
Jeder zweite Griff enthält viele Schadstoffe. Vier sind sehr stark belastet, darunter zwei Samsonite-Modelle. Die meisten Koffer sind zudem nicht wasserdicht.
Sommer, Sonne, Meeresrauschen – wer einen Koffer in die Hand nimmt, träumt von den schönen Dingen im Leben. Doch was Samsonite dem Urlauber andreht, ist eher ein Albtraum. Der Tragegriff des American Tourister Tokyo Chic steckt dermaßen voller Schadstoffe, dass eine Reise zum Gesundheitsrisiko werden kann. Drei weitere Koffer sind ebenfalls stark belastet, darunter ein zweites Modell des Branchenriesen Samsonite (siehe „PAK und Phthalate“). Bei den Schadstoffen handelt es sich um gefährliche Phthalat-Weichmacher und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Beim Anfassen der Griffe können die Stoffe über die Haut in den Körper gelangen. Im schlimmsten Fall können sie Krebs erzeugen, das Erbgut verändern, die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder das Kind im Mutterleib schädigen. Enthält ein Griff mehr als 10 Milligramm PAK pro Kilogramm Kunststoff, bewerten wir das mit mangelhaft. Im Tragegriff des Samsonite American Tourister fanden wir rund 18 000 Milligramm PAK pro Kilogramm. Mit diesem Wert konfrontiert, erklärt Samsonite, den American Tourister Tokyo Chic vom Markt zu nehmen. Die Bestände im Handel verkauft der Anbieter aber weiter und ruft sie nicht zurück.
Die Gesundheit aufs Spiel gesetzt
Auch den Samsonite Cubelite gibt es weiter zu kaufen. Obwohl wir auch hier zu viel PAK ermittelten – rund 60 Milligramm pro Kilogramm. Die beiden anderen mangelhaften Fälle wegen giftiger Griffe betreffen den K-Classic von Kaufland und den Travelite Elbe One. Sie waren sehr stark mit Phthalaten belastet. Der Kunststoff besteht zu mehr als 20 Prozent aus dem gefährlichen DEHP. Aber auch Lidl/TopMove, Travelpro, Travelite Flair und Roncato können die Gesundheit ihrer Kunden gefährden. Auch ihre Koffer enthalten Schadstoffe: Der Gehalt an PAK ist bei einigen mit 5 bis 7 Milligramm pro Kilogramm im Tragegriff zwar deutlich geringer, ein gewisses Gesundheitsrisiko besteht aber auch hier.
Nur Rimowa wirklich wasserdicht
Etwa jeder zweite der 17 Hart- und Weichschalenkoffer im Test hat bei den Schadstoffen ein Sehr gut. Erfreulich – aber gut sind sie deswegen auch nicht unbedingt. Die meisten sind Schönwetterkoffer: Ein Platzregen, und innen wird es nass. Rundum überzeugen können am Ende nur Delsey Xpert Lite, der Rimowa Salsa Air und der dritte Samsonite im Bunde, der Weichschalenkoffer B-Lite .
Ein guter Koffer muss auch mal einen ordentlichen Regenguss aushalten, auf dem Weg zum Bahnhof oder wenn er auf dem Rollfeld ins Flugzeug geladen wird. Wir haben das simuliert und alle Koffer zweimal zehn Minuten beregnen lassen. Den Schauer haben wir mit einer Wassermenge von einem Liter pro Minute und Quadratmeter selbst erzeugt. Das entspricht laut Deutschem Wetterdienst einem ordentlichen Starkregen. Nur ein einziger Koffer ist wirklich wasserdicht: der Rimowa Salsa Air. Bei allen anderen dringt mehr oder weniger Wasser ein – und zwar über die Öffnungen der Teleskopgriffe und durch die Reißverschlüsse. Das betrifft Hart- und Weichschalenkoffer. Am trockensten bleibt es noch im Samsonite Cubelite und B-Lite sowie im Delsey Xpert. Beim Titan L 7.0 und beim Travelite Flair mussten wir erstaunlich viel Wasser aus den Klamotten wringen.
Dauertests tadellos bestanden
Immerhin: Die Regenanfälligkeit ist für viele unbelastete Koffer die einzige Blöße. Die Dauertests für Griffe, Räder und Riemen haben alle tadellos bestanden. Nähte, Reißverschlüsse und Schlösser halten ebenfalls. Auf der Marterstrecke – insgesamt 30 Kilometer Laufband mit Rippen und Holperleisten – gibt es ebenso wenig Ausfälle wie bei den Belastungstests der Kofferflächen mit 1 000 Newton.
Falltest aus ein Meter Höhe
Auch beim Falltest erweisen sich die meisten als stabil. Nur die Ecken des Eminent von Galeria Kaufhof und des TopMove von Lidl sind nach dem Sturz aus einem Meter Höhe beschädigt. Leicht eingedrückt sind die Ecken bei Rimowa, Saxoline, Samsonite Cubelite und Tokyo Chic. Die Delle im Tokyo Chic lässt sich jedoch problem- und vor allem spurlos wieder herausdrücken. Das gelingt bei den anderen nicht optimal. Das Material des Saxoline ist zudem anfällig für Schäden durch spitze Gegenstände.
Die meisten Koffer sind gut zu handhaben. Unsere Tester haben gepackt, geschoben, getragen und gezogen – gravierende Unterschiede oder gar Mängel haben sie nicht gefunden. Der eine lässt sich etwas leichter öffnen und schließen, der andere etwas besser rollen und tragen, mal ist der Teleskopgriff etwas leichtgängiger, mal sind die Rollen etwas leiser. Die Testtabelle zeigt Stärken und Schwächen. Beim Kauf kann jeder selbst ausprobieren, ob der Koffer zu ihm passt, der Teleskopgriff zum Beispiel lang genug ist (siehe Tipps).
Flugzeug, Zug oder Auto? Wer einen Koffer kauft, sollte sich fragen, wo er ihn häufig benutzt. Flugpassagiere legen auf geringes Gewicht eher Wert als Autoreisende. Bahnfahrer achten wegen der begrenzten Gepäckablage auf die Maße des Koffers. Sie freuen sich auch über vier Rollen, um in den engen Gängen besser manövrieren zu können. Übrigens: Rollenkoffer wurden bereits auf der Pariser Weltausstellung 1879 präsentiert – und gerieten für fast hundert Jahre in Vergessenheit.