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Es soll Viren und Bakterien bekämpfen, beim Abnehmen helfen und sogar gegen Demenz wirken – einige Internetseiten preisen Kokosnussöl als wahres Wundermittel. Doch unabhängige Gesundheits- und Ernährungsorganisationen entzaubern die Versprechen und warnen sogar vor übermäßigem Verzehr. Die Diskussion dreht sich vor allem um die Fettsäuren im Kokosöl. test.de fasst den Stand der wissenschaftlichen Debatte zusammen.
Alle Testergebnisse für Kokosöl 12/2018
Früher Volksmedizin, heute angeblich Allheilmittel
Die Bewohner der Tropen verwenden Kokosöl seit jeher in der Volksmedizin. Seit einigen Jahren beschwören Internetseiten es aber als Allheilmittel für die ganze Welt. Vor allem seine Fettsäuren Laurin-, Caprin- und Caprylsäure sollen medizinisch wirksam sein und selbst bei sehr schweren Krankheiten wie Krebs, Alzheimer und Masern helfen. Kokosöl, so heißt es öfter, könne auch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen und das Abnehmen fördern. Es soll zudem die Zähne pflegen und unter anderem vor Karies bewahren. Kann das Lebensmittel wirklich vorbeugen und heilen wie ein Arzneimittel – zumal die angepriesenen Fettsäuren zu den gesättigten Fettsäuren zählen, die allgemein als nachteilig gelten?
Kokosöl nicht vorteilhaft für Herz und Kreislauf
„Hilfreich dabei, die Risikofaktoren für Herzkrankheiten zu minimieren“ – behauptet zum Beispiel das Gesundheitsportal zentrum-der-gesundheit.de über Kokosöl. Doch die American Heart Association (AHA) hat dieser Heilserwartung 2017 einen gehörigen Dämpfer verpasst. Die US-amerikanische Organisation, die sich dem Kampf gegen Herzerkrankungen widmet, rät in einer Studie zu Speisefetten und Herzkreislauf-Erkrankungen sogar ausdrücklich davon ab, Kokosöl zu verzehren. Aufgrund seines hohen Anteils an gesättigten Fettsäuren – rund 90 Prozent – erhöhe Kokosnussöl nämlich das unerwünschte LDL-Cholesterin im Blut. Hohe LDL-Werte gelten als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besonders kritisch seien die gesättigten Fettsäuren Myristin- und Palmitinsäure. Auch der Laurinsäure kämen keine ausgleichenden Effekte zu.
Ungesättigte Fettsäuren sind gesünder
Die AHA empfiehlt, gesättigte Fettsäuren – wie sie in Kokosöl oder Palmfett reichlich vorhanden sind – durch gesündere, ungesättigte Fettsäuren zu ersetzen. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollten mindestens zwei Drittel der aus Fett stammenden Energie aus ungesättigten Fettsäuren stammen. Vor allem Raps- und Olivenöl enthalten viel von diesen vorteilhaften Fettsäuren.
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Kokosnussöl lässt Pfunde nicht purzeln
„Kokosöl zum Abnehmen“ propagiert die Internetseite kokosoel.info – und steht damit nicht allein. Viele einschlägige Seiten im Netz vertreten diese These. Ihr Argument: Da die gesättigten Hauptfettsäuren Laurin-, Caprin- und Caprylsäure zu den mittelkettigen Fettsäuren zählten und der Körper mittelkettige Fettsäuren besonders schnell aufnehmen und leicht verdauen könne, speichere er sie nicht wie langkettige Fettsäuren, sondern baue sie bevorzugt zur Energiegewinnung ab. Allerdings basieren Studien, die sich mit Abnehm-Effekten durch mittelkettige Fettsäuren befasst haben, auf Ernährungsversuchen mit speziellen Kunstfetten. Diese MCT-Fette – das Kürzel MCT steht für Medium Chain Triglycerides – enthalten praktisch nur mittelkettige Fettsäuren, haben aber nicht das Fettsäuremuster von natürlichem Kokosöl.
Ernährungswissenschaftler: MCT-Fette helfen nicht bei Fettleibigkeit
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hält MCT-Fette in der Therapie gegen Adipositas nicht für empfehlenswert. Nur einige, über einen kurzen Zeitraum angelegte Studien ließen darauf schließen, dass diese Fette helfen könnten, Körpergewicht und Fettmasse zu reduzieren. Langfristige Effekte seien nicht untersucht worden und auch nicht, wie verträglich die MCT-Fette sind. Damit ist wissenschaftlich also nicht bewiesen, dass mittelkettige Fettsäuren auf lange Sicht das Körpergewicht positiv beeinflussen – oder überhaupt Pfunde purzeln lassen.
Laurinsäure gegen HIV?
„Bekämpft Viren, Bakterien und Pilze“, heißt es auf der Plattform veganesk.de – und nicht nur dort. Portale wie gesundheit-und-wohlbefinden.net werden noch konkreter und behaupten, dass Kokosöl „Herpes, Hepatitis, HIV, Influenza und Masern heilen oder lindern“ könne. Die britische Ernährungsorganisation British Nutrition Foundation erklärt, dass ihr keine wissenschaftlich fundierte Studie bekannt sei, die antimikrobielle Effekte im Körper des Menschen nachweise. Es sei auch nicht bekannt, wie viel Monolaurin der Mensch aus Laurinsäure produziere. Immerhin lägen einige Hinweise vor, dass isoliertes Monolaurin beim Menschen gegen Hautinfektionen wirke.
Wirkung bei Alzheimer nicht belegt
Die Leber verwandle die mittelkettigen Fettsäuren überwiegend in Ketone. Diese könnten unterversorgte Hirnzellen mit Energie versorgen. So lautet die Theorie hinter der Behauptung, dass Kokosöl bei Demenz helfen könne. Der Blog paleosophie.de stellt in Aussicht, dass man mit Kokosöl „Alzheimer erfolgreich behandeln“ könne. Weitere Online-Seiten verweisen auf Veröffentlichungen über Demenz-Patienten, deren Leiden angeblich durch Kokosöl gelindert wurde. Doch solche Einzelfälle sind noch keine wissenschaftlichen Belege. Auch Studien über den positiven Einfluss von Kokosöl auf Alzheimer-Patienten sind nach Einschätzung der britischen Ernährungsorganisation British Nutrition Foundation nicht belastbar. Es handle sich überwiegend um Tierstudien, und diese seien – wie auch die wenigen Humanstudien – nicht mit handelsüblichem Kokosöl, sondern einem caprylsäurereichen Spezialprodukt durchgeführt worden.
Ölziehen reicht nicht als Kariesschutz
Ayurveda-Fans nutzen verschiedene Ölsorten, darunter auch Kokosöl, zum sogenannten Ölziehen. Dabei spülen sie einige Minuten lang etwas Öl im Mund hin und her und ziehen es so durch die Zahnzwischenräume. Diese Art von Mundhygiene soll verschiedenen Krankheiten vorbeugen. Das Kaufberatungsportal utopia.de schreibt zu Kokosöl: „Ein natürlicher Karies-Schutz“. Einige Anbieter und Anhänger von Kokosöl bewerben es darüber hinaus noch als Mittel zur Zahnfleischpflege und zum Bleachen – also Aufhellen der Zähne. Einige Studien, etwa aus Indien, deuten mögliche Anti-Plaque-Effekte von Kokosöl an – vor allem gegen Pilze. Die Studien haben aber methodische Schwächen und bestätigen darüber hinaus keine Rundum-Wirkung gegen Karies. Die erreicht man durch klassische Zahnpflege mit fluoridhaltiger Zahncreme.
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EU verbietet Heil-Versprechen
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa hat keine gesundheitsbezogenen Aussagen – sogenannte Health Claims – genehmigt, mit denen Anbieter ihre Kokosöle bewerben dürfen (Health Claims). Wenn sie die Laurinsäure beispielsweise als „antibakteriell“ anpreisen, ist das nicht erlaubt. Die Efsa hatte 2011 einen Antrag auf einen Health Claim abgeschmettert, der sich auf Abnehm-Effekte durch mittelkettige Fettsäuren bezog.
Lieber zum Arzt gehen als Kokosöl verzehren
Es liegen nach unserer Recherche keine wissenschaftlich belastbaren Studien vor, wonach der Verzehr von Kokosöl Krankheiten vorbeugt, diese lindert oder gar heilt. Wer entsprechenden Gesundheitsversprechen vertraut und lieber Kokosöl einnimmt statt einen Arzt zu Rate zu ziehen, geht insbesondere bei schweren Erkrankungen ein gesundheitliches Risiko ein.
Fazit: Raps- und Olivenöl sind gesünder
Es spricht nichts dagegen, gelegentlich Kokosöl in geringen Mengen zu verzehren. Kulinarisch kann es die Küche durch seinen Geschmack bereichern. Es gibt aber unserer Kenntnis nach keine gesundheitlichen Vorteile, die nach Maßstäben der evidenzbasierten Medizin wissenschaftlich nachgewiesen sind. Das Fettsäurespektrum von Kokosöl ist nicht ideal. Raps- und Olivenöl liefern erheblich mehr wertvolle einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren: Gute Produkte zeigen der Rapsöl-Test und der Olivenöl-Test der Stiftung Warentest. Im Test von Margarine schnitten Produkte mit Kokosfett weniger gut ab, andere mit viel Rapsöl waren gut.
Tipp: Warum manche Öle gesünder sind als andere, erklären wir in unserer Meldung Speiseöle im Vergleich und im Buch Warenkunde Öl. Speiseöle – Expertenwissen und kreative Rezepte, das für 19,90 Euro im test.de-Shop erhältlich ist. Antworten auf Fragen zum Thema Speiseöl gibt unser FAQ Speiseöl.
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@nils1896: Vielen Dank für Ihr Interesse an den Veröffentlichungen der Stiftung Warentest. Gerne nehmen wir das Thema „Kokosmilch“ als Testwunsch auf und leiten Ihren Wunsch an die entsprechende Abteilung weiter. Dennoch können wir nicht versprechen, dass wir Ihr Thema auch in absehbarer Zeit realisieren können. Es gibt eine sehr lange Liste von Untersuchungswünschen /-vorhaben und redaktionellen Projekten, die auf Umsetzung warten, aber leider nur begrenzte Ressourcen. (cr)
Guten Tag, sie erwähnen in diesem Artikel zwar Kokosmilch, aber leider gibt es dazu von Ihnen bislang keinen Test. Dabei ist Kokosmilch weit verbreitet (gehört inzwischen sogar zum Standard-Sortiment von Aldi - das ist wirklich ein klares Indiz dafür, dass ein Produkt bei der breiten Masse angekommen ist) und für viele, die den Einsatz von tierischen Produkten reduzieren möchten, eine wichtige Alternative. Ich möchte daher anregen, in Zukunft mal Kokosmilch verschiedener Hersteller unter die Lupe zu nehmen. Vielen Dank!
Ich gehöre zu den Menschen, die ein Kokosöl in der Küche nicht missen möchten. Aber wenn nur 5 von 15 Kokosölen zu empfehlen sind, dann muss das Öl gründlich unter die Lupe genommen werden. Wie erklennt ihr ein gutes Kokosöl?
Meines Erachtens war das beanstandete Kokosöl aus Sri Lanka. Das Label lässt sich zur Kontrolle überprüfen.
@brotausfstrich:Aldi hat das von uns untersuchte und mit '"mangelhaft" beurteilte Kokosöl aus Sri Lanka aus dem Verkehr gezogen. Unsere Kontrollbesuche in einigen Filialen bestätigen dies. Das Kokosöl, das jetzt unter gleicher Produktbezeichnung „GutBio Bio Natives Kokosöl“ im Handel ist, stammt aus Vietnam. (bp)