
Verschobene Vorstellungen, ausgewechselte Akteure – nicht jeder Konzert-, Theater- oder Kinobesuch läuft nach Plan. Doch wo verläuft die Grenze zwischen „dumm gelaufen“ und Recht auf Schadenersatz? Wie weit reicht das Hausrecht des Veranstalters? Hier fassen wir zusammen, was zahlende Besucher verlangen können – und was nicht.
Wenn die Lieblingsband nicht spielt
Kultur kann teuer sein: Ein Abend in der Oper oder auf einem Konzert kann schon mal 200 Euro und mehr verschlingen. Pro Person. Wer so viel zahlt, hat meist hohe Erwartungen und ärgert sich, wenn die Vorstellung von Freitag auf Dienstag verlegt wird oder die anderen Gäste durch lautes Gerede den Kunstgenuss trüben. Enttäuschend auch, wenn die Lieblingsband die Teilnahme am Festival kurzfristig absagt.
Allgemeines Lebensrisiko oder Recht auf Schadenersatz?
Viele solcher Ärgernisse müssen Kulturfans unter Erfahrungen verbuchen. Wenn ein Sitzriese mit opulentem Haupthaar die Sicht auf die Bühne verhindert oder die Künstler unmotiviert wirken, können Ticketkäufer dafür nicht die Veranstalter zur Rechenschaft ziehen. So etwas fällt juristisch in die Kategorie „allgemeines Lebensrisiko“. Werden jedoch Vorstellungen verschoben, Festivals abgebrochen oder die bezahlten Plätze anderweitig vergeben, haben Besucher oft Recht auf Schadenersatz.
Neue Regeln aufgrund der Corona-Pandemie
Seit Beginn der Corona-Pandemie wurden unzählige Konzerte, Tourneen und andere kulturelle Veranstaltungen aus behördlichen Gründen abgesagt. In solchen Fällen konnten Ticketkäufer in Deutschland die Erstattung des Eintrittspreises und der Vorverkaufsgebühren vom Veranstalter verlangen. Doch dieses Recht auf Kostenerstattung wurde durch eine Gesetzesänderung Mitte Mai 2020 ausgesetzt, stattdessen trat eine Gutscheinregelung in Kraft. Doch nicht alle Kunden wollen Gutscheine akzeptieren. Mehr dazu in unserer Meldung Vorverkaufsgebühr einbehalten - was nun?
Ohne geht nichts: Die Eintrittskarte

Tickets werden heute häufig im Netz gekauft. Ein Nachteil des Onlinehandels: Die Zustellung klappt nicht immer. Lassen Karten auf sich warten, ist es oft hilfreich, sich beim Händler zu melden. Er kann etwa Tickets erneut zuschicken oder Käufer auf eine Liste setzen lassen, die an der Abendkasse liegt. Werden Karten zu spät zugestellt, haben Besucher nach Ansicht der Verbraucherzentralen das Recht auf eine Rückerstattung des Verkaufspreises, sofern sie Zeugen wie einen Briefträger benennen. Verbummelt ein Käufer seine Karten, sind Veranstalter nicht verpflichtet, neue auszustellen.
Vorsicht, Zweithändler! Im Netz sind auch Zweithändler-Plattformen wie Viagogo und fansale aktiv. Sie sind lediglich Vermittler. Die Nutzer kaufen bei Dritten. In der Vergangenheit waren darunter oft Betrüger, die gefälschte Karten verkauften, und Schwarzhändler, die extrem hohe Preise verlangten. Fiel das Konzert aus, gab es weder Ansprechpartner noch Kaufpreiserstattung. Wer bei einer Zweithändler-Plattform kauft, geht grundsätzlich ein Risiko ein. Viagogo bietet seinen Kunden zwar ein Garantieversprechen an. Ob Kunden dadurch tatsächlich besser geschützt sind, ist unklar.*
Besser pünktlich sein: Der Einlass

In der Oper, beim Musical oder im Theater schließen sich die Eingangstüren, kurz bevor sich der Vorhang öffnet. Wer zu spät kommt, den bestrafen – zumindest empfinden es viele so – die Mitarbeiter am Einlass. Sie entscheiden, wann und ob verspätete Gäste die Vorstellung noch sehen können. Damit sind sie im Recht. Zuspätkommer haben auch im Kino keinen Anspruch darauf, umgehend eingelassen zu werden. Die Mitarbeiter dürfen entscheiden, wann ein passender Moment für verspäteten Einlass ist. Operngäste, die gegen diese Praxis juristisch vorgehen wollten, sind vor dem Amtsgericht Aachen gescheitert (Az. 10 C 529/96).
Wann Tickets verfallen. Betreiber dürfen auch bestimmen, wann sie bestellte, noch nicht bezahlte und nicht abgeholte Karten zum Verkauf freigeben.
Was Ordner dürfen. Veranstalter sind grundsätzlich verpflichtet, für die Sicherheit ihrer Gäste zu sorgen. Dafür setzen sie bei Pop-Konzerten und Festivals meist Ordner ein. Leibesvisitationen und Taschenkontrollen am Einlass sind zugelassen. Wie am Flughafen können Gäste darauf bestehen, von Personal des eigenen Geschlechts durchsucht zu werden.
Was Besucher akzeptieren müssen. Steht auf der Eintrittskarte, dass die Mitnahme etwa von Getränken verboten ist, müssen Besucher diese am Einlass abgeben. Was nicht jeder weiß: Nach der Veranstaltung haben sie ein Anrecht, alle abgegebenen Sachen unbeschädigt zurückzuerhalten. Das gilt für eine Videokamera genauso wie für eine Wasserflasche.
Der Betreiber bestimmt: Das Hausrecht

Popcorn-Eimer in XXL und schlumpfblaues Trinkeis – angesichts des meist ungesunden Angebots an Kino-Snacks versorgen Eltern gerne ihre Kinder während der Vorstellung mit mitgebrachter Apfelschorle und Maiswaffeln. Andere Gäste schmuggeln Billigbier in den Kinosaal. Kinobetreibern geht so eine Menge Umsatz verloren. Deshalb verbieten sie meist, dass Gäste Getränke und Knabberzeug mitbringen. Ihr Hausrecht erlaubt es ihnen.
Was für Altersbeschränkungen im Kino gilt. Betreiber müssen dafür sorgen, dass das Jugendschutzgesetz eingehalten wird. Sie dürfen keine jüngeren Kinder oder Jugendlichen in Filme lassen, die ab 16 oder 18 Jahren freigegeben sind. Eine Ausnahme gilt für Filme mit Freigabe ab 12 Jahren: Möchten Eltern sie zusammen mit einem Kind ab 6 Jahren sehen, dürfen Kinomitarbeiter sie nicht daran hindern.
Der Vorhang hebt sich: Die Vorstellung

Da haben sich die Theatergäste auf den Abend mit dem bekannten Tatort-Kommissar in der Hauptrolle gefreut – doch dann wird er überraschend durch einen unbekannten Mimen ersetzt. Auch wenn manch ein Besucher in solch einem Fall tobt, weil er seinen Lieblingsschauspieler nicht zu Gesicht bekommen hat, gehen die Chancen gegen null, auch nur einen Teil des Eintrittspreises erstattet zu bekommen.
Kein Recht auf bestimmte Darsteller. Für Theater- oder Opernaufführungen kauft der Besucher mit dem Ticket das Recht, die Vorführung zu sehen, nicht aber bestimmte Darsteller. Ein Wechsel in der Besetzung berechtigt nicht dazu, den Preis zu mindern. Leer gehen auch Besucher aus, die sich an der Inszenierung stören. Treten in einem Shakespeare-Stück die Schauspieler nicht in historischen Gewändern auf, sondern in Rockerkluft, wird dadurch der Vertrag nicht gebrochen, entschied das Amtsgericht Hamburg (Az, 4 C 370/07).
Minderung, wenn der Star absagt. Anders ist die Rechtslage, wenn der Auftritt eines Solokünstlers ausfällt oder verschoben wird. Bei Einzelkonzerten können Kunden die Karte zurückgeben. Vertrags- und damit Ansprechpartner ist der Veranstalter. Oft betraut er mit der Abwicklung die Vorverkaufsstellen. Ist ein Star als Hauptattraktion bei einem Festival eingeplant und sagt ab, ist es möglich, den Preis nachträglich zu mindern. Liegt einem Musikfan eine Vorgruppe oder eine von Dutzenden Bands auf dem Festival besonders am Herzen, kann er ebenfalls einen prozentualen Teil des Eintrittspreises zurückverlangen, wenn der erwartete Auftritt ausfällt und er – etwa als Mitglied eines Fanclubs – glaubhaft machen kann, dass ihn dieser Teil des Festivals besonders interessierte.
Dabei sein ist alles: Die Teilhabe

Die 2008 in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention regelt, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen am kulturellen Leben teilhaben sollen. Die Mitgliedsstaaten müssen dafür sorgen, dass kulturelle Einrichtungen barrierefrei zugänglich sind. Veranstalter sind dem Gesetz nach nicht verpflichtet, Freikarten für Begleitpersonen oder andere Vergünstigungen einzuräumen. Viele tun es jedoch freiwillig, nachzufragen lohnt sich.
Menschenrecht auf Barrierefreiheit. Im Alltag kann es für die Betroffenen schwierig sein, ihre Rechte durchzusetzen. So wurde ein Rollstuhlfahrer von einem Kino abgewiesen, weil dieses nicht behindertengerecht ausgebaut war. Dagegen klagte der Schweizer bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der jedoch urteilte, dass es kein Anrecht gibt, einen bestimmten Film in einem bestimmten Kino zu sehen. Der Kläger hätte auf barrierefreie Kinos in der Nähe ausweichen können (Az. 40477/13).
Kein Hund im Zuschauerraum. In München durfte eine Epilepsiepatientin nicht gemeinsam mit ihrem Begleithund eine Musicalvorstellung besuchen. Die Frau verklagte das Theater. Das Gericht befand, dass die Frau zwar benachteiligt wurde (Az. 191 C 24919/16). Sicherheitsgründe gingen in diesem Fall aber vor: Hunde im Zuschauerraum hätten Fluchtwege versperrt.
Dieses Special ist erstmals am 25. September 2019 auf test.de erschienen. Es wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 11. November 2020.
* Satz korrigiert am 17. November 2020