht.
Für junge, gesunde und gut verdienende Leute ist die private Krankenversicherung häufig attraktiv. Viele bereuen ihre Entscheidung aber später. Doch sie können sich nicht ohne Weiteres wieder gesetzlich versichern. Der Gesetzgeber hat hier einen Riegel vorgeschoben: Gutverdienende sollen nicht die Vorteile der privaten Versicherung mitnehmen und später, wenn sie älter und häufiger krank sind, den solidarisch finanzierten Krankenkassen zur Last fallen.
Versicherungspflicht als Eintrittskarte
Viele Privatversicherte, die Zutritt zum gesetzlichen System anstreben, müssen ihr Berufsleben umorganisieren. Denn sie müssen zuerst einmal versicherungspflichtig werden. Das sind sie zum Beispiel, wenn sie zu einer dieser Personengruppen gehören:
- Arbeitnehmer, die mehr als einen Minijob mit 450 Euro Monatslohn haben, aber weniger als derzeit 5 362,50 Euro brutto im Monat verdienen (Stand: 2021),
- Bezieher von Arbeitslosengeld I,
- Ehrenamtliche im Bundesfreiwilligendienst, im freiwilligen sozialen oder im ökologischen Jahr,
- Studenten und Auszubildende.
Wer sehr geringe Einkünfte hat, kommt auch über die Familienversicherung beim gesetzlich versicherten Ehepartner oder beim eingetragenen Lebenspartner unter.
Versicherungspflicht oder Familienversicherung: In der Regel kommen Privatversicherte nur darüber zurück in die Kasse. Wer dies auch nur für einen Tag schafft, darf sich dort freiwillig weiterversichern. Früher waren Vorversicherungszeiten erforderlich – entweder unmittelbar zuvor mindestens 12 Monate am Stück oder innerhalb der letzten fünf Jahre mindestens 24 Monate. Das ist jetzt nur noch in Ausnahmefällen nötig.
Lösungen für Arbeitnehmer: Zeitweise weniger verdienen
Arbeitnehmer haben es am einfachsten, solange sie noch nicht 55 Jahre alt sind. Sobald ihr regelmäßiges Gehalt die Jahresarbeitsentgeltgrenze (Lösung für Arbeitnehmer) unterschreitet, werden sie versicherungspflichtig. Legen sie dann innerhalb von drei Monaten die Mitgliedsbescheinigung von ihrer gesetzlichen Kasse beim privaten Versicherer vor, können sie den privaten Vertrag rückwirkend zum Eintritt der Versicherungspflicht kündigen. Wer über der Grenze verdient, kann das Gehalt reduzieren.
Beispiel: Finanztest-Leserin Cordula West* hat mit ihrem Arbeitgeber vereinbart, dass ein Jahr lang 25 Prozent ihres Gehalts in ein Arbeitszeitkonto fließen. Sie arbeitet voll weiter, bekommt aber nur 75 Prozent ihres Gehalts ausgezahlt.
Das reicht aus, um vom ersten Tag dieser Regelung an versicherungspflichtig zu werden. Mit dem angesammelten Wertguthaben nimmt sie drei Monate bezahlte Auszeit. Danach arbeitet sie normal weiter und erhält wieder ihr volles Gehalt. Der Vorteil: Sie bleibt als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Kasse.
Nicht jeder Arbeitgeber lässt sich auf so etwas ein. Ein Anrecht haben Arbeitnehmer hingegen darauf, dass Teile des Gehalts in die betriebliche Altersvorsorge fließen, zum Beispiel in eine Pensionskasse oder Direktversicherung. Um bis zu 3 408 Euro jährlich können Arbeitnehmer so ihr sozialversicherungspflichtiges Entgelt reduzieren. Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung sind insgesamt bis zu 6 816 Euro im Jahr steuerfrei. Liegt jemand durch diese Entgeltumwandlung nun unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze, wird er versicherungspflichtig.
Befreiung kann zur Falle werden
Manche Arbeitnehmer haben sich jedoch irgendwann einmal von der Versicherungspflicht befreien lassen. Sie wollten privat versichert bleiben, als sie durch die jährliche Anhebung der Entgeltgrenze mit ihrem Gehalt unter diesen Wert rutschten.
Das Problem: Die Befreiung werden sie nicht los, solange sie Arbeitnehmer sind. Versicherungspflichtig wird ein „Befreiter“ nur, wenn er arbeitslos wird und Arbeitslosengeld I erhält. Findet er danach einen neuen Job, darf er in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben.
Lösungen für Studenten: Vorübergehend exmatrikulieren
Von der Versicherungspflicht als Student befreien lassen hat sich Tim Hartmann*. Als Sohn eines Beamten ist der 23-Jährige seit der Kindheit günstig privat versichert. Die Beihilfe deckt 80 Prozent seiner Krankheitskosten, er braucht nur Versicherungsschutz für die restlichen 20 Prozent. Was Hartmann nicht bedachte: Der Beihilfeanspruch endet, sobald er 25 wird. Falls er nach dem Studium keine sozialversicherungspflichtige Stelle findet, sondern nur Werkverträge oder Minijobs, wird die private Versicherung schnell zur Last. Eine vollwertige Police kostet selbst für junge Leute mehrere Hundert Euro im Monat.
Der Ausweg: Exmatrikulation für mehr als einen Monat zwischen Bachelor- und Masterstudium (Lösungen für Studenten).
Lösungen für Selbstständige: Hauptberuflichkeit aufgeben
Für Selbstständige ist der Weg in die gesetzliche Krankenversicherung schwierig. Dabei kann gerade für kleine Selbstständige mit niedrigem Einkommen ein Wechsel existenziell sein. Zum Beispiel für Roland Hell*. Sein Backshop in einem Berliner Randbezirk wirft schon seit einer Weile nicht mehr genug ab. Direkt nach der Wende hatte er sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig gemacht und sich zu einer privaten Versicherung überreden lassen.
Seine Beiträge sind in den zurückliegenden Jahren stark gestiegen, er will zurück in die gesetzliche Kasse: „Wenn ich nicht bald den Absprung schaffe, lande ich beim Sozialamt“, befürchtet der 53-Jährige. Er jobbt jetzt schon nebenbei in einem Callcenter. Doch für den Zugang zur gesetzlichen Kasse braucht er statt dieses Minijobs eine sozialversicherungspflichtige Stelle. Zuvor muss er aber die hauptberufliche Selbstständigkeit loswerden (Worauf Selbstständige achten müssen) – bevor er Mitte 50 ist.
Lösungen für über 55-Jährige: Umwege gehen
Die Altersgrenze ist der 55. Geburtstag. Ab diesem Tag wird jemand nicht mehr versicherungspflichtig, selbst wenn er eine Stelle als Arbeitnehmer findet und unterhalb der Entgeltgrenze verdient. Nur wer in den fünf Jahren davor mindestens einen Tag gesetzlich versichert war, kann diese Hürde noch meistern.
Im EU-Ausland versichert sein
Die meisten Älteren müssen umständlichere Wege gehen. Einer davon führt übers europäische Ausland. In Ländern wie Frankreich, Schweden, der Schweiz, Österreich und Dänemark gibt es eine obligatorische Krankenversicherung. Sie ist europarechtlich mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gleichzustellen. Verlegt jemand zum Beispiel seinen Wohnsitz in die Niederlande und arbeitet dort, muss er sich in einer dortigen Krankenkasse versichern. Dabei ist es egal, ob er angestellt oder selbstständig ist, wie viel er verdient und wie alt er ist. Die Europäische Kommission stellt im Internet (Missoc.org) Informationen über die Sozialsysteme in 32 europäischen Ländern bereit.
Am Ende des Auslandsaufenthalts müssen Rückkehrwillige ihre Versicherungszeit vom ausländischen Krankenversicherungsträger im EU-Formular „E 104“ bestätigen lassen. Wichtig ist, dass sie alle Brücken zur deutschen privaten Krankenversicherung abgebrochen haben. Der frühere Vertrag muss gekündigt sein. Wer im Ausland zuletzt gesetzlich krankenversichert war und keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hat, kommt nach der Rückkehr in Deutschland in die gesetzliche Kasse.
Beim Partner mitversichern
Die beitragsfreie Familienversicherung ist ein weiterer Weg zurück in die gesetzliche Kasse, der unabhängig vom Alter ist. Sie wird möglich, wenn ein Privatversicherter mit einer gesetzlich krankenversicherten Person verheiratet ist oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt.
Das Einkommen des bisherigen Privatversicherten darf jedoch höchstens 470 Euro im Monat betragen (Stand: 2021), mit einem Minijob höchstens 450 Euro. Dabei zählen alle Einkünfte mit, beispielsweise auch Miet- und Zinseinnahmen.
Keine faulen Tricks
Wenn der 55. Geburtstag näher rückt, sind manche so verzweifelt, dass ihnen jedes Mittel recht ist, um in die gesetzliche Kasse zurückzukommen. Eine Freundin hat Roland Hell angeboten, ihn „auf dem Papier“ anzustellen. Doch davon ist abzuraten. Sollte später herauskommen, dass ein Wechsler die ursprüngliche Versicherungspflicht mit unsauberen Mitteln wie einem Scheinarbeitsverhältnis erschlichen hat, kann er rückwirkend aus der Kasse fliegen. Das kann im Extremfall sogar noch bis zu zehn Jahre später passieren. Wenn dagegen die Kasse trotz korrekter Angaben des Mitglieds falsch entschieden hat, kann sie dies nur innerhalb von zwei Jahren korrigieren. In der Regel genießt der Versicherte dann Vertrauensschutz und darf bleiben.
Roland Hell will sich nun für ein Jahr zum Bundesfreiwilligendienst melden. So wird er auch versicherungspflichtig.
* Namen von der Redaktion geändert.