Kondome Fast schon perfekt

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Perfekt sind sie nicht, aber nahezu: Bei rund 24 500 geprüften Verhüterli fanden sich insgesamt nur fünf (Mikro-)Löcher in fünf Kondomen. Viel besser geht es kaum.

Brav eingerollt, in Ruheposition, wirken die münzgroßen Gummiringe unscheinbar: blass, dünnhäutig, empfindlich. Doch in der Praxis und im Test zeigen sie Statur und Kraft eines Goliath, sind hand-und standfest, höchsten Belastungen und Strapazen gewachsen. Früher galten „Pariser“ beim Akt als Spaßbremse. Heute wird durch sie unbeschwerter Sex oft erst möglich: Nur Kondome bieten praktikablen Schutz vor dem HI (Humanes Immundefizienz)-Virus. Die zarten wie geschmeidigen Überzieher aus Naturkautschuk (Latex) tragen die Last der Mission „Gib Aids keine Chance“: Sie kann nur gelingen, wenn im Liebesleben unter gewissen Bedingungen Kondome konsequent genutzt werden.

Präservative werden heute als Allerweltsprodukte wahrgenommen, meist in Drogerie- und Supermärkten gekauft, eher selten aus Kondomautomaten an „points of need“ gezogen. Fast vorbei die Werbung mit anzüglichen Sprüchen und Bildchen: Die verpackten Futterale werden sachlich, lustig oder frech präsentiert – etwas Spaß muss sein, gerade weil es ernst werden kann.

Viele HIV-Neuinfektionen

Viele neue HIV-Infektionen sind auf Nachlässigkeit und Sorglosigkeit zurückzuführen – die Angst vor Aids ist geringer geworden. In den letzten beiden Jahren wurden in Deutschland jeweils rund 3 000 Neuinfektionen gemeldet. Auch Infektionen mit Syphilis nehmen wieder zu. An mangelnder Kondomqualität liegt es nicht. Beste Ergebnisse zeigte bereits ein Test vor fünf Jahren. Auch jetzt erhielten alle Latexkondome das test-Qualitätsurteil „gut“.

Ihre wahre Größe zeigt sich im Labor

Der Gesetzgeber stellt an die Medizinprodukte hohe Anforderungen. Ihre wahre Größe zeigen die Überzieher im Labor. Dort ist die Leistung der Gummis gigantisch: Bis sie bersten, sollen sie mindestens 18 Liter Luft fassen. Dann erreicht ein 150 Millimeter langes Präservativ zum Beispiel 550 Millimeter, sein Umfang schwillt von 104 auf mehr als 565 Millimeter an. Aufgeblasen platzten Kondome im Test oft erst weit jenseits einer Aufnahme von 30 Liter Luft. Im Reißtest müssen Latexproben um etwa das Siebenfache gedehnt werden können – all das ist für die hochflexiblen Verhütungssysteme kein Pappenstiel. Die Anforderungen an das Material sind zwar von Erfordernissen eines Liebesspiels so weit entfernt wie gelebte Zweisamkeit von Cybersex, doch die Vorgaben signalisieren Strapazierfähigkeit: Nutzer können auf Nummer sicher gehen.

Ein „Sehr gut“ wurde als test-Qualitätsurteil nicht vergeben, weil es keine Verhütungsmethode gibt, die einen 100-prozentigen Schutz bietet. „Lochfreiheit“ wäre bei der Massenware, wenn überhaupt, nur mit noch größerem Aufwand möglich. Maßstäbe setzt die Norm: Beim „Lochtest“ dürfen bei 315 Kondomen aus einer Charge von 150 000 Stück zwei Kondome „Undichtigkeiten“ haben; bei 500 Kondomen aus einer Charge von 150 000 bis einer halben Million drei. Im Test hatten bei etwa 24 500 geprüften Kondomen zwei Kondome zweier Fabrikate je ein Loch, von einem weiteren Hersteller ein Kondom eine Undichtigkeit. Negatives zur Qualität ist daraus nicht abzuleiten: Die Norm wurde erfüllt; Latexkondome sind belastbar, zuverlässig. Aus dem Rahmen der guten Ergebnisse fallen Beate Uhse/love care feeling, Lümmeltüten Zweisam und Rilako Akiriko extra dünn mit einem „Befriedigend“ beim Prüfpunkt Verpackung: Bei Beate Uhse/Love care und Akiriko wegen unverschlossener Verkaufspackungen, bei den Lümmeltüten hatte die Einzelpackung keine Aufreißhilfe.

Keine Norm für Kunststoffkondome

Für Kondome aus Kunststoff gibt es zurzeit noch keine Prüfnorm und deshalb auch kein test-Qualitätsurteil. Sie sind aber eine Alternative bei Latexallergie. Polyisopren ist dehnfähiger als Latex, das Berstvolumen ist größer, der Berstdruck etwas geringer. Bei Polyurethan (PUR) ist das Berstvolumen kleiner als bei Latex, der Berstdruck wesentlich höher. Im Test fand sich kein Loch.

Die weltweit gültige Norm für Latexkondome ermöglicht mehr Größenvielfalt. Vorge­schrieben ist eine Mindestlänge von 170 Millimetern. Bei der Breite gibt es keine Beschränkung mehr auf maximal 56 Millimeter. Besonders jüngere Männer sollten aus dem Angebot aber selbstkritisch auswählen: Sie neigen dazu, in einen zu großen „Anzug“ zu schlüpfen – und laufen Gefahr, „blankzuziehen“, das Kondom beim Akt zu verlieren. Bei den meisten Kondo­men im Test wird als Anwendungshinweis nur „Vaginalverkehr“ genannt, manchmal auch Anal- und Oralsex, bei neun finden sich keine Angaben. Hinweise wie „konturiert“ und „easy on Passform“ deuten auf taillierte oder individuellere Schnitte hin.

„Muschelförmige Spiralen“

Information und Werbung sind manchmal schwer zu trennen. Aufschriften wie „Besonders reißfest“ müssen bei Latex durch klinische Daten belegt werden. Hersteller weichen dem aus, nennen eine Wandstärke von 0,1 Millimeter – statt der üblichen 0,04 bis etwa 0,06 Millimeter, die wiederum auch als „hauchdünn“ oder „extra dünn“ bezeichnet werden. „Duftet besser“ ist wohl eine Anspielung auf einen gelegentlichen Gummigeruch bei Liebe mit Latex.

Der Hinweis auf „muschelförmige Spiralen“ bei inspiral condoms sollte jedoch nicht allzu ernst genommen werden. Die „Spiral-Kurven-Form mit dynamischer Federwirkung“ soll reizend den Sex befeuern. Der laut Illustration bohrge­windeähnliche Kondomkopf ist in Natura so nicht zu erkennen – und die in Aussicht gestellte „patentierte Spring-Action“ stimuliert wohl vor allem die Phantasie.

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