Nicht Spitze, sondern Mittelmaß – so die Quintessenz unseres großen Kochschinkenvergleichs. Die Fleischqualität der meisten rosa Scheiben ist zwar durchaus hoch, doch in fast allen tummeln sich sehr viele Keime.
Besonders wertvoll ist das Muskelfleisch aus dem Hinterteil des Schweins. Da, wo die wohlgeformten Pobacken sitzen. Aus genau jenem Körperteil, der Hinterkeule, wird der klassische Kochschinken hergestellt. In stundenlanger Feinarbeit wird das Fleisch gepökelt, massiert und gegart. Im Handel lockt es dann als „Delikatess Kochhinterschinken“, als Aufschnitt in „Premium-“ oder „Spitzenqualität“.
Doch wirklich spitze ist keiner der 25 abgepackten Kochschinken im Test. Außer dem Siegerschinken von Plus – der einzige mit „Gut“ – erweisen sich die meisten als bloßes Mittelmaß, drei sind gar „mangelhaft“. Ausgewählt für den Test haben wir Marken, die am häufigsten verkauft werden. Mit meist 1 bis 2 Euro pro Packung sind sie recht günstig. Insgesamt wurden 2005 etwa 86 800 Tonnen Kochschinken in Deutschland produziert. 60 Prozent davon gelangten abgepackt, der übrige Teil als lose Ware in den Handel.
Sieben Produkte sind sauer
Hauptursache für das mäßige Ergebnis sind die vielen Keime, die wir am Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums fanden. Mit Ausnahme von vier Schinken stellten wir überall erhöhte Gesamtkeimzahlen fest. Die meisten Keime waren typische Verderbniskeime, nämlich Milchsäurebakterien. Bei sieben Produkten hatten sie bereits zu saurem Geruch oder Geschmack geführt. Im Schinken von Netto fanden sich dazu gefährliche Listerien, eine Bakterienart, die bei Babys, Schwangeren und alten Menschen Erkrankungen auslösen kann. Sie gelangen durch Hygienemängel bei der Verarbeitung in das Produkt. Der Schinken von Netto ist so klarer Testverlierer. Auch das Unternehmen selbst macht in puncto gesellschaftliche Verantwortung keinen guten Eindruck, wie unser CSR-Test zeigt.
Selbst im Schinken von Plus war die Gesamtkeimzahl leicht erhöht. Das Siegertreppchen konnte er trotzdem erklimmen – dank intakter Muskelfasern, viel Fleischeiweiß und einwandfreier Sensorik: saftige, gleichmäßige Scheiben in Pökelrot, aromatisch-würziger Geschmack. Sensorisch besser, sprich „sehr gut“, war nur noch Herta Saftiger Genuss. Aber auch dieser Schinken büßte wegen kritischer Keimgehalte entscheidende Punkte ein.
Lange Haltbarkeit wird vorgetäuscht
Verantwortlich für die vielen Keime könnten eine falsche Lagerung oder unterbrochene Kühlkette sein. Hinzu kommt ein anderes Problem: Kochschinken ist kein Vorratsprodukt, wird aber als solches vermarktet. Das Mindesthaltbarkeitsdatum auf den Verpackungen gaukelt dem Verbraucher eine bis zu 33 Tage lange Haltbarkeit vor, die schwer zu garantieren ist. Auf Druck des Handels hält die Branche jedoch bis jetzt daran fest.
Es muss nicht „light“ sein
Kochschinken hat wenig Kalorien und ist auch deshalb beliebt. Auf den Fettrand, früher ein Muss, verzichtet der figurbewusste Verbraucher von heute lieber. Das Fett wird schon beim Zerlegen im Schlachtbetrieb entfernt. Übrig bleibt die reine Muskulatur.
Sechs Anbieter im Test bewerben einige ihrer Kochschinken als besonders kalorienarm – „nur zwei Prozent Fett“ – oder als eine Art „Lightprodukt“: Aoste Luftig Fein, Herta Finesse, Netto Marken-Discount, Norma, Weight Watchers und Zimbo. Die Scheiben sind oft hauchdünn und ihr Fettgehalt tatsächlich günstig für die schlanke Linie. Allerdings schaffen das fast alle anderen Schinken auch. Sie werben nur nicht offensiv damit. Laut der neuen EU-Verordnung über nährwertbezogene Werbeaussagen bei Lebensmitteln, den „Health Claims“, gelten Produkte mit bis zu drei Prozent Fett als fettarm.
Einzelteile ja, Formfleisch nein
Früher wurde Kochschinken vorwiegend aus dem ganzen, wertvollen Hinterschinken, bestehend aus Ober- und Unterschale, hergestellt. Die gestiegene Nachfrage nach Schweinefleisch, seine industrielle Verarbeitung haben das stark verändert. Schinken aus einem Stück sind heute rar, beim wöchentlichen Feilschen um den Schweinepreis zählt jeder Cent. Die Anbieter verarbeiten häufig nur noch faustgroße Teile. Die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs erlauben das, solange die Muskelstücke „auch isoliert als Schinken verkehrsfähig wären“.
Heute bearbeitet ein Tumbler, eine rotierende Trommel zum Massieren des Fleisches, viele kleine Einzelstücke. Rotiert er zu schnell oder ist das Fleisch von schlechter Qualität, können Fasern zerstört werden. Dann kommt es zu Abrieb, zu brätartiger Masse, die sich im späteren Schinken wiederfinden kann. Formfleisch, das aus noch kleineren Stücken gepresst wird, war im Test aber nicht festzustellen.
Weil Kochschinken aus mehreren Muskelteilen besteht, bietet seine Oberfläche eine Landschaft aus hellen und dunklen Flecken. Diese gehen auch auf den Muskelfarbstoff Myoglobin zurück: Je dunkler die Fasern, umso mehr wurden sie im Laufe eines Schweinelebens bewegt.
Besonders hohe Fleischqualität
Um die Qualität von Schinken zu beurteilen, gibt es weitere, recht komplizierte Kriterien, zum Beispiel das bindegewebseiweißfreie Fleischeiweiß im Fleischeiweiß, kurz BEFFE in FE. Je mehr Muskelfleisch und je weniger Bindegewebe das Fleisch hat, umso besser ist es. Je nach Zerlegungsgrad des Fleisches muss das Eiweiß im Kochschinken mindestens 85 oder 90 Prozent Muskeleiweiß aufweisen. Viele der Schinken im Test liegen deutlich darüber, ihre Fleischqualität ist besonders gut. Das gilt auch für das Fleischeiweiß im fettfreien Anteil, FEiffA, das mindestens 19 Prozent betragen muss. Bis auf Grünes Land, das Bioprodukt von Metro, schaffen das alle.
Bindegewebe bei Weight Watchers
Deutlich aus dem Rahmen fällt allein der Kochschinken von Weight Watchers. In ihm fanden wir ungewöhnlich viel bindegewebsreiche Anteile, sogenannte Kollagenabbauprodukte, die nach der Fleischverordnung da nichts zu suchen haben. Die Konsequenz: „mangelhaft“.
Beim Pökeln scheiden sich die Geister
Eine Besonderheit ist das Bioprodukt von Schröder’s, einem Fleischer aus dem Norden, der nach Bioland-Kriterien arbeitet. Er verzichtet gänzlich aufs Pökeln; sein „Kochschinken“ sieht deshalb grau aus. Die EU-Bio-Verordnung erlaubt Nitritpökelsalz, einzelne Bio-Anbauverbände wie Bioland, Demeter und Gäa lehnen es aber ab. Doch kann ein ungepökelter Schinken als Kochschinken durchgehen? Die meisten Metzger schütteln heftig den Kopf. Auch die Verkehrsauffassung für Kochschinken sagt nein. Falsche Farbe, dazu das einzige wirklich verdorbene Produkt im Test: also „mangelhaft“. Bei der Herstellung aber, vom Bioschwein bis zum Endprodukt, trägt Schröder’s weit mehr Verantwortung als andere (siehe CSR Kochschinken).
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